Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Jurist und Ehefrau kämpfen für den Blumenmaler
Mit der Augsburgblume wurde er bekannt, doch seit über einem Jahr sitzt Berni McQueen wegen seiner Graffiti in Haft. Selbst dort bemalte er Wände. Sein Anwalt und seine Frau sehen nur eine Lösung
Jeden Tag findet Lisa McQueen persönliche Post in ihrem Briefkasten, von Hand geschrieben. Seit knapp über einem Jahr erhält sie diese Briefe von ihrem Mann. So lange schon befindet sich Berni McQueen im Gefängnis. In der JVA Gablingen sitzt der 33-Jährige seine Strafe ab. Seine Graffiti mit der schwarzen, schlanken Augsburgblume hatten ihm zwar Bekanntheit verschafft, aber sie und andere Motive wurden ihm zum Verhängnis. Weil der „Blumenmaler“immer wieder illegal Graffiti an Hauswänden, Schaltkästen und Brücken anbrachte und wiederholt gegen Bewährungsauflagen verstieß, verbüßt er eine Gesamthaftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Seine Frau Lisa McQueen, Betreiberin des Café Kätchens und Stadträtin (Die Partei), kämpft für die Zukunft ihres Mannes – und hat sich dafür bekannte Unterstützung geholt.
Es ist der Augsburger Anwalt Thomas Galli. Der 47-Jährige, der einst selbst Justizvollzugsanstalten leitete, hat sich als Kritiker von Gefängnissen einen Namen gemacht. In seinen vier Büchern und in Talkrunden wird Galli nicht müde, Sinn und Zweck der Haftstrafen zu hinterfragen. Er hält diese nur in wenigen Fällen für angebracht. Der Jurist ist vielmehr überzeugt, dass der Entzug der Freiheit meist eher Schaden anrichtet, als Nutzen bringt, und den Steuerzahler viel Geld kostet. Das sieht er auch im Fall Berni McQueen so.
„Man muss sich hier fragen, wem es etwas bringt, dass er so lange eingesperrt ist“, sagt Galli. Weder der Anwalt noch die Frau des Inhaftierten finden die mehrjährige Haftstrafe verhältnismäßig. „Und ein Richter, der über 4000 Kinderpornos besaß, kommt mit einer Geldstrafe davon“, merken beide in Bezug auf den aktuellen Fall an, der in Augsburg derzeit Wellen schlägt. Thomas Galli und Lisa McQueen jedenfalls glauben, dass eine bloße Freiheitsstrafe beim Blumenmaler völlig sinnfrei sei. Vielmehr brauche er eine Therapie. Thomas Galli will dies für seinen Mandanten erreichen, er habe dazu Kontakt mit der Gefängnisleitung aufgenommen.
„Alkohol- oder Drogensüchtigen werden in Gefängnissen Therapien angeboten“, sagt er und kritisiert, dass es für Fälle wie bei Berni McQueen keine Möglichkeiten gebe. Er ist überzeugt, dass der Mann mit der unbestritten künstlerischen Ader unter einer Zwangsstörung leide, einer Manie, überall Gegenstände bemalen zu müssen. Lisa McQueen ist das wohl erst in den letzten Monaten so richtig bewusst geworden, auch bei ihren Gefängnisbesuchen. Etwa als ihr Mann ihr von vorbeifahrenden Zügen berichtete.
„Er erzählte mir, immer wenn er einen Zug an der JVA vorbeifahren hört, verspürt er den inneren Drang, ihn zu bemalen.“Zuletzt war McQueen dabei erwischt worden, wie er mithilfe eines Schlüssels in seiner Zelle im Gablinger Gefängnis, in Gängen und Räumen Kreise an die Wände malte. Dafür seien ihm zusätzlich drei Monate Haft aufgebrummt worden, so Lisa McQueen. Sie selbst sei ihrem Mann nicht böse. „Es ist ein Zwang bei ihm. Jeder normale Mensch, der auf doppelter Bewährung ist, würde doch die Finger von Graffiti lassen“, sagt die 31-Jährige. „Und jetzt macht er im Gefängnis wieder so etwas. Das zeigt doch, dass er nicht anders kann.“Die Stadträtin, die betont, dass sie mit dem Einverständnis ihres Mannes mit unserer
Redaktion spreche, befürchtet, dass der 33-Jährige nach seiner Haftentlassung so weitermachen werde, wenn er keine Therapie erhalte. Rechtsanwalt Galli will sich aber nicht nur dafür einsetzen.
Wenn sein Mandant die Hälfte seiner Haftstrafe abgesessen habe, wolle er für ihn eine vorzeitige Entlassung anstreben, meint Galli. Zudem kämpfen der Jurist und Lisa McQueen schon länger dafür, dass der 33-Jährige im Gefängnis, wo er als Küchenhilfe arbeitet, eine Ausbildung zum Koch beginnen darf. Bislang sei dies abgelehnt worden. Dabei habe Berni bereits in einem bekannten Augsburger Restaurant eine Stelle in Aussicht, auf der er nach seiner Haftzeit seine Ausbildung beenden könnte, sagt seine Frau. In der Alten Liebe im Bismarckviertel, würde er erst mal auf Probe, und dann, wenn alles passt, als Auszubildender übernommen. „Wenn die Gesellschaft will, dass man gebessert aus einem Gefängnis herauskommt, dann muss man auch die Möglichkeit dazu geben“, findet die Kommunalpolitikerin.
Lisa McQueen kann ihren Mann nur selten sehen. Berni, sagt sie, dürfe nur zweimal im Monat für jeweils eine halbe Stunde besucht werden – und das nur durch eine Glasscheibe getrennt. Auch bei ihr als Ehefrau werde da keine Ausnahme gemacht. Die gelernte Kürschnerin ist froh, dass ihr Mann sich auch im Gefängnis beschäftigen kann. „Er steht morgens um vier Uhr auf, trinkt Kaffee und raucht Zigaretten, schaut aus dem Fenster, hört Radio. Dann schreibt er einen Teil seines Briefes an mich.“Um sechs Uhr beginne der Arbeitstag – bis 14 Uhr, danach Hofgang. „Er liest viel und zeichnet. Einmal die Woche bekomme ich ein Selbstbildnis von ihm geschickt.“Ein Galerist habe die Selbstporträts in Auftrag gegeben. Er plane damit eine Ausstellung. Sowohl Berni McQueen als auch seine Frau engagieren sich in der Augsburger Kunstszene.
Mit ihrem gegründeten Verein „Schöne Felder“haben sie jetzt zusammen mit einem Veranstalter die begehbare Ausstellung „KunstGang“in Leerständen und Schaufenstern der Innenstadt mit Werken von 18 Künstlerinnen und Künstlern eröffnet. Aus dem Gefängnis heraus half Berni McQueen dabei mit, wählte die Künstler mit aus, berichtet Ehefrau Lisa. „Meinem Mann wird auch im Gefängnis nicht langweilig, und mir nicht, wenn ich seine täglichen Briefe öffne.“