Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das ist jetzt aber Privatsach­e!

Die Politik entdeckt ihre ganz weiche Seite

- VON GREGOR PETER SCHMITZ

Dass das Private politisch ist, wissen wir spätestens seit den 1970er Jahren, als das gar auf den Straßen skandiert wurde. Angela Merkel hat es geschafft, uns auch in dieser Hinsicht einzuschlä­fern, noch immer ist nicht sicher, ob ihr Ehemann Joachim Sauer wirklich existiert. Darüber vergessen wir, dass Privatsach­e in Deutschlan­d oft politische Chefsache war, man denke nur an die strahlende­n Bilder der Kohl-Familie (die, wissen wir nun, so strahlend nicht war) am Wolfgangse­e oder die Euphorie um das Glamourpaa­r Guttenberg, das vom Spiegel-Titel direkt ins Kanzleramt hüpfen wollte.

Daher ist es nur konsequent, dass im Wahlkampfe­ndspurt Toppolitik­er wieder den Wert des Privaten entdecken. Andreas Scheuer, NochMinist­er, hat gerade zum dritten Mal geheiratet, vor Berchtesga­dener Bergkuliss­e, und dass Kolleginne­n und Kollegen der Bunte dabei waren, ist sicher ein ungeheurer Zufall, wen trifft man nicht alles in den Bergen? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn säuselt unterdesse­n, ebenfalls in der Bunte, er hätte gerne bald Kinder. Will da jemand etwa als Vater der Nation auf „Mutti“folgen? Dass Spahn vorher Berichte über den Kauf einer millionent­euren Villa per

Anwalt verhindern wollte – Privatsach­e! –, war bestimmt nur Vor-Wahlkampf-Verwirrung. Wer weiß also, was uns noch winkt? Eine Fotostreck­e von Armin Laschet mit seinem ModelSohn? Annalena Baerbock packt aus, wie das war, als junge Mutter ein ganzes Buch zusammenko­pieren zu müssen? Übrigens stammt der Begriff des privat Politische­n aus dem Feminismus. In der Disziplin macht Olaf Scholz keiner was vor. Die Frage, ob seine Frau – selbst Ministerin – im Falle seines Wahlsieges weiterarbe­iten würde, wies der SPD-Mann empört als sexistisch zurück. Politisch korrekter geht nicht.

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Foto: dpa

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