Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neunjährige geimpft: Vater trägt Mitschuld an Panne
In Bobingen hat ein Arzt versehentlich ein kleines Mädchen geimpft. Warum der Mediziner ohne Strafe davonkommt
Bobingen Die große Impfwelle war gerade so richtig in Schwung gekommen, als ein Vorfall im Impfzentrum Bobingen Anfang Juni bundesweit Schlagzeilen machte: Ein Arzt hatte dort im Landkreis Augsburg aus Versehen einem neunjährigen Mädchen die CoronaImpfung verabreicht. Das Kind hatte seinen Vater bei der Zweitimpfung eigentlich nur begleitet.
Die Aufregung war groß. Wie konnte es zu so einem gravierenden Fehler kommen, fragten sich viele. Standen die Ärzte in dem Impfzentrum unter zu großem Stress? Der Impftakt war sehr hoch zu jener Zeit. Fehlten geeignete Sicherheitsmaßnahmen? Handelte der Arzt unverantwortlich? Die Staatsanwaltschaft Augsburg nahm Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung auf. Die sind nun abgeschlossen – mit einem überraschenden Ergebnis.
Das Verfahren gegen den 54-jährigen Impfarzt wurde eingestellt. Der Mediziner kommt ohne Strafe davon. Auslöser für die Panne war nach Darstellung der Staatsanwaltschaft nämlich ein Scherz des Vaters des neunjährigen Mädchens in der Impfkabine. „Zur Impfung des Kindes kam es nur, weil der Vater auf die Frage des Beschuldigten, wer zu impfen sei, seine Tochter genannt haben soll“, schreiben die Ermittler in einer Pressemitteilung. Der Arzt habe das aber nicht als Scherz erkannt, zumal sich das Kind statt des
Vaters auf den Impfplatz setzte und die weiteren Vorbereitungen für die Spritze vom Vater unwidersprochen geduldet worden seien. Der Vater hat diese Darstellung schon früh als Lüge von sich gewiesen. Es sei zwar gescherzt worden und das Mädchen habe gesagt, es habe keine Angst vor Spritzen. Doch dann habe der Arzt plötzlich den Oberarm der Neunjährigen desinfiziert und die Impfspritze gesetzt. Eine Helferin habe den Arzt daraufhin angeschrien, der habe sich sofort „tausendmal entschuldigt“, schilderte der Vater. Im Laufe des Verfahrens hat auch das Mädchen selbst bei der Polizei ausgesagt. Die Eltern können Rechtsmittel gegen die Verfahrenseinstellung einlegen.
Das Kind hat durch die Impfpanne offenbar keinen Schaden erlitten. Nach dem Vorfall war sofort ein Rettungswagen gerufen worden. Das Mädchen kam vorsorglich für einen Tag ins Krankenhaus. Bis heute sind laut Staatsanwaltschaft keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen
durch die Impfung mit dem Stoff von Biontech/Pfizer festgestellt worden.
Für den Arzt hat das Versehen dennoch gravierende Folgen. Der Mann wurde vom Impfzentrum fristlos entlassen, der Vorfall hat den 54-Jährigen psychisch sehr mitgenommen. Diese Faktoren hat die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens berücksichtigt – neben der Tatsache, dass es wohl nie zu der Panne gekommen wäre, wenn der Vater des Mädchens nicht gescherzt hätte. Eine Pflichtverletzung sehen die Ermittler bei dem Mediziner gleichwohl darin, dass er die erforderlichen Kontrollen nicht durchgeführt habe, um die unzulässige Impfung auszuschließen.