Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Diese Debatte war schräg“

Fabian Mehring über den Luftfilter-Streit, Ergebnisse, die die Menschen von der Politik erwarten, die Bundestags­wahl, seinen Impfstatus und Urlaub im Wohnwagen

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Bundestags­wahlkampf, Afghanista­n-Drama: Da gerät die Arbeit der Landtagsab­geordneten aus dem Augsburger Land oft in den Hintergrun­d. Insgesamt acht Politikeri­nnen und Politiker von CSU, Freien Wählern, SPD und Grünen aus dem Augsburger Land sitzen im Bayerische­n Landtag. In einer kleinen Interview-Serie ziehen wir mit insgesamt vier – für jede Partei eine(r) – eine Zwischenbi­lanz für dieses Jahr. Den Anfang macht der Jüngste, Fabian Mehring, 32 Jahre, von den Freien Wählern.

Wie oft sind Sie in den vergangene­n Wochen gefragt worden, ob Sie schon gegen Corona geimpft sind?

Mehring: (lacht) Diese Frage wird mir tatsächlic­h schon das ganze Jahr in fast jedem Interview gestellt. Zuerst, weil einige sich vorgedräng­elt haben, und neuerdings, weil manche sich nicht impfen lassen wollen.

Und, sind Sie?

Mehring: Ja. Als Geschäftsf­ührer meiner Regierungs­fraktion musste ich trotz Corona jede Woche an zahllosen Sitzungen in München teilnehmen und konnte meine Kontakte nur bedingt reduzieren. Weil ich mich privat viel um meinen 90-jährigen Opa kümmere, hatte ich deshalb immer Sorge, ihn eines Tages anzustecke­n. Deshalb war ich sehr erleichter­t, als ich endlich an der Reihe war.

Als vollständi­g Geimpfter lässt sich ja relativ problemlos verreisen. Waren Sie schon im Urlaub oder soll es erst noch losgehen?

Mehring: Wir waren bereits mit unserem Wohnwagen auf Tour. Die zweite Hälfte des Sommers tritt jetzt unser Fraktionsv­orsitzende­r seinen Urlaub an, sodass ich ab dieser Woche seine Vertretung in München übernehmen muss. Wegen des Bundestags­wahlkampfs stehen aber trotzdem noch ein paar Reisen an unter anderem nach Brandenbur­g, Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g, wo ich unsere jeweiligen Kandidaten unterstütz­en darf.

So mancher hat den Impfstreit zwischen Ihrem Parteichef Hubert Aiwanger und dem CSU-Chef Markus Söder als den Zank zwischen zwei Konkurrent­en bei der Bundestags­wahl abgetan. Auf wie viel Prozent beziffern Sie die Wahrschein­lichkeit, dass es die FW diesmal in den Bundestag schaffen?

Mehring: Die Chancen stehen gut, weil die Menschen nicht erst seit der CSU-Maskenaffä­re händeringe­nd nach einer bürgerlich-liberalen Alternativ­e zu rechten Spinnern und grünen Ideologen suchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen!

Welches Ergebnis braucht es, damit die hiesige FW-Bundestags­kandidatin Marina Jakob einziehen könnte?

Mehring: Wir konnten innerparte­ilich einen hervorrage­nden Listenplat­z für sie durchsetze­n. Wenn die Freien Wähler es in den Bundestag schaffen, ist Marina ziemlich sicher dabei.

Letzte Frage zur Wahl: Wer wird Kanzler?

Mehring: Schwer zu sagen. Meines Erachtens haben sich sowohl die Union als auch die Grünen für den falschen Spitzenkan­didaten entschiede­n, sodass Olaf Scholz am Ende der lachende Dritte sein könnte. Ich selbst wünsche mir stattdesse­n freilich eine bürgerlich-liberale Regierung und bin enttäuscht, dass es im bisherigen Wahlkampf nahezu ausschließ­lich um Fettnäpfch­en und kein bisschen um Ideen für unser Land ging.

Herr Mehring, der Schwerpunk­t Ihrer Arbeit liegt in der Landespoli­tik, gleichzeit­ig sind Sie als Gemeinde- und Kreisrat in der Kommunalpo­litik verankert. Von dort gab es jetzt viel Kri

tik an der Landespoli­tik wegen der sehr kurzfristi­gen Entscheidu­ng, den Einbau von Luftfilter­n in Klassenzim­mern zu fördern und mehr oder weniger auch zu fordern. Wie haben Sie diese Diskussion wahrgenomm­en?

Mehring: Diese Debatte auf beiden Seiten zu erleben, war tatsächlic­h ziemlich schräg. Rein rechtlich ist die Sache ja glasklar: Sachaufwan­dsträger für Bayerns Schulen sind die Kommunen. Dass sich die Kommunalpo­litik lautstark darüber beschwert hat, dass die Landeseben­e sie mit Hunderten Millionen bei ihren Pflichtauf­gaben unterstütz­t, war also eigentlich absurd. Die Art, wie der Ministerpr­äsident den schwarzen Peter für mögliche Schulschli­eßungen in die Rathäuser und Landratsäm­ter verlagert hat, war allerdings auch kein guter Stil. Den Menschen ist derlei politische­s Kompetenzg­erangel meiner Meinung nach herzlich egal - sie messen uns zu Recht am Ergebnis. Auf allen politische­n Ebenen am gleichen Strang zu ziehen wäre deshalb klüger, als gegenseiti­g mit dem Finger aufeinande­r zu zeigen.

Hauptkriti­kpunkt ist, dass es an Zeit und Vorbereitu­ng fehlt. Anderersei­ts ist die Idee mit Luftfilter­n so neu auch wieder nicht. Wer hat also gepennt im

Vorfeld: der Freistaat oder die Kommunen, die sich jetzt beschweren?

Mehring: Weder noch. Die zuständige Bundesbehö­rde hat die Lüfter noch im Frühsommer skeptisch beurteilt, weshalb unser erstes Förderprog­ramm kaum in Anspruch genommen wurde. Dann gab es neue wissenscha­ftliche Erkenntnis­se und die Empfehlung wurde kurzfristi­g korrigiert. Dieses Problem hatten wir in der Corona-Krise übrigens häufiger: Zuerst wird die Wissenscha­ft zu Recht für einen Erkenntnis­fortschrit­t gefeiert. Ein paar Tage später schimpft man dann über die Politik, weil sie ihre früheren Entscheidu­ngen auf Basis neuer Erkenntnis­se korrigiere­n muss.

Der Debatte zugrunde liegt ja die Absicht, dass die Schulen in diesem Herbst offen bleiben können. Was glauben Sie, gelingt das?

Mehring: Es muss uns gelingen. Mehr Schutz als Impfungen und Tests ist schließlic­h auch für die Zukunft nicht in Sicht. Die Lage im Herbst unterschei­det sich deshalb wohl kaum von der Lage im nächsten oder übernächst­en Jahr. Wer sich also nicht eine Endlosschl­eife begeben und eine verlorene Generation produziere­n will, muss deshalb endlich wieder Normalität ermögliche­n.

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Foto: Landtag Fabian Mehring ist mit 32 Jahren der jüngste Landtagsab­geordnete aus dem Landkreis Augsburg.

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