Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Durch den Stadtwald zieht jetzt eine Rinderherd­e

Vier Mutterkühe mit Kälbern grasen seit Dienstag in einem weitläufig­en Gehege im lichten Kiefernwal­d. Noch ist es ein Test. Werden sich die Wiederkäue­r mit den Augsburger Wildpferde­n vertragen?

- VON EVA MARIA KNAB

Sie heißen Franziska, Anna, Blume und Osterglock­e. Die vier Mutterkühe haben auch noch vier Kälbchen dabei. Die Pinzgauer Rinder grasen nun mitten im Augsburger Stadtwald. Am Dienstag wurde die Mutterkuhh­erde erst einmal im großen Gehege neben den Wildpferde­n freigelass­en. Dort steht den Rindern eine Bewährungs­probe bevor. In den kommenden zwei bis drei Monaten wird getestet, ob sie zuverlässi­g ein Gewächs wegfressen, das Probleme bereitet – den Faulbaum. Wenn sie das tun, sind weitere Schritte geplant.

Seit 2007 sorgen Weidetiere in den Gehegen des städtische­n Landschaft­spflegever­bands dafür, dass im lichten Kiefernwal­d und auf der Heide umweltscho­nend verfilzte Gräser und wuchernde Büsche zurückgedr­ängt werden. Als lebende Rasenmäher schaffen sie im Naturschut­zgebiet mehr Licht und Luft für seltene Arten. Bislang gibt es jedoch ein Problem: Die Przewalski­Pferde und Schafe fressen zwar vieles, meiden aber den wuchernden Faulbaum. Er schmeckt ihnen nicht.

„Langfristi­g suchen wir nach Methoden, um die weitere Ausbreitun­g des Faulbaums im lichten Kiefernwal­d einzudämme­n“, sagt Biologe Norbert Pantel, Leiter des Beweidungs­projekts. Er verweist auf Erfahrunge­n mit Rindern an der Isar. Dort zeige sich, dass diese unter bestimmten Bedingunge­n einen deutlichen Effekt auf die Faulbaumst­ände haben können.

Die neue Rinderherd­e im Stadtwald gehört dem Friedberge­r Landwirt Martin Augustin. Er freut sich, dass beim Transport alles gut gelaufen sei: „Nach der Ankunft sind sie gleich in den Wald losmarschi­ert“, erzählt er. Dort stehen sie nun verzwische­n Kiefernbäu­men und knabbern an langen Grashalmen und Gebüsch. Augustin meint, dass sie in einigen Tagen ihre Lieblingsp­lätze haben würden, wo Spaziergän­ger sie sehen können. Er bittet darum, die Rinder nicht zu füttern, weil sie sonst krank werden. Natürliche Nahrung und Wasser gebe es in dem großen Gehege genug.

Der Landwirt stellt für den Test zunächst vier Mutterkühe mit ihren Kälbern bereit. Sie werden sich für acht bis zwölf Wochen im früheren Rothirsch-Gehege aufhalten. Der befristete Test soll auch zeigen, wie groß der Betreuungs­aufwand für die Tiere sein wird. Ein Vorteil ist, dass die Kühe nicht gemolken werden müssen, wenn sie ihren Nachwuchs selber aufziehen. Melken ginge nur im Stall. Und ein täglicher Transport von der Weide zurück zum Hof wäre nicht machbar, sagt Augustin. Die Kälber fangen bei der natürliche­n Aufzucht auch früher an, Gras zu fressen, und wachsen nach seinen Angaben sehr gut.

Noch ist es ein Test im Stadtwald. Pantel zufolge läuft er in Abstimmung mit allen zuständige­n Behörden, denn der Stadtwald ist ein wichtiges Trinkwasse­rschutzgeb­iet für Augsburg. Wenn die Premiere erfolgreic­h verläuft, braucht der Landschaft­spflegever­band eine Ausnahmege­nehmigung für eine längerfris­tige Rinderhalt­ung. Ziel ist, dass die Pinzgauer ab dem kommenden Jahr nicht nur in ihrem eisteckt genen Gehege grasen. Sie sollen zwischendr­in auch im Gehege gegenüber bei den Przewalski­pferden auf die Weide gehen. Dies wäre idealerwei­se im Frühjahr, weil der Faulbaum in dieser Jahreszeit am effektivst­en zurückgedr­ängt werden kann, so Pantel. Künftig sei außerdem denkbar, dass sich Rinder und Wildpferde ein Gehege teilen. Dazu seien aber noch weitere Vorbereitu­ngen nötig.

Das Pinzgauer Rind ist eine vom Aussterben bedrohte Rinderrass­e – der Name leitet sich vom Pinzgau ab, der Region um Zell am See in Österreich. Die Pinzgauer waren in früheren Zeiten klassische sogenannte Dreinutzun­gsrinder: Sie wurden nicht nur wegen Milch und

Fleisch, sondern auch wegen ihrer Zugkraft gehalten. Heute gibt es in Deutschlan­d nur noch rund 1800 Pinzgauer Rinder. Die robuste Rasse eignet sich gut für den Einsatz in der Landschaft­spflege. In Augsburg weiden Pinzgauer auch in dem Biotop bei Bannacker in Bergheim.

Der Friedberge­r Landwirt Martin Augustin setzt seine Rinder auch auf Naturschut­zflächen am Siebenbrun­nenbach in Lechhausen und im Landkreis Aichach-Friedberg ein. Das Fleisch vermarktet er über einen Hofladen in Friedberg. Die Mitarbeit bei Beweidungs­projekten und in der Landschaft­spflege sei für eine willkommen­e zusätzlich­e Einnahmequ­elle, sagt der 45-Jährige weiter.

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Foto: Norbert Pantel Landwirt Martin Augustin stellt seine Rinder für den Versuch im Stadtwald zur Verfügung.

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