Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Corona: Polizisten schleusen sich bei Geburtstagsfeier ein
Verdeckte Ermittler kundschaften eine Party aus. Der Verdacht: Es handle sich um eine verbotene Fete
Wenn die Polizei verdeckte Ermittler einsetzt, die unter einer falschen Identität fahnden, dann geht es meist um Organisierte Kriminalität, um mafiöse Banden. Es geht aber auch einige Nummern kleiner: So schleuste die Polizei im Oktober 2020 einen Beamten und eine Beamtin als ziviles Pärchen unter falschem Namen „undercover“in die Party eines Managers in einer bekannten Location in der Augsburger Innenstadt ein. Der Verdacht in Corona-Zeiten: Bei der Feier handle es sich nicht um eine – damals erlaubte – geschlossene Veranstaltung mit eigens geladenen Gästen, sondern um eine verbotene öffentliche Party. Die Party nahm dann auch ein plötzliches Ende.
Nach Mitternacht, als schon fleißig zu DJ-Musik getanzt wurde, machten rund 25 Beamte der Ordnungsbehörde der Stadt und der Polizei der Fete den Garaus. Etliche Gäste bekamen einen Bußgeldbescheid über 500 Euro wegen Teilnahme an einer verbotenen Veranstaltung. Den Hintergrund dieser kurios anmutenden „Corona-Razzia“beleuchtete jetzt Amtsrichter Michael Edelmann, nachdem ein Gast Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hatte und es zum Prozess gekommen war.
Der Gastgeber, Manager eines überregionalen Radiosenders, hatte, wie er als Zeuge versicherte, geglaubt, alles richtig gemacht zu haben. Weil er seinen Geburtstag nachfeiern wollte und überdies befördert worden war, hatte er Kolleginnen und Kollegen sowie etliche Freunde per WhatsApp zu der als geschlossene Veranstaltung titulierten Feier unter dem Motto „End of Summer“eingeladen. Über die angegebene Handynummer sollte man sich zurückmelden, um so mit Namen auf die Gästeliste aufgenommen zu werden. Ein Türsteher sollte die Liste kontrollieren und an alle Gäste ein Armbändchen ausgeben. So sollte der private Charakter der Fete gewahrt bleiben. Das war der Plan. Nur an eines hatte der Gastgeber nicht gedacht und damit auch nie gerechnet: dass WhatsApp
problemlos weitergegeben werden können.
Auf jeden Fall erhielt auch ein Mitarbeiter des städtischen Ordnungsdienstes die Einladung auf sein Handy geschickt. Der ging sofort zu seinem Chef, der wiederum die Polizei informierte. Damals gab es zahlreiche Gerüchte in der Stadt, dass in vielen Clubs unter dem Deckmantel der „geschlossenen Veranstaltung“verbotene öffentlich zugängliche Partys abgingen.
Um die Probe aufs Exempel zu machen, gebar die Polizei die Idee, zwei verdeckte Ermittler unter falschem Namen in die Party einzuschleusen – was auch völlig problemlos gelang. Ein Polizeipärchen ließ sich auf die Gästeliste setzen, wurde vom Türsteher herzlich begrüßt und erhielt ein Gästebändchen für den Arm. Undercover schauten sich die verdeckten Ermittler um. Und als gegen Mitternacht fleißig getanzt wurde – ohne Masken und Abstand – schickten sie ein Handyfoto an die in der Inspektion Mitte wartenden Einsatzkräfte. Es handle sich eindeutig, so funkten die Undercover-Agenten nach draußen, um eine illegale Party. Daraufhin marschierten zehn Mitarbeiter der Stadt und knapp 15 Polizisten am Türsteher vorbei in den Club, knipsten zur Überraschung der 45 Gäste das Licht an und erklärten die Party für beendet.
Wie der Einsatzleiter als Zeuge nun sagte, hat man dann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Personalien von lediglich etwa einem Dutzend Gäste festgestellt. UnNachrichten ter den wohl zufällig ausgewählten „Betroffenen“, wie die Empfänger von Bußgeldbescheiden genannt werden, war eben auch der 60-Jährige, der von Anwalt Nikolaus Fackler – letztlich erfolgreich – vertreten wurde. Auf die Frage des Gerichts, ob er denn nicht ihm unbekannte Personen auf der Gästeliste überprüft habe, sagte der Gastgeber, jeder ihm bekannte Gast habe ja auch eine Begleitperson mitbringen können, deren Name er ja nicht kannte. „Ich bin davon ausgegangen, dass die Einladung nicht weitergegeben wird“, versicherte er. Er selbst habe noch keinen Bußgeldbescheid als Veranstalter bekommen.
Verteidiger Nikolaus Fackler forderte am Ende einen glatten Freispruch für seinen Mandanten, für den es sich bei der Geburtstagsparty eindeutig um eine geschlossene Veranstaltung gehandelt habe. Dass die Einladung auch an Unbefugte weitergegeben worden sei, dafür könne er nichts.
Dieser Meinung schloss sich am Ende auch Richter Michael Edelmann mit einem Freispruch an.