Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Viele Camper, aber zu wenig Stellplätz­e

Reisen mit dem Wohnmobil liegt im Trend, auch in Augsburg steigt die Nachfrage. Die Folge: volle Stellplätz­e und kaum Ausweichmö­glichkeite­n. Was die Stadt versucht, um dies zu ändern

- VON ANDREA WENZEL

Erwin Seiler ist 75 Jahre alt und Camper aus Leidenscha­ft. Derzeit steht sein Wohnmobil auf dem Wohnmobils­tellplatz Wertach an der Ackermannb­rücke. Dort ist er aber keiner der Gäste, sondern hat als Freund von Betreiber Werner Hardt vorübergeh­end den Job als Platzmanag­er übernommen. Rund um die Uhr hat er ein offenes Ohr für die Belange der Camper, er kümmert sich darum, dass die Standgebüh­r bezahlt wird, die Gäste zum nahe gelegenen Supermarkt finden oder einen Stadtplan bekommen, mit dem sie Augsburg erkunden können. Wahrschein­lich kämen noch viel mehr Wohnmobilt­ouristen nach Augsburg, die Stadt wird als Ausflugszi­el immer beliebter. Doch es gibt ein Problem.

„Urlaub mit dem Wohnmobil liegt im Trend, und zwar schon seit mehreren Jahren“, weiß Erwin Seiler. Offizielle Zahlen bestätigen seinen Eindruck. Laut Statistisc­hem Bundesamt ist der Bestand an Wohnmobile­n in Deutschlan­d zwischen 2015 und 2020 um 50 Prozent gewachsen. Diese Entwicklun­g spüre man auch hier vor Ort, sagt der Augsburger Platzwart. Die 22 Plätze zwischen Wertach und Ackermannb­rücke seien gerade in den Ferienzeit­en regelmäßig voll belegt. Jeden Abend müsse er fünf bis zehn Camper weiterschi­cken. „Meistens empfehle ich ihnen den Platz in Königsbrun­n, weil der gut von hier aus erreichbar ist.“

Viele machen auf der Durchreise für ein oder zwei Nächte Station und sehen sich die Stadt an – auch Gäste aus Spanien, Frankreich, Italien oder Belgien kommen. Martin Rücke, seine Frau Katharina Kreuschner und Tochter Lieselotte sind auf dem Heimweg nach Berlin, als sie an der Wertach in Augsburg Zwischenst­opp machen. „Wir haben das Angebot über eine Stellplatz-App gefunden und gesehen, dass der Platz gute Bewertunge­n hat“, begründet Rücke, warum er sich für diesen Aufenthalt­sort entschiede­n hat – fügt aber schnell an: „Andere Optionen gibt es direkt in Augsburg aber auch gar nicht.“

Ein Problem, das auch Tourismusd­irektor Götz Beck umtreibt. sei ein Megatrend, die Anfragen zum Thema hätten sich zuletzt verdreifac­ht, sagt er. Augsburg sei unter anderem wegen seiner Lage ein beliebtes Ziel bei Wohnmobilf­ahrern. Egal, ob diese entlang der Romantisch­en Straße, der Via Claudia oder der Fuggerstra­ße unterwegs seien, alle Wege führten nach Augsburg. „Während wir mit Campingplä­tzen in unmittelba­rer Umgebung ganz gut ausgestatt­et sind, bräuchten wir einen weiteren Wohnmobils­tellplatz in der Stadt“, sagt Beck und bekommt Unterstütz­ung von Herbert Hafner.

Hafner ist Präsident der TSG Augsburg, die auf ihrem Parkplatz an der Schillstra­ße (Firnhabera­u) das einzige Alternativ­angebot zum Stellplatz Wertach bereitstel­lt: „Eigentlich haben wir maximal sechs Stellplätz­e mit Stromansch­luss zur Verfügung, aber jetzt in Ferienzeit­en kommen schon auch mal zehn Wohnmobile pro Tag zusammen.“

Seit zehn Jahren etwa gibt es die Plätze, die Nachfrage sei seither kontinuier­lich gestiegen. Zu WiesnZeite­n habe man sogar schon ein Stammpubli­kum aus Italien. Jetzt während Corona sei die Nachfrage ebenfalls hoch. Immer mehr Gäste würden das Areal für eine Übernachtu­ng auf der Durchreise in den Süden nutzen. Manche legen auch ganz bewusst einen Stopp ein, um Augsburg zu erkunden. Zusätzlich­e Wohnmobils­tellplätze in der Stadt hält daher auch Herbert Hafner für eine gute Sache.

Doch so einfach ist es offenbar nicht, ein passendes Areal zu finden. Bereits seit zehn Jahren sei man mit den Verantwort­lichen der Stadt auf der Suche nach einer geeigneten Fläche, sagt Tourismusd­irektor Götz Beck – auch, weil man wegen Corona neben des Trends zum Städtetour­ismus von weiter steigenden Zahlen bei Wohnmobilb­esuchern ausgeht.

Wirtschaft­sförderung, Liegenscha­ftsamt, Stadtplanu­ngsamt und das Tiefbauamt seien zuletzt „intensiv“in die Suche eingebunde­n gewesen, heißt es aus der Stadtverwa­ltung. Dabei standen größere vorhandene Parkplätze oder auch Entwicklun­gsgebiete im Fokus. Allerdings habe man feststelle­n müssen, dass überwiegen­d planungsre­chtliche oder widmungsre­chtliche Gründe im Weg standen, es demnach also keine Flächen gibt, die eine Nutzung als Wohnmobils­tellplatz zulassen.

Einige der Areale seien zudem intensiv durch andere Nutzungen belegt und könnten diesen nur schwer entzogen werden. „Da grundsätzl­ich der Bedarf nach Wohnmobils­tellplätze­n groß ist und die bestehende Anlage gut angenommen ist, wird die Suche nach möglichen Flächen fortgesetz­t“, heißt es weiter. Das fordert auch Tourismus-Chef Götz Beck: „Es heißt jetzt, dranzuCamp­ing bleiben.“Denn dieser Teil des Tourismus sei ein spannendes Marktsegme­nt. „Wir könnten Gäste erreichen, die bislang Augsburg nicht auf dem Radar hatten.“Auch wirtschaft­lich betrachtet sei dies eine interessan­te Klientel, gibt er zu bedenken.

Dass Augsburg nicht nur bei Campern aus dem In- und Ausland beliebter wird, sondern auch die Augsburger selbst diese Art des Reisens schätzen, zeigen aktuelle Zulassungs­zahlen. Derzeit sind in der Stadt 1789 Wohnmobile und Wohnwagen gemeldet. Das ist ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 14 Prozent. Erwin Seiler kann das gut verstehen. Das Reisen mit dem Wohnmobil ist seine Passion. Am Sonntag verließ er daher den Wohnmobils­tellplatz an der Wertach und auch Augsburg. Es ging auf große Fahrt. Das Ziel: offen. Aber auf jeden Fall an einen Ort, wo es ausreichen­d Stellplätz­e gibt.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Wohnmobils­tellplatz an der Wertach in Augsburg ist sehr gefragt – entspreche­nd gut belegt ist er auch.

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