Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sinti und Roma: Die Schule war ein schwieriges Thema
Zum Artikel „Die vergessenen Opfer des Holocaust“vom 6. August:
Den heutigen Artikel habe ich mit großem Interesse gelesen, denn ich habe Jahrzehnte aus erster Hand miterlebt, wie noch vor Jahrzehnten und oft bis heute Roma und Sinti eingeschätzt wurden. 16 Jahre habe ich an der Sonderschule für Lernbehinderte (wie sie damals hieß), der Martinschule in Oberhausen, als Lehrerin und Konrektorin unterrichtet.
Gerade an die Familie Herzenberger habe ich gute persönliche Bindungen, schließlich war ich für fünf Jahre die Klassenlehrerin von einem der Jungs. Deshalb ärgert mich der Satz Robertino Herzenbergers, dass „wie selbstverständlich für die Kinder die Sonderschule vorgesehen sei“. Die Kinder wurden tatsächlich mehr oder weniger in die Sonderschule eingeschult. Was aber auch daran lag, dass spätestens ab Ostern bis Allerheiligen der größte Teil der Familien „auf die Reise“ging. Die Kinder bekamen ein Wanderbuch, in das der Schulbesuch eingetragen werden sollte. Meistens erlitten diese Wanderbücher seltsame Schicksale, kamen nur sehr selten zurück… Kein Wunder also, dass eine normale Schulausbildung schwierig war.
Die Familie Herzenberger allerdings war immer sesshaft, also bestanden hier andere Voraussetzungen. Wir, der damalige Schulleiter und ich, richteten damals für die Herzenberger-Jungs, deren Potenzial wir erkannten, für ein Schuljahr einen Rückführungskurs in die Volksschule ein. Als es gegen Ende des Schuljahres zum Probeunterricht in einer Grundschulklasse kommen sollte, weigerte sich ihr Vater plötzlich. Sie blieben also bei uns. Ich habe das sehr bedauert. Heute bin ich in Pension, aber das Schicksal der Sinti, Roma und auch der Jenischen beschäftigt mich noch immer.
Ilse Hoffmann,
NeusäßSteppach