Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Kandidat profitiert von der Schwäche seiner Gegner
Annalena Baerbock. Die hatten zuletzt unnötige Fehler gemacht, eine Entwicklung, die nun allerdings auch Scholz in seiner Partei erleben muss. Der Grund des Anstoßes und des möglicherweise bevorstehenden Umfrage-Rückfalls von Scholz: Ein Wahlwerbespot, den SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vorstellte. Darin werden, angelehnt an russische Matroschka-Puppen, nacheinander verschiedene Gesichter von CDU-Politikern gezeigt. Zu einem davon heißt es: „Wer Armin Laschet von der CDU wählt, ... wählt erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist.“Gemeint ist der Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, Nathanael Liminski. Die Äußerung des heute 35-Jährigen ist etwa 14 Jahre alt. Vor allem verstößt der SPD-Spot aber gegen die Regel, dass die Religionszugehörigkeit grundsätzlich kein Wahlkampfthema ist.
In der Bundespolitik kann der Wahlkampf durchaus zu einer harten Auseinandersetzung ausarten. Damit es nicht zu schlimm wird, haben die Parteien untereinander Absprachen getroffen. Da gibt es zum Beispiel die Verabredung, dass von Hackern gestohlene und dann veröffentlichte Computerdaten grundsätzlich nicht gegen den politischen Gegner verwendet werden. Im Willy-Brandt-Haus wurde zur diesjährigen Bundestagswahl gerade erst eine neue Selbstverpflichtung aufgelegt, in der die SPD unter anderem erklärt, sie dulde beleidigende, rassistische, herabwürdigende und gewaltverherrlichende Kommentare nicht. Nach Einschätzung vieler Bundespolitiker fällt die Äußerung über Liminski genau in diese Kategorie. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisierte, seine Partei habe sich das Bekenntnis der SPD zu einem fairen Wahlkampf anders vorgestellt. Kampagnen seien ja immer abhängig vom Spitzenkandidaten, meinte Ziemiak und forderte Olaf Scholz zu einer Erklärung auf, „ob er weiterhin die Zugehörigkeit
Foto:Jörg Carstensen, dpa zur katholischen Religion missbrauchen will für eine Kampagne im Wahlkampf“? Ob die Angelegenheit für Scholz so viel Zündstoff birgt wie der Laschet-Lacher inmitten des Hochwassers in NordrheinWestfalen oder die Lebenslauf-Lügen von Baerbock, das werden die nächsten Umfragen zeigen.
Vorerst kann er sich über leicht gestiegene Zahlen für seine Partei und stark gestiegene Beliebtheitswerte freuen. Laut einer Erhebung
Die SPD kämpft gegen schwache Umfragewerte, aber ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz kommt auf die besten Sympathiewerte aller Bewerberinnen und Bewerber im Rennen um den Einzug ins Kanzleramt.
und weiter Sympathiepunkte sammeln. Dabei droht ihm aber ein Problem auf die Füße zu fallen, das ihm schon in der Vergangenheit das Leben schwer machte. Seine eigene Partei.
Die SPD wollte Scholz 2019 bekanntlich nicht zum Vorsitzenden haben und wählte stattdessen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Esken hat gerade erklärt, dass sie über 2021 hinaus Parteichefin bleiben möchte. Das könnte eine offene Flanke für Scholz werden, denn üblicherweise stehen die Regierungschefs und Regierungschefinnen ihrer Partei vor. Andererseits hat es der Scholzomat mit hanseatischer Beharrlichkeit vermocht, die Entwicklung bei der SPD zu drehen. Am 30. November 2019, als Scholz eben nicht Parteivorsitzender wurde, unkten viele Beobachterinnen und Beobachter schon, die SPD werde den Weg der Sozialisten in Frankreich gehen und in den Nebel des Vergessens eintauchen. Das ist bekanntlich nicht passiert. Wegen Scholz ist mit der SPD im Wahlkampf wieder zu rechnen.