Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mann will ungeschützten Sex erzwingen
Als ein 24-jähriger, alkoholisierter Bordellbesucher eine Prostituierte zwingen will, eskaliert die Situation und es kommt zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Nun stand der Mann vor Gericht
Drei Jahre ins Gefängnis schickt das Schöffengericht des Augsburger Amtsgerichts einen 24-jährigen Mann aus Landsberg. Er soll versucht haben, eine Prostituierte in Augsburg zu vergewaltigen. Der Mann hatte gegen den Willen der Frau ungeschützten Sex mit ihr praktizieren wollen.
Auch wenn man eine Prostituierte für ihre Dienste bezahlt, könne man nicht nach Belieben mit ihr verfahren, das machte das Gericht einem 24-jährigen Angeklagten klar. In einer Sommernacht im August 2020 war der Versandmitarbeiter gegen vier Uhr morgens deutlich alkoholisiert in einem Laufhaus in der Riedinger Straße in der Innenstadt aufgetaucht und mit einer 28-jährigen Prostituierten aufs Zimmer gegangen.
„Wie viel?“, „20 Minuten“und „50 Euro“- das seien die wenigen deutschen Worte gewesen, die der eritreische Staatsbürger und die Frau aus Rumänien miteinander gewechselt haben, bevor man in Körtrat. Dann aber, so schilderte es die geschädigte Frau gleichlautend mit der Anklageschrift, habe der 24-Jährige sich das gerade erst übergezogene Kondom wieder heruntergerissen, um mit der Frau ungeschützten Sex zu haben. Die wehrte sich, hielt sich eine Hand vor, versuchte, auf dem Bett liegend den gewalttätigen Freier wegzuschieben.
Dafür habe sie von dem 24-Jährigen einen kräftigen Hieb in die Bauchgegend bekommen, sei gewürgt und derart aus dem Bett geworfen worden, dass sie sich am Fuß verletzt habe. Es gelang der 28-Jährigen, den Alarmknopf zu betätigen, schnell war der Türsteher zur Stelle. Der Landsmann der Frau beförderte den Freier resolut zur Seite. Dabei, so räumte er vor Gericht ein, sei der Angeklagte derart mit dem Mund gegen eine Stuhllehne geraten, dass diesem ein Schneidezahn verloren ging. Blut gespuckt hatte der 24-Jährige auch noch, als zwei Polizeibeamte im Laufhaus eintrafen, um die Sache zu befrieden. Davon konnte aber zunächst keine sein. Denn als ihm offenbart wurde, dass man ihn sicherheitshalber bis zum Morgen in Gewahrsam aufs Revier mitnehmen würde, wurde der bereits als aggressiv beschriebene Freier noch wütender. Habe er zuvor bereits die Prostituierte als „Hure“, „Schlampe“und dergleichen beleidigt, so betitelte er nun einen Polizisten unter anderem als „A*-Loch“. Auch, so schilderten es die beiden Beamten im Zeugenstand, habe er versucht, die Polizisten zu bespucken, per Kopfstoß zu verletzen und zu treten.
Der Angeklagte selbst stritt die Vorwürfe ab. Der Streit mit der Prostituierten habe sich nicht an der Verwendung eines Kondoms entzündet, sondern daran, dass ihn die Frau viel zu schnell wieder habe loswerden wollen. An so manches, was an diesem Abend passiert war, konnte sich der Mann vor Gericht nach eigenen Worten nicht erinnern, was er einerseits auf seine Alkoholisierung zurückführte. So konnte er dem Gericht trotz mehrfacher Nachfrage nicht sagen, woher er den Schlag auf den Mund, verperkontakt bunden mit dem Zahnverlust, erhalten habe. Er sei andererseits dadurch zwischenzeitlich bewusstlos gewesen, übersetzte der Dolmetscher die Erinnerungslücke des Angeklagten. Auch konnte der Angeklagte nichts dazu sagen, dass er mit den Worten zitiert wurde: Weil er die Frau bezahlt habe, bestimme er, was in Sachen Sex gemacht werde und was nicht.
Eben diese Haltung war es, die ihm die Vertreterin der Staatsanwaltschaft als sehr verwerflich vorhielt, da sie von Menschenverachtung zeuge. Auch sonst hielt die Anklagevertreterin die Aussagen des 24-Jährigen für wenig glaubwürdig, ganz im Gegensatz zu jenen anderslautenden der Geschädigten, des Sicherheitsmitarbeiters und der Polizisten. Sie bildete eine Gesamtstrafe, die auch eine vorangegangene Verurteilung enthielt, und forderte schließlich drei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe für den Angeklagten.
Erheblich anders war die Einschätzung von Marco Müller, dem Verteidiger des 24-Jährigen: Er beRede gründete das Handeln seines Mandanten mit dessen Unmut über die Arbeit der Prostituierten. Freilich rechtfertige das nicht all sein Tun, aber Müller sah eine BewährungsFreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für angemessen an.
Das Schöffengericht um Vorsitzende Richterin Andrea Hobert und ihre Schöffinnen befand sich mit seinem Urteil erheblich näher bei der Staatsanwältin. Drei Jahre schickte es den Angeklagten unter anderem wegen versuchter Vergewaltigung, Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung ins Gefängnis.
Richterin Hobert bezog sich in ihrer Urteilsbegründung auf aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung in Fällen von „Stealthing“, wie der „einvernehmliche Sex mit nicht einvernehmlicher Kondomverweigerung“genannt wird. Für das Gericht stand außer Frage, dass selbst, wenn man eine Prostituierte für eine Dienstleistung bezahle, die Würde der Dienstleisterin nicht mit den Füßen getreten werden dürfe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.