Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Geraten die Fußgänger ins Hintertref­fen?

Der Seniorenbe­irat fürchtet eine Konkurrenz zwischen Rad- und Fußverkehr in Augsburg. Die Zahl der Fußgängeri­nnen und Fußgänger hat in Zeiten der Corona-Pandemie wohl zugenommen

- VON STEFAN KROG

Der Seniorenbe­irat fürchtet, dass im Zuge der Diskussion­en um die Mobilitäts­wende in Augsburg die Belange von älteren Bürgern und Bürgerinne­n sowie von Fußgängeri­nnen und Fußgängern als schwächste­n Verkehrste­ilnehmern zu kurz kommen. Gerade unter den Fußgängern seien viele Seniorinne­n und Senioren, so Robert Sauter, Vorsitzend­er des Seniorenbe­irats. Das Gremium, das Stadtrat und Verwaltung berät, hatte zuletzt eine Online-Umfrage zum Thema durchgefüh­rt.

Von Fußgängeri­nnen und Fußgängern werden Fahrradfah­rerinnen und Fahrradfah­rer dabei als größte Gefahren- und Problemque­lle gesehen, so ein Ergebnis der Umfrage. Dies gelte, wenn sie „zu schnell“, „auf Gehwegen“und „gegen die Fahrtricht­ung“unterwegs seien. Genannt wurden auch Elektrorol­ler, die teils „rücksichts­los auf den Gehsteigen abgestellt“oder auf Gehwegen genutzt würden. In geringerem Maße wurden Gefahren durch abbiegende Autos genannt. Allerdings schränkt der Seniorenbe­irat ein, dass es bei der OnlineUmfr­age lediglich 74 Rückmeldun­gen gegeben habe. Auch der im Oktober neu zu wählende Seniorenbe­irat werde das Thema Fußgänger auf der Liste stehen haben. Dazu soll es im Herbst eine analoge Umfrage geben.

Sauter sagte, die jetzigen Ergebnisse taugten noch nicht dazu, einen „großen Sack an Forderunge­n“zu formuliere­n. Dazu sei die Gemengelag­e zu komplex. Angeregt wurden in der Umfrage mehr Kontrollen, eine Abschaffun­g von kombiniert­en Fuß- und Radwegen und generell mehr Rücksichtn­ahme im Verkehr. Eine entspreche­nde Fairness-Kampagne der Stadt mit Plakaten vor eineinhalb Jahren verlief allerdings ohne spürbaren Erfolg. Beim Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­b (ADFC) betont man indes, dass Rad- und Fußverkehr nicht als Gegner zu sehen seien.

Im Bürgerbege­hrenstext zur Förderung des Radverkehr­s hieß es ausdrückli­ch, dass zusätzlich­e Radwege nicht zulasten des Platzes von Fußgängern gehen dürften, und auch im Vertrag zwischen Stadt und Fahrradbün­dnis ist festgehalt­en, dass Kreuzungsu­mbauten unter besonderer Berücksich­tigung von Belangen des Fußverkehr­s gestaltet werden sollten. Es gebe ganz im Gegenteil häufig ähnliche Interessen, so ADFC-Vorstandsm­itglied Arne Schäffler bei der Vorstellun­g des

Vertrags vor den Sommerferi­en, etwa beim Thema Tempo 30.

Ein Thema, das in der Umfrage des Seniorenbe­irats auch aufkam: An manchen Kreuzungen werden längere Ampelphase­n für Fußgänger gefordert, weil es kaum möglich sei, die Fahrbahn bei Grünlicht bzw. ohne Zwischenpa­use auf einer Verkehrsin­sel zu queren. Als ein Beispiel gilt die Kreuzung beim Theater wegen ihrer kurzen Grünzeiten.

Die Stadt hielt dem bisher immer entgegen, dass niemand erschrecke­n müsse, wenn beim Überqueren der Straße die Ampel auf Rot springt. Es sei eine entspreche­nde Pufferzeit einkalkuli­ert, bis der Autoverkeh­r Grün bekommt. Längere Fußgänger-Grünzeiten gingen zulasten des restlichen Verkehrs, so die bisherige Argumentat­ion.

In seinem Koalitions­vertrag hat das schwarz-grüne Regierungs­bündnis allerdings explizit die „Unterstütz­ung der Fußgängerb­elange“zugesagt, etwa bei Ampeln und Fahrbahnqu­erungen. Auch eine neue Stelle für eine städtische Fußgängerb­eauftragte/einen städtische­n

Fußgängerb­eauftragte­n soll geschaffen werden. Geschehen ist das bisher noch nicht. Bei Planungen und Umplanunge­n müsse die Sicherheit von Fußgängeri­nnen und Fußgängern zur Vermeidung von Unfällen im Fokus stehen, so eine Vorgabe der Koalitions­vereinbaru­ng, in der auch die „autofreie Maximilian­straße“als Projekt für Fußgänger angeführt wird.

Für das tatsächlic­he Fußgängera­ufkommen dürfte aber wichtiger sein, wie die Wege in die Innenstadt beschaffen sind. Die Bauverwalt­ung versucht bei der Stadtplanu­ng seit Jahren zunehmend, Fußgängeri­nnen und Fußgängern in neu geplanten Vierteln möglichst kurze und direkte Wege anzubieten. Beispiele finden sich etwa auf den ehemaligen Kasernenfl­ächen, wo manche Querverbin­dungen dem Fuß- und Radverkehr vorbehalte­n sind. Auch im neuen Gesamtverk­ehrsplan, der die Verkehrsst­rategie der Stadt für die kommenden Jahre und Jahrzehnte definieren wird, soll das Thema Fußverkehr eine größere Rolle spielen. Experten des Verkehrsve­rbands VCD fordern für Augsburg seit Jahren den Umbau von Kreuzungen mit weiter in die Fahrbahn gezogenen Gehwegen. Dies verringere die Geschwindi­gkeit von Autos beim Abbiegen und verkürze die Strecke über die Fahrbahn, die querende Fußgängeri­nnen und Fußgänger zurücklege­n müssen.

In Augsburg werden laut der alle vier Jahre wiederholt­en Untersuchu­ng „Mobilität in Städten“der TU Dresden 27 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgele­gt, wobei es sich dabei statistisc­h meist um kurze Wegstrecke­n handelt (Datenbasis 2018). Bei längeren Strecken dominieren Auto, Fahrrad und öffentlich­er Nahverkehr. Eine ADAC-Umfrage in Augsburg kam vergangene­s Jahr zum Ergebnis, dass Fußgängeri­nnen und Fußgänger die direkte Erreichbar­keit von Zielen in der Stadt schätzen. Auch das Angebot an Überquerun­gsmöglichk­eiten wurde als gut eingeschät­zt. Schlechte Noten gab es für das regelkonfo­rme Verhalten von Autofahrer­innen und Autofahrer­n sowie von Radlerinne­n und Radlern. Auch das Sitzplatza­ngebot an Gehwegen wurde mäßig bewertet. In der CoronaPand­emie nahm laut Umfrage die Bedeutung des Fußverkehr­s bei Strecken über 300 Metern unter allen Verkehrsar­ten am deutlichst­en zu. Auch Auto und Rad zählen zu den „Gewinnern“, wenn auch in geringerem Maße. Der Nahverkehr gehört hingegen zu den Verlierern.

Vermeidung von Unfällen soll im Fokus stehen

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Foto: Silvio Wyszengrad In der Pferseer Unterführu­ng kommen sich Autofahrer, Radler und Fußgänger immer wieder in die Quere. Werden in der aktuellen Diskussion um eine Mobilitäts­wende aber alle Verkehrste­ilnehmerin­nen und Verkehrs‰ teilnehmer gleich behandelt?

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