Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ring frei für Nietzsche gegen Nietzsche
Runde zwei von „Groundfloor Playground“mit Laurentius Sauer und Michael Günzer im Holbeinhaus
Eigentlich mag Laurentius Sauer die Pferde nicht besonders. Aber im Holbeinhaus zeigen vier seiner fünf großen Gemälde dennoch Pferde. Allerdings Pferde ohne Reiter. Die sind heruntergefallen, abgeworfen, nicht mehr hoch gekommen. Comicartige Texte geben auf der Bildfläche darüber Aufschluss – gemäß „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“aus den 1820er Jahren des Dramatikers Grabbe. Die Herren hoch zu Ross überlässt Sauer lieber barocken Hofmalern, wilhelminischen Bildhauern, zeitgenössischen Marlboro-Werbern. Dass er ein Künstler mit Graffiti-Erfahrung ist, bleibt unübersehbar.
Sauer, geboren 1987 in Augsburg, ist als junger Sprayer kurz justiziabel geworden, bevor er an der Münchner Kunstakademie bei Günter Förg und Gregor Hildebrandt studierte und bei Letzterem 2017 als Meisterschüler abschloss.Die Erfahrungen dieser Jahre prägen seine expressive, plakative, zeitkritisch zupackende Handschrift. Zu seinen Anerkennungen zählt eine Atelierförderung des Freistaates Bayern.
Ins Holbeinhaus folgte Sauer der Einladung des Kunstvereins, der damit sein neues Ausstellungskonzept „Groundfloor Playground“ fortsetzt, also das Erdgeschoss des Holbeinhauses als Experimentierfeld junger Kunst öffnet. Die oder der Geladene, in diesem Fall Laurentius Sauer, darf eine Künstlerperson eigener Wahl hinzuziehen. Es ist der 1982 in Ulm geborene, in Senden-Wullenstetten (Landkreis Neu-Ulm) lebende Michael Günzer.
Kennengelernt haben sich beide vor Jahren in der Mewo-Kunsthalle in Memmingen, wo Sauer auch aktuell ausstellt. Michael Günzer kann sich als Karlsruher Meisterschüler von John Bock ausweisen, aber zum Broterwerb auch als Manager eines Nachtclubs. Seit zwei Jahren liefert er sich ganz der Malerei aus. Seine
Vorliebe gilt der zumeist seriellen Darstellung von Kopfporträts bekannter wie unbekannter Personen. Realen Vorlagen begegnet er mit Skepsis. Verfremdende Irritation ist ihm lieber als blankes Wiedererkennen. Im Holbeinhaus ist das an je zehn gereihten Porträts des kalifornischen Filmstars Will Ferrell und des deutschen Philosophen Hegel wahrzunehmen. Günzer dient dem Thema Männlichkeit&Kampf, das am Holbeinhaus durch zwei rote Boxhandschuhe markiert ist, auch mit einem John-Wayne-Typ vor weitem Land. Das ist eine grimmige Erscheinung und keiner, der sich leicht aus dem Sattel heben ließe.
Waren beim Auftakt von „Groundfloor Playground“malerische (Esther Zahel) und funktionelle (Peter Langenhahn) Raumkörper gegeben, bleiben die beiden jetzigen Künstler traditionell an der Wand. Dabei schickt Michael Günzer sogar Nietzsche gegen Nietzsche in den Boxkampf. „Das Nicht gegen das Nichts“, scherzt der Maler, der den Figth auf großer Leinwand vor dem Schwarzen Quadrat von Malewitsch und kyrillischen Bruchstücken eines konstruktivistischen Manifests austragen lässt. So viel Spaß muss sein – bei dieser erfrischenden, unangestrengten, unangepassten Bilderschau. Sie wird ergänzt durch ein Gemeinschaftsvideo beider Künstler, zu sehen auf der Website www.groundfloor-playground.de.
OAusstellung Die vom Kunstverein Augsburg im Holbeinhaus veranstaltete Ausstellung läuft bis zum 5. September. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr.