Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Diese Debatte war schräg“
Fabian Mehring über den Luftfilter-Streit, Ergebnisse, die die Menschen von der Politik erwarten, die Bundestagswahl, seinen Impfstatus und Urlaub im Wohnwagen
Landkreis Augsburg Bundestagswahlkampf, Afghanistan-Drama: Da gerät die Arbeit der Landtagsabgeordneten aus dem Augsburger Land oft in den Hintergrund. Insgesamt acht Politikerinnen und Politiker von CSU, Freien Wählern, SPD und Grünen aus dem Augsburger Land sitzen im Bayerischen Landtag. In einer kleinen Interview-Serie ziehen wir mit insgesamt vier – für jede Partei eine(r) – eine Zwischenbilanz für dieses Jahr. Den Anfang macht der Jüngste, Fabian Mehring, 32 Jahre, von den Freien Wählern.
Wie oft sind Sie in den vergangenen Wochen gefragt worden, ob Sie schon gegen Corona geimpft sind?
Mehring: (lacht) Diese Frage wird mir tatsächlich schon das ganze Jahr in fast jedem Interview gestellt. Zuerst, weil einige sich vorgedrängelt haben, und neuerdings, weil manche sich nicht impfen lassen wollen.
Und, sind Sie?
Mehring: Ja. Als Geschäftsführer meiner Regierungsfraktion musste ich trotz Corona jede Woche an zahllosen Sitzungen in München teilnehmen und konnte meine Kontakte nur bedingt reduzieren. Weil ich mich privat viel um meinen 90-jährigen Opa kümmere, hatte ich deshalb immer Sorge, ihn eines Tages anzustecken. Deshalb war ich sehr erleichtert, als ich endlich an der Reihe war.
Als vollständig Geimpfter lässt sich ja relativ problemlos verreisen. Waren Sie schon im Urlaub oder soll es erst noch losgehen?
Mehring: Wir waren bereits mit unserem Wohnwagen auf Tour. Die zweite Hälfte des Sommers tritt jetzt unser Fraktionsvorsitzender seinen Urlaub an, sodass ich ab dieser Woche seine Vertretung in München übernehmen muss. Wegen des Bundestagswahlkampfs stehen aber trotzdem noch ein paar Reisen an unter anderem nach Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo ich unsere jeweiligen Kandidaten unterstützen darf.
So mancher hat den Impfstreit zwischen Ihrem Parteichef Hubert Aiwanger und dem CSU-Chef Markus Söder als den Zank zwischen zwei Konkurrenten bei der Bundestagswahl abgetan. Auf wie viel Prozent beziffern Sie die Wahrscheinlichkeit, dass es die FW diesmal in den Bundestag schaffen?
Mehring: Die Chancen stehen gut, weil die Menschen nicht erst seit der CSU-Maskenaffäre händeringend nach einer bürgerlich-liberalen Alternative zu rechten Spinnern und grünen Ideologen suchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen!
Welches Ergebnis braucht es, damit die hiesige FW-Bundestagskandidatin Marina Jakob einziehen könnte?
Mehring: Wir konnten innerparteilich einen hervorragenden Listenplatz für sie durchsetzen. Wenn die Freien Wähler es in den Bundestag schaffen, ist Marina ziemlich sicher dabei.
Letzte Frage zur Wahl: Wer wird Kanzler?
Mehring: Schwer zu sagen. Meines Erachtens haben sich sowohl die Union als auch die Grünen für den falschen Spitzenkandidaten entschieden, sodass Olaf Scholz am Ende der lachende Dritte sein könnte. Ich selbst wünsche mir stattdessen freilich eine bürgerlich-liberale Regierung und bin enttäuscht, dass es im bisherigen Wahlkampf nahezu ausschließlich um Fettnäpfchen und kein bisschen um Ideen für unser Land ging.
Herr Mehring, der Schwerpunkt Ihrer Arbeit liegt in der Landespolitik, gleichzeitig sind Sie als Gemeinde- und Kreisrat in der Kommunalpolitik verankert. Von dort gab es jetzt viel Kri
tik an der Landespolitik wegen der sehr kurzfristigen Entscheidung, den Einbau von Luftfiltern in Klassenzimmern zu fördern und mehr oder weniger auch zu fordern. Wie haben Sie diese Diskussion wahrgenommen?
Mehring: Diese Debatte auf beiden Seiten zu erleben, war tatsächlich ziemlich schräg. Rein rechtlich ist die Sache ja glasklar: Sachaufwandsträger für Bayerns Schulen sind die Kommunen. Dass sich die Kommunalpolitik lautstark darüber beschwert hat, dass die Landesebene sie mit Hunderten Millionen bei ihren Pflichtaufgaben unterstützt, war also eigentlich absurd. Die Art, wie der Ministerpräsident den schwarzen Peter für mögliche Schulschließungen in die Rathäuser und Landratsämter verlagert hat, war allerdings auch kein guter Stil. Den Menschen ist derlei politisches Kompetenzgerangel meiner Meinung nach herzlich egal - sie messen uns zu Recht am Ergebnis. Auf allen politischen Ebenen am gleichen Strang zu ziehen wäre deshalb klüger, als gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen.
Hauptkritikpunkt ist, dass es an Zeit und Vorbereitung fehlt. Andererseits ist die Idee mit Luftfiltern so neu auch wieder nicht. Wer hat also gepennt im
Vorfeld: der Freistaat oder die Kommunen, die sich jetzt beschweren?
Mehring: Weder noch. Die zuständige Bundesbehörde hat die Lüfter noch im Frühsommer skeptisch beurteilt, weshalb unser erstes Förderprogramm kaum in Anspruch genommen wurde. Dann gab es neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Empfehlung wurde kurzfristig korrigiert. Dieses Problem hatten wir in der Corona-Krise übrigens häufiger: Zuerst wird die Wissenschaft zu Recht für einen Erkenntnisfortschritt gefeiert. Ein paar Tage später schimpft man dann über die Politik, weil sie ihre früheren Entscheidungen auf Basis neuer Erkenntnisse korrigieren muss.
Der Debatte zugrunde liegt ja die Absicht, dass die Schulen in diesem Herbst offen bleiben können. Was glauben Sie, gelingt das?
Mehring: Es muss uns gelingen. Mehr Schutz als Impfungen und Tests ist schließlich auch für die Zukunft nicht in Sicht. Die Lage im Herbst unterscheidet sich deshalb wohl kaum von der Lage im nächsten oder übernächsten Jahr. Wer sich also nicht eine Endlosschleife begeben und eine verlorene Generation produzieren will, muss deshalb endlich wieder Normalität ermöglichen.