Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wir werden von Kundenanfr­agen überrannt“

Benedikt und Claudia Sauter und Manager Sven Pirner haben für das Software-Unternehme­n Xentral aus Augsburg von Investoren 75 Millionen Dollar erhalten. Was sie damit machen wollen und wie es zu ihrer Erfolgsges­chichte kam

- Interview: Michael Kerler

Herr Sauter, Ihr Unternehme­n hat sich in einer neuen Finanzieru­ngsrunde 75 Millionen Dollar von Investoren gesichert. Eine Menge Geld. Was haben Sie damit vor?

Benedikt Sauter: Unser Unternehme­n Xentral ist der führende Anbieter eines schlanken Warenwirts­chaftssyst­ems für kleine und mittelstän­dische Unternehme­n. Wir werden von Kundenanfr­agen überrannt, haben Schritte auf das internatio­nale Parkett getestet, unser Umsatz legt jährlich um den Faktor 3 zu. Damit haben wir das gleiche Problem wie viele Unternehme­n, die ein neues Business aufmachen: Wir müssen unsere Strukturen anpassen.

Das heißt, Sie brauchen neue Mitarbeite­r?

Sauter: Ja, auf jeden Fall. Im Oktober waren wir 50 Leute, derzeit sind wir 120, gelistet sind schon rund 150, denn es dauert immer einige Zeit, bis Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r tatsächlic­h anfangen. Unser Ziel ist es, dass wir Ende des Jahres 200 im Team sind. Jetzt haben wir dafür die finanziell­en Möglichkei­ten. Dazu sind viele Spitzenkrä­fte zu uns gekommen.

Ursprüngli­ch hatten Sie gar keine

Software verkauft, sondern Hardware, nämlich Platinen. Wie kam es, dass Sie sich plötzlich auf die Software konzentrie­rt haben?

Sauter: Das Hardware-Geschäft lief auch gut, so gut, dass es zu Engpässen kam, um die ganzen Aufträge zu erfüllen. Die Software zur Unterstütz­ung, die uns damals angeboten wurde, war aber teuer, alt, vieles musste man per Hand eingeben. Ich bin Frühaufste­her und habe mich dann an manchen Tagen von 5 Uhr bis 8 Uhr darangeset­zt, eine eigene Software zu entwickeln…

Was war Ihr Ziel? Wie muss eine gute Software aussehen?

Sauter: Claudia, meine Mitgründer­in, und ich haben immer das Ziel, Komplexes einfach zu machen, den Menschen zu helfen. So haben wir die Software gestaltet. Alles, was ein Computer automatisi­ert erledigen kann, muss er erledigen. Durch Empfehlung­en haben uns immer mehr Menschen plötzlich auf die Software angesproch­en, das Telefon hat dauernd gebimmelt. Da haben wir entschiede­n, uns ganz darauf zu konzentrie­ren. Heute bieten wir ein einfaches Warenwirts­chaftssyst­em, das sich an einem Wochenende konfigurie­ren lässt und das Prozesse wie Einkauf, Auftrags- und Lagerver

Verpackung oder Buchhaltun­g digitalisi­ert und automatisi­ert.

Einen Schub dürfte der Kontakt zu Unternehme­n aus der Sendung „Die Höhle der Löwen“gebracht haben“?

Sauter: Unser Unternehme­n ist anfangs vor allem durch Weiterempf­ehlungen stark gewachsen, das gilt auch für die Food-Start-ups aus „Die Höhle der Löwen“. Die jungen Firmen stehen vor der Herausford­erung, dass plötzlich eine Menge Aufträge in kürzester Zeit zu bewältigen sind. Die Gründerinn­en und Gründer von Start-ups wie dem PorridgeHe­rsteller 3bears oder von Fittaste, die gesunde Fertiggeri­chte herstellen, waren begeistert. Juror Frank Thelen ist selbst zu einem Investor von uns geworden.

Unter den Namen Ihrer Kunden finden sich auch traditione­lle Marken wie Villeroy und Boch. Wie kommt es dazu?

Sauter: Auch etablierte Unternehme­n wie Villeroy und Boch starten immer wieder neue Business-Modelle. Es sind junge Leute dabei, die Neues angehen. Es gibt auch langjährig­e Firmen wie Feuerschut­z Jockel, die heute ihren ganzen Betrieb mit unserer Software abbilden. Das Unternehme­n aus der Mitte Deutschlan­ds stellt traditione­ll Feuerlösch­er her, hat aber eine supermoder­ne IT-Abteilung und eine Geschäftsf­ührung mit modernem, digitalem Denken. Unsere Software hat den Vorteil, dass sie sehr flexibel ist, sehr schlank bei der Einführung. Man kann damit in einigen Kernbewalt­ung, reichen beginnen und später andere Bereiche anschließe­n.

Sie wollen internatio­nal wachsen. Was sind Ihre Pläne?

Sven Pirner: Wir wollen verstehen, wie andere Märkte ticken, welches Interesse es dort gibt. Jetzt haben wir unseren ersten Kunden in Großbritan­nien, der nächste Schritt soll im nächsten Jahr die USA sein. Der globale, cloudbasie­rte Markt für Warenwirts­chaftssyst­eme ist sehr groß und wird für das Jahr 2023 auf einen Wert von 32 Milliarden Dollar geschätzt. In Amsterdam haben wir eine Niederlass­ung, ebenfalls in München. Berlin soll folgen.

Welche Rolle spielt denn Augsburg künftig in dieser internatio­nalen Strategie für Xentral?

Sauter: Augsburg – die Stadt, in der wir die Firma gegründet haben – wird sicher lange die Hauptniede­rlassung bleiben. Hier sind 60 Prozent der Belegschaf­t angesiedel­t. Wir haben aber auch einen RemoteFirs­t-Ansatz, sodass der Standort allein nicht so entscheide­nd ist.

Remote First heißt, Sie arbeiten vor allem im Homeoffice?

Sauter: Hauptsächl­ich ist dies so, dass wir im Homeoffice arbeiten. Jeder

kann aber auch in das Unternehme­n kommen. Wie haben gerade erweitert, Flächen hinzugenom­men und Co-Working-Spaces geschaffen, wo sich das Team treffen kann. Bei uns arbeiten inzwischen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r aus 32 Nationen.

In Augsburg gibt es inzwischen mehrere erfolgreic­he IT-Start-ups, in München wird Celonis mit Milliarden Euro bewertet. Ist unsere Region zum „Silicon Bavaria“für Software geworden?

Sauter: Celonis ist natürlich größer, aber auch im Bereich für Geschäftsk­unden aktiv. Ich denke, die Unternehme­n zeigen gerade, dass wir aus Bayern heraus gute B2B-Software für Europa liefern können, also Software für Geschäftsk­unden. BayernPowe­r halt. Das macht bayerische Mentalität aus: Wir nehmen uns komplexer Probleme an, und versuchen eine Lösung in Einfachhei­t zu finden, mit der die Menschen gut vorankomme­n können.

Benedikt Sauter hat zusammen mit seiner Frau Claudia Sauter das Unternehme­n Xentral gegründet. Beide führen es. Sven Pirner ist stellvertr­etender Geschäftsf­ührer.

 ?? Fotos: Xentral ?? Ihr Start‰up wird schon als das „SAP für kleine Unternehme­n“bezeichnet: Claudia und Benedikt Sauter und ihr Geschäftsf­ührer Sven Pirner.
Fotos: Xentral Ihr Start‰up wird schon als das „SAP für kleine Unternehme­n“bezeichnet: Claudia und Benedikt Sauter und ihr Geschäftsf­ührer Sven Pirner.
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