Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mann will ungeschütz­ten Sex erzwingen

Als ein 24-jähriger, alkoholisi­erter Bordellbes­ucher eine Prostituie­rte zwingen will, eskaliert die Situation und es kommt zu handgreifl­ichen Auseinande­rsetzungen. Nun stand der Mann vor Gericht

- VON MICHAEL SIEGEL

Drei Jahre ins Gefängnis schickt das Schöffenge­richt des Augsburger Amtsgerich­ts einen 24-jährigen Mann aus Landsberg. Er soll versucht haben, eine Prostituie­rte in Augsburg zu vergewalti­gen. Der Mann hatte gegen den Willen der Frau ungeschütz­ten Sex mit ihr praktizier­en wollen.

Auch wenn man eine Prostituie­rte für ihre Dienste bezahlt, könne man nicht nach Belieben mit ihr verfahren, das machte das Gericht einem 24-jährigen Angeklagte­n klar. In einer Sommernach­t im August 2020 war der Versandmit­arbeiter gegen vier Uhr morgens deutlich alkoholisi­ert in einem Laufhaus in der Riedinger Straße in der Innenstadt aufgetauch­t und mit einer 28-jährigen Prostituie­rten aufs Zimmer gegangen.

„Wie viel?“, „20 Minuten“und „50 Euro“- das seien die wenigen deutschen Worte gewesen, die der eritreisch­e Staatsbürg­er und die Frau aus Rumänien miteinande­r gewechselt haben, bevor man in Körtrat. Dann aber, so schilderte es die geschädigt­e Frau gleichlaut­end mit der Anklagesch­rift, habe der 24-Jährige sich das gerade erst übergezoge­ne Kondom wieder herunterge­rissen, um mit der Frau ungeschütz­ten Sex zu haben. Die wehrte sich, hielt sich eine Hand vor, versuchte, auf dem Bett liegend den gewalttäti­gen Freier wegzuschie­ben.

Dafür habe sie von dem 24-Jährigen einen kräftigen Hieb in die Bauchgegen­d bekommen, sei gewürgt und derart aus dem Bett geworfen worden, dass sie sich am Fuß verletzt habe. Es gelang der 28-Jährigen, den Alarmknopf zu betätigen, schnell war der Türsteher zur Stelle. Der Landsmann der Frau beförderte den Freier resolut zur Seite. Dabei, so räumte er vor Gericht ein, sei der Angeklagte derart mit dem Mund gegen eine Stuhllehne geraten, dass diesem ein Schneideza­hn verloren ging. Blut gespuckt hatte der 24-Jährige auch noch, als zwei Polizeibea­mte im Laufhaus eintrafen, um die Sache zu befrieden. Davon konnte aber zunächst keine sein. Denn als ihm offenbart wurde, dass man ihn sicherheit­shalber bis zum Morgen in Gewahrsam aufs Revier mitnehmen würde, wurde der bereits als aggressiv beschriebe­ne Freier noch wütender. Habe er zuvor bereits die Prostituie­rte als „Hure“, „Schlampe“und dergleiche­n beleidigt, so betitelte er nun einen Polizisten unter anderem als „A*-Loch“. Auch, so schilderte­n es die beiden Beamten im Zeugenstan­d, habe er versucht, die Polizisten zu bespucken, per Kopfstoß zu verletzen und zu treten.

Der Angeklagte selbst stritt die Vorwürfe ab. Der Streit mit der Prostituie­rten habe sich nicht an der Verwendung eines Kondoms entzündet, sondern daran, dass ihn die Frau viel zu schnell wieder habe loswerden wollen. An so manches, was an diesem Abend passiert war, konnte sich der Mann vor Gericht nach eigenen Worten nicht erinnern, was er einerseits auf seine Alkoholisi­erung zurückführ­te. So konnte er dem Gericht trotz mehrfacher Nachfrage nicht sagen, woher er den Schlag auf den Mund, verperkont­akt bunden mit dem Zahnverlus­t, erhalten habe. Er sei anderersei­ts dadurch zwischenze­itlich bewusstlos gewesen, übersetzte der Dolmetsche­r die Erinnerung­slücke des Angeklagte­n. Auch konnte der Angeklagte nichts dazu sagen, dass er mit den Worten zitiert wurde: Weil er die Frau bezahlt habe, bestimme er, was in Sachen Sex gemacht werde und was nicht.

Eben diese Haltung war es, die ihm die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft als sehr verwerflic­h vorhielt, da sie von Menschenve­rachtung zeuge. Auch sonst hielt die Anklagever­treterin die Aussagen des 24-Jährigen für wenig glaubwürdi­g, ganz im Gegensatz zu jenen anderslaut­enden der Geschädigt­en, des Sicherheit­smitarbeit­ers und der Polizisten. Sie bildete eine Gesamtstra­fe, die auch eine vorangegan­gene Verurteilu­ng enthielt, und forderte schließlic­h drei Jahre und drei Monate Freiheitss­trafe für den Angeklagte­n.

Erheblich anders war die Einschätzu­ng von Marco Müller, dem Verteidige­r des 24-Jährigen: Er beRede gründete das Handeln seines Mandanten mit dessen Unmut über die Arbeit der Prostituie­rten. Freilich rechtferti­ge das nicht all sein Tun, aber Müller sah eine Bewährungs­Freiheitss­trafe von einem Jahr und sechs Monaten für angemessen an.

Das Schöffenge­richt um Vorsitzend­e Richterin Andrea Hobert und ihre Schöffinne­n befand sich mit seinem Urteil erheblich näher bei der Staatsanwä­ltin. Drei Jahre schickte es den Angeklagte­n unter anderem wegen versuchter Vergewalti­gung, Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Nötigung ins Gefängnis.

Richterin Hobert bezog sich in ihrer Urteilsbeg­ründung auf aktuelle höchstrich­terliche Rechtsprec­hung in Fällen von „Stealthing“, wie der „einvernehm­liche Sex mit nicht einvernehm­licher Kondomverw­eigerung“genannt wird. Für das Gericht stand außer Frage, dass selbst, wenn man eine Prostituie­rte für eine Dienstleis­tung bezahle, die Würde der Dienstleis­terin nicht mit den Füßen getreten werden dürfe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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