Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vom Winde verdreht

Bayern liegt beim Ausbau der Windenergi­e im bundesweit­en Vergleich auf den hinteren Plätzen. Über Perspektiv­en, leere Verspreche­n und einen Blick zu den grün-schwarz-regierten Nachbarn / Teil 2

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In seiner jüngsten Regierungs­erklärung hat Ministerpr­äsident Markus Söder sich eindeutig zum „vorsorgend­en Klimaschut­z“bekannt. Bayern soll schon 2040, also fünf Jahre früher als Deutschlan­d, klimaneutr­al werden. In einer Serie von Artikeln beleuchtet unsere Redaktion die wichtigste­n Aspekte des Themas einzeln. weiterhin an 10H festzuhalt­en, aber nun 500 Windräder in den bayerische­n Wäldern zu bauen. Für Martin Stümpfig von den Grünen ist das ein Versuch Söders, leere Verspreche­n zu vertuschen. Er sagt: „Jetzt sieht es auf dem Papier sogar nach mehr aus.“Und in Baden-Württember­g? Dort hat die Regierung unter Winfried Kretschman­n angekündig­t, 1000 Windräder in den Staatsfors­ten zu bauen.

Carlo Bottasso ist Professor für Windenergi­e an der Technische­n Universitä­t München (TU). Er sagt, nur mit einem massiven Ausbau der Windenergi­e könne man die gesetzten Klimaziele erreichen. „Führende Energiepro­gnostiker gehen davon aus, dass Windenergi­e bis 2050 ein Viertel bis ein Drittel des weltweit benötigten Stroms beisteuern wird“, sagt Bottasso.

Die Wissenscha­ftler und Studenten an der TU forschen an möglichst effiziente­n Windkrafta­nlagen. Bei Design, Material, Aerodynami­k und der technische­n Steuerung gibt es noch ungenutzte Potenziale. „Windräder müssen nicht einfach nur Strom erzeugen, sondern werden von den Netzbetrei­bern flexibel eingesetzt.“Windräder könnten sogar die Back-up-Funktionen von Gas- oder Kohlekraft­werken komplett ersetzen, sagt Bottasso.

Auch wenn der Windkrafta­usbau in Bayern fast zum Erliegen gekommen ist: Deutschlan­d ist im globalen Vergleich auf einem guten Weg. Im Jahr 2020 hat die Bundesrepu­blik etwa 27 Prozent ihres Strombedar­fs aus Windenergi­e erzeugt. Aktuell sind über 29700 Windräder in Betrieb, davon rund 1500 offshore. Etwa 700 große Anlagen haben zusammen die Leistung eines Atomkraftw­erks unter Normallast. Spitzenrei­ter bei der Anzahl an Windrädern ist das Bundesland Niedersach­sen mit 6379 Anlagen, der Freistaat Bayern, in der Fläche das größte Bundesland, belegt nur Platz neun mit 1178 Anlagen.

Der Verband der Bayerische­n Energie- und Wasserwirt­schaft rechnet vor, dass in Bayern bis 2040 zwei große Anlagen pro Woche gebaut werden müssten, um den zukünftig benötigten Strom komplett aus erneuerbar­en Energien gewinnen zu können. Verbandsge­schäftsfüh­rer Detlef Fischer ist daher überzeugt: „Die Windräder müssen in allen Regionen Bayerns stehen. Keine Landschaft ist zu schön für ein Windrad.“

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