Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Viele Camper, aber zu wenig Stellplätze
Reisen mit dem Wohnmobil liegt im Trend, auch in Augsburg steigt die Nachfrage. Die Folge: volle Stellplätze und kaum Ausweichmöglichkeiten. Was die Stadt versucht, um dies zu ändern
Erwin Seiler ist 75 Jahre alt und Camper aus Leidenschaft. Derzeit steht sein Wohnmobil auf dem Wohnmobilstellplatz Wertach an der Ackermannbrücke. Dort ist er aber keiner der Gäste, sondern hat als Freund von Betreiber Werner Hardt vorübergehend den Job als Platzmanager übernommen. Rund um die Uhr hat er ein offenes Ohr für die Belange der Camper, er kümmert sich darum, dass die Standgebühr bezahlt wird, die Gäste zum nahe gelegenen Supermarkt finden oder einen Stadtplan bekommen, mit dem sie Augsburg erkunden können. Wahrscheinlich kämen noch viel mehr Wohnmobiltouristen nach Augsburg, die Stadt wird als Ausflugsziel immer beliebter. Doch es gibt ein Problem.
„Urlaub mit dem Wohnmobil liegt im Trend, und zwar schon seit mehreren Jahren“, weiß Erwin Seiler. Offizielle Zahlen bestätigen seinen Eindruck. Laut Statistischem Bundesamt ist der Bestand an Wohnmobilen in Deutschland zwischen 2015 und 2020 um 50 Prozent gewachsen. Diese Entwicklung spüre man auch hier vor Ort, sagt der Augsburger Platzwart. Die 22 Plätze zwischen Wertach und Ackermannbrücke seien gerade in den Ferienzeiten regelmäßig voll belegt. Jeden Abend müsse er fünf bis zehn Camper weiterschicken. „Meistens empfehle ich ihnen den Platz in Königsbrunn, weil der gut von hier aus erreichbar ist.“
Viele machen auf der Durchreise für ein oder zwei Nächte Station und sehen sich die Stadt an – auch Gäste aus Spanien, Frankreich, Italien oder Belgien kommen. Martin Rücke, seine Frau Katharina Kreuschner und Tochter Lieselotte sind auf dem Heimweg nach Berlin, als sie an der Wertach in Augsburg Zwischenstopp machen. „Wir haben das Angebot über eine Stellplatz-App gefunden und gesehen, dass der Platz gute Bewertungen hat“, begründet Rücke, warum er sich für diesen Aufenthaltsort entschieden hat – fügt aber schnell an: „Andere Optionen gibt es direkt in Augsburg aber auch gar nicht.“
Ein Problem, das auch Tourismusdirektor Götz Beck umtreibt. sei ein Megatrend, die Anfragen zum Thema hätten sich zuletzt verdreifacht, sagt er. Augsburg sei unter anderem wegen seiner Lage ein beliebtes Ziel bei Wohnmobilfahrern. Egal, ob diese entlang der Romantischen Straße, der Via Claudia oder der Fuggerstraße unterwegs seien, alle Wege führten nach Augsburg. „Während wir mit Campingplätzen in unmittelbarer Umgebung ganz gut ausgestattet sind, bräuchten wir einen weiteren Wohnmobilstellplatz in der Stadt“, sagt Beck und bekommt Unterstützung von Herbert Hafner.
Hafner ist Präsident der TSG Augsburg, die auf ihrem Parkplatz an der Schillstraße (Firnhaberau) das einzige Alternativangebot zum Stellplatz Wertach bereitstellt: „Eigentlich haben wir maximal sechs Stellplätze mit Stromanschluss zur Verfügung, aber jetzt in Ferienzeiten kommen schon auch mal zehn Wohnmobile pro Tag zusammen.“
Seit zehn Jahren etwa gibt es die Plätze, die Nachfrage sei seither kontinuierlich gestiegen. Zu WiesnZeiten habe man sogar schon ein Stammpublikum aus Italien. Jetzt während Corona sei die Nachfrage ebenfalls hoch. Immer mehr Gäste würden das Areal für eine Übernachtung auf der Durchreise in den Süden nutzen. Manche legen auch ganz bewusst einen Stopp ein, um Augsburg zu erkunden. Zusätzliche Wohnmobilstellplätze in der Stadt hält daher auch Herbert Hafner für eine gute Sache.
Doch so einfach ist es offenbar nicht, ein passendes Areal zu finden. Bereits seit zehn Jahren sei man mit den Verantwortlichen der Stadt auf der Suche nach einer geeigneten Fläche, sagt Tourismusdirektor Götz Beck – auch, weil man wegen Corona neben des Trends zum Städtetourismus von weiter steigenden Zahlen bei Wohnmobilbesuchern ausgeht.
Wirtschaftsförderung, Liegenschaftsamt, Stadtplanungsamt und das Tiefbauamt seien zuletzt „intensiv“in die Suche eingebunden gewesen, heißt es aus der Stadtverwaltung. Dabei standen größere vorhandene Parkplätze oder auch Entwicklungsgebiete im Fokus. Allerdings habe man feststellen müssen, dass überwiegend planungsrechtliche oder widmungsrechtliche Gründe im Weg standen, es demnach also keine Flächen gibt, die eine Nutzung als Wohnmobilstellplatz zulassen.
Einige der Areale seien zudem intensiv durch andere Nutzungen belegt und könnten diesen nur schwer entzogen werden. „Da grundsätzlich der Bedarf nach Wohnmobilstellplätzen groß ist und die bestehende Anlage gut angenommen ist, wird die Suche nach möglichen Flächen fortgesetzt“, heißt es weiter. Das fordert auch Tourismus-Chef Götz Beck: „Es heißt jetzt, dranzuCamping bleiben.“Denn dieser Teil des Tourismus sei ein spannendes Marktsegment. „Wir könnten Gäste erreichen, die bislang Augsburg nicht auf dem Radar hatten.“Auch wirtschaftlich betrachtet sei dies eine interessante Klientel, gibt er zu bedenken.
Dass Augsburg nicht nur bei Campern aus dem In- und Ausland beliebter wird, sondern auch die Augsburger selbst diese Art des Reisens schätzen, zeigen aktuelle Zulassungszahlen. Derzeit sind in der Stadt 1789 Wohnmobile und Wohnwagen gemeldet. Das ist ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 14 Prozent. Erwin Seiler kann das gut verstehen. Das Reisen mit dem Wohnmobil ist seine Passion. Am Sonntag verließ er daher den Wohnmobilstellplatz an der Wertach und auch Augsburg. Es ging auf große Fahrt. Das Ziel: offen. Aber auf jeden Fall an einen Ort, wo es ausreichend Stellplätze gibt.