Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Als der Steg übers Hochablasswehr entstand
Seit 90 Jahren können Fußgänger und Fahrradfahrer über den Steg am Hochablass den Lech kreuzen. Dabei galt er einst als ein zu kostspieliges „Luxus-Bauwerk“
Seit 1912 flankieren die Steinskulpturen „Industrie“und „Flößer“den Zugang am linken Lechufer zum Steg über dem Hochablasswehr. Bis 1931 reichte diese begehbare „Betonlaufrinne“nur bis zur Wehrmitte. Das dokumentieren Fotos und Bildpostkarten. Eine begehbare Verbindung zwischen der darauf abgebildeten Hochablass-Gaststätte und dem Kuhsee auf der Hochzoller Seite des Lech gibt es seit 90 Jahren. Der Vorläufer war ein Arbeitssteg beim Bau des Hochablass-Wehrs 1911/12. Ein dauerhafter Wehrübergang als Verbindung zum Kuhsee war nicht geplant. Ein solches „Luxus-Bauwerk“galt als zu kostspielig angesichts der ohnehin gewaltigen Baukosten.
Dass das Hochablasswehr vor 110 Jahren entstand, sieht man dem massiven BetonStauwerk nicht an. Sanierungsaktionen sorgten seither nicht nur für seine Standfestigkeit, sondern auch für eine ansprechende Optik. 1910 war das Vorgängerwehr von einem Hochwasser weggerissen worden. Vom Wehr und von der Floßgasse blieben nur freigespülte Holzverbauungen. Reste der aus dem Kiesbett ragenden Balken sind noch immer bei Niedrigwasser sichtbar. Das alte Wehr befand sich etwa 150 Meter unterhalb des heutigen Wehrs.
Das Hochablasswehr war 1910 für Augsburg als Energielieferant von höchster Bedeutung. Hier wurde das Wasser für ein Netz von Werkkanälen abgeleitet. Daran lagen rund 50 Triebwerke mit Turbinen und Wasserrädern. Das Wasserwerk am Hochablass musste nach Ausfall des zum Antrieb der Pumpen dienenden Lechwassers durch zwei Dampfmaschinen in Betrieb gehalten werden.
Im Februar 1911 begannen die Arbeiten für einen völlig neu konzipierten Hochablass. Dabei kam damals modernste Technik zum Einsatz. Sie funktioniert noch heute. Am 20. Juli 1912 konnte das Schlussstück des Wehrkörpers eingesetzt werden, am 28. Juli wurden die Werkkanäle geflutet. Das Wasser für die Kanäle wurde mittels einer Wehranlage modernster Bauart vom Lech abgeleitet. Das Wehr bestand aus einer elektrisch bedienbaren beweglichen Schleusenanlage und einem 88 Meter langen festen Überfallwehr.
1930 zeigte ein Hochwasser Schwachstellen auf. Die Stadt reagierte schnell. 1931 folgte der Umbau der nicht mehr benötigten Floßgasse zur Kiesschleuse, die den Druck von Geschiebe auf das Wehr nahm. Die Stadt verband damit eine „Luxus-Baumaßnahme“: Im Oktober 1930 hatte der Stadtrat beschlossen, einen dringlichen Wunsch der Augsburger Bevölkerung zu erfüllen: einen Steg über dem Wehr. Er war im Juni 1931 begehbar.
Seit 90 Jahren ist der Wehrübergang benutzbar – allerdings mit etlichen Unterbrechungen. 1970 war die Verbreiterung des schmalen Betonstegs im Gange. Ein Hochwasser unterbrach die Arbeiten. Am 11. August 1970 stand der Pegel des Lechs sechs Meter über dem Normalstand, riss rund 10.000 Kubikmeter Uferböschung und das Gerüst
den Steg mit. Der Steg kam mit Verzögerung. 1996 fand eine Überprüfung der Standsicherheit der Wehranlage statt. Experten rieten zu einer Betonsanierung. Das Wehr trotzte im Mai 1999 einem Hochwasser, doch eine Sanierung war nicht mehr aufschiebbar. Im Winter 1999/2000 begannen die Arbeiten, im darauffolgenden Winter folgte die Verbesserung des Betons mittels Injektionen. 2005 war die Festigung der Pfeiler der Kiesschleuse und das Einlaufbauwerk für die Stadtkanäle an der Reihe.
2012 begannen wiederum Bauarbeiten am Wehr, die die Standfestigkeit nicht beeinträchtigen durften: Die Stadtwerke bauten ein Wasserkraftwerk. Seit Mai 2014 erzeugt es im Vollbetrieb „Lechstrom“. Der Wehrsteg war ab Juli 2012 zeitweise unterbrochen. Ein provisorischer Steg mit Aussicht auf die Baustelle wurde nach Fertigstellung des unterirdischen Wasserkraftwerks wieder von einem Betonteil abgelöst. 2015 sah die Wehranlage größtenteils wie früher aus. Selbst der „Wasservorhang“an den Wehrüberläufen funktionierte, obwohl seither ein Teil des Lechwassers zwei Kaplan-Kegelrohrturbinen antreibt und für etwa 4650 Haushalte Strom erzeugt.
2017 musste im Wehr die bewegliche Überlaufwalze nach 105 Betriebsjahren ausgetauscht werden. Die neue Stahlkonstruktion sollte aussehen wie die alte, so die Vorgafür be. Das war man dem Unesco-Prädikat als „Wasserstadt“schuldig. Auch der sichtbare historische Kettenmechanismus blieb erhalten. Die moderne Antriebs- und Steuerungstechnik wurde im Glockentürmchen versteckt.
Die Walzenerneuerung wurde 2017 vom Austausch des 130 Meter langen Fußgängerstegs begleitet. Der einer Betonlaufrinne gleichende Steg wurde in Teilen vorgefertigt und mit dem Kran Stück für Stück aufgesetzt. Auch der neue Steg durfte aus historischen Gründen nicht als Neubau erkennbar sein. Unter dem Betonsteg verbergen sich 2017 erneuerte Wasserleitungsrohre und andere Versorgungsleitungen für Hochzoll.