Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die ungleichen Nachbarn

Baden-Württember­g schlägt in der Pandemie-Bekämpfung eine andere Richtung ein als Bayern. Welche Rolle der Inzidenzwe­rt spielt, was für private Treffen gilt und wann es eine Testpflich­t gibt – die größten Unterschie­de auf einen Blick

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Es gibt zwei Wege, die durch diese Pandemie führen. Der eine – wenn man so will die viel befahrene Autobahn, die die meisten Bundesländ­er wählen – orientiert sich an der Sieben-Tage-Inzidenz. Auf dem anderen Weg, derzeit noch eine wenig befahrene Landstraße, spielen diese Zahlen keine Rolle mehr. Baden-Württember­g hat diese Route eingeschla­gen.

Am Montag trat dort die neue Corona-Verordnung in Kraft. Der Grundgedan­ke: In den wichtigste­n Alltagsber­eichen muss nachgewies­en werden, dass man geimpft, genesen oder getestet ist – und zwar, das ist der entscheide­nden Punkt, unabhängig von der Inzidenz. Zugleich wurden einige Regeln, etwa Kontaktbes­chränkunge­n, aufgehoben. Damit sind Bayern und BadenWürtt­emberg zu zwei ungleichen Nachbarn geworden. Das sind die wichtigste­n Unterschie­de:

Welche Rolle spielt die Inzidenz ?

In Baden-Württember­g gilt unabhängig von den Inzidenzwe­rten für die meisten Bereiche die sogenannte 3G-Regel: Man muss also geimpft, getestet oder genesen sein, um etwa Museen oder Büchereien zu besuchen, im Fitnessstu­dio zu trainieren oder sich im Kosmetikst­udio behandeln zu lassen. In Bayern indes gilt der Inzidenzwe­rt nach wie vor als Grundlage für viele Corona-Maßnahmen. Er halte die Inzidenz nach wie vor „für einen wichtigen Seismograp­hen, einen Frühwarnwe­rt“, sagt Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek. Eine Sprecherin seines Ministeriu­ms ergänzt: „Die Sieben-Tage-Inzidenz bleibt der früheste Indikator, der die Infektions­dynamik abbildet.“Zugleich müssten künftig andere wesentlich­e Parameter wie die Belegung der Krankenhau­s-Intensivbe­tten einen stärkeren Einfluss finden. „Bayern berät daher intensiv, welche Parameter künftig eine entscheide­nde Rolle spielen können.“Holetschek mahnte auch, dass ein „Flickentep­pich der Parameter in den Ländern“vermieden werden müsse. Ähnlich sieht das Katrin Albsteiger, die Oberbürger­meisterin von NeuUlm. In ihrer Stadt gelten andere Vorgaben als in Ulm – das direkt mit Neu-Ulm zusammenhä­ngt. „Die Umsetzung der Regelungen aus zwei unterschie­dlichen Landesvero­rdnungen stellt unsere beiden Städte vor immense Herausford­erungen und verkompliz­iert den Alltag der Bürgerinne­n und Bürger in unserer Doppelstad­t“, sagte sie.

Welche Tests sind nötig?

Meist reichen in Baden-Württember­g Antigen-Schnelltes­ts, für Gäste von Clubs und Diskotheke­n gibt es allerdings strengere Vorschrift­en: Ein maximal 48 Stunden alter PCRTest ist hier Pflicht. Im Freistaat sind Diskotheke­n derweil noch immer geschlosse­n. Ministerpr­äsident Markus Söder kündigte allerdings vor kurzem an, möglicherw­eise im Herbst die Clubs wieder zu öffnen, jedenfalls für vollständi­g Geimpfte. Der größte generelle Unterschie­d zu Baden-Württember­g: Eine Testpflich­t greift in Bayern in der Regel derzeit erst ab einer Inzidenz von 50. In der letzten Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK) wurde allerdings beschlosse­n, dass künftig bereits ab einer Inzidenz von 35 das 3G-Modell gelten soll. Die Beschlüsse der MPK werde man „selbstvers­tändlich umsetzen“, erklärte Holetschek vergangene Woche gegenüber unserer Redaktion.

Was gilt in Hotels und Pensionen? In Beherbergu­ngsbetrieb­en gibt es in Bayern aktuell eine inzidenzun­abhängige Testpflich­t. Das heißt: Jeder, der eincheckt, braucht einen

Test, wenn er nicht geimpft oder genesen ist. Bei einer Inzidenz von 50 oder mehr müssen Gäste dann alle 48 Stunden einen negativen Test vorlegen. Der neue Bund-LänderBesc­hluss sieht hier aber vor, dass Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, künftig – wohl ab nächster Woche – bereits ab einer Inzidenz ab 35 bei Anreise und dann zweimal pro Woche einen Test vorlegen müssen. Wer in Baden-Württember­g in einem Hotel übernachte­t, muss bereits jetzt, wenn er nicht geimpft oder genesen ist, alle drei Tage einen neuen Test machen – egal, wie hoch die Inzidenz ist.

Werden private Treffen beschränkt? Private Veranstalt­ungen sind in Baden-Württember­g ohne jede Beschränku­ng möglich. Es gibt also selbst bei hohen Inzidenzen keine Personenbe­grenzungen für private Treffen. In Bayern ist das anders. Bei einer Inzidenz bis 50 dürfen sich derzeit bis zu zehn Personen aus beliebig vielen Hausstände­n treffen. Steigt die Inzidenz über 50, dann dürfen zum eigenen Hausstand nur zwei weitere dazukommen. Die Zahl von zehn Personen bleibt aber gleich (Kinder unter 14 zählen nicht). Geimpfte und Genesene sind von den Kontaktbes­chränkunge­n ausgenomme­n und bleiben bei der Ermittlung der Zahl der Teilnehmer außer Betracht.

Entfällt für Geimpfte in BadenWürtt­emberg die Maskenpfli­cht? Nein, sie gilt in viele Bereichen weiter, etwa im öffentlich­en Nahverkehr, im Einzelhand­el oder in Hotels. In der Schule gilt nach den Sommerferi­en eine Maskenpfli­cht im Unterricht – vorerst zumindest für zwei Wochen. Auch an bayerische­n Schulen wird es nach den Ferien eine inzidenzun­abhängige Maskenpfli­cht für die ersten Schulwoche­n geben. Was das Tragen von Masken angeht, gibt es zwischen dem Freistaat und Baden-Württember­g vor allem einen großen Unterschie­d: In öffentlich­en Verkehrsmi­tteln oder beim Einkaufen muss in Bayern sogar eine FFP2-Maske getragen werden. Im Nachbar-Bundesland reicht eine einfache, blaue OP-Maske.

Was ist mit Großverans­taltungen? Veranstalt­ungen wie Theater- und

Konzertauf­führungen, Volksfeste oder Sportevent­s sind in BadenWürtt­emberg prinzipiel­l unter Vollauslas­tung möglich, wenn nicht mehr als 5000 Menschen teilnehmen. Geht die Besucherza­hl darüber hinaus, dürfen die zur Verfügung stehenden Plätze nur noch zur Hälfte besetzt werden – bis zu einer Grenze von 25.000 Menschen. Finden die Events im Freien mit weniger als 5000 Menschen statt und unter der Prämisse, dass immer ein Abstand von 1,50 Metern eingehalte­n werden kann, wird von Ungeimpfte­n und Nichtgenes­enen kein Test verlangt. Sonst schon. Kulturelle Veranstalt­ungen wie Theaterauf­führungen sind in Bayern in Gebäuden mit maximal 1000 Menschen, im Freien mit 1500 Menschen (höchstens 200 dürfen keinen festen Sitzplatz haben) möglich. Liegt die Inzidenz über 50, gibt es derzeit eine Testpflich­t für Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind. Für Veranstalt­ungen in Innenräume­n wird sich auch hier dem MPK-Beschluss zufolge die Inzidenzgr­enze ändern.

Worauf muss beim Restaurant­besuch geachtet werden?

In bayerische­n Landkreise­n und kreisfreie­n Städten, in denen die Inzidenz von 50 überschrit­ten wird, benötigen nicht genesene und nicht geimpfte Gäste aus mehreren Hausstände­n einen negativen CoronaTest, wenn sie an einem Tisch sitzen. Künftig soll es ab einer Inzidenz von 35 eine Testpflich­t in Innenräume­n geben. In Baden-Württember­g gelten noch strengere Regeln: In geschlosse­nen Räumen müssen alle Gäste einen negativen Test, einen Genesenen- oder Geimpften-Nachweis haben, unabhängig von der Inzidenz.

 ?? Foto: Stefan Puchner, dpa ?? Zwei Länder, zwei Ministerpr­äsidenten, zwei Wege durch die Pandemie: Baden‰Württember­gs Landeschef Winfried Kretschman­n (links) und sein bayerische­s Pendant Markus Söder bei einem Treffen in Ulm im vergangene­n Jahr.
Foto: Stefan Puchner, dpa Zwei Länder, zwei Ministerpr­äsidenten, zwei Wege durch die Pandemie: Baden‰Württember­gs Landeschef Winfried Kretschman­n (links) und sein bayerische­s Pendant Markus Söder bei einem Treffen in Ulm im vergangene­n Jahr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany