Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Alt wird sie später
Für viele bleibt sie die charmante Schauspielerin. Andere hören auf ihren Rat als Ärztin. Von Marianne Koch kann man aber noch etwas anderes lernen
Das passt zu ihr perfekt: Pünktlich zum 90. Geburtstag erscheint ihr neues Buch. Ein Ratgeber natürlich. Berät sie doch seit mehr als 20 Jahren die Hörerinnen und Hörer von Bayern 2
Radio im „Gesundheitsgespräch“, schreibt Bücher, in denen sie unser Immunsystem erklärt oder darüber aufklärt, wie man sein Herz schützt. Da hat sich sicher schon so mancher gefragt: Wie schafft die das nur? Wie bleibt man so fit? Körperlich und vor allem auch im Kopf. Ihre Antwort auf diese Frage ist wenig spektakulär: richtige Ernährung, viel Bewegung, soziale Kontakte. Wer sich allerdings den Lebenslauf von Dr. Marianne Koch anschaut, der erkennt noch etwas anderes, was wichtig zu sein scheint: der Mut, immer wieder neu zu beginnen, und die Freude am Lernen.
Denn so früh für die gebürtige
Münchnerin feststand, Ärztin werden zu wollen – rund 20 Jahre war sie vor allem eins: mit über 70 Filmen eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen der Nachkriegszeit. Als Medizinstudentin jobbte sie bei den Bavaria-Filmstudios und wurde dort entdeckt. Ohne je Schauspielunterricht gehabt zu haben, bekam sie große Rollen an der Seite von Curd Jürgens, O.W. Fischer, Heinz Rühmann oder auch Clint Eastwood.
Ihr internationaler Erfolg hatte aber einen Preis: Ihre Ehe mit dem Arzt Gerhard Freund, mit dem sie zwei Söhne hat, zerbrach. Es folgte der „totale Umbruch“, wie Marianne Koch in einem Interview einmal sagte: Sie machte Schluss mit den Filmen, Schluss mit ihrer Ehe und ging mit Anfang 40 zurück an die Uni, um ihr Medizinstudium zu beenden. Man kann sich vorstellen, wie verblüfft manche geguckt haben, als die berühmte Schauspielerin im Hörsaal und am Krankenbett saß. Und nicht nur der berufliche Neustart glückte. In dieser Umbruchphase lernte sie in einem Flugzeug auch ihren Lebensgefährten, ihre große Liebe, den Lyriker Peter Hamm, kennen, mit dem sie bis zu dessen Tod 2019 in Tutzing am Starnberger See zusammenlebte.
Der Abschied von der Leinwand war aber kein Abschied vom Fernsehen, wo sie präsent blieb. Gerade Ältere werden sich gern an sie in der Rate-Sendung „Was bin ich?“mit Gastgeber Robert Lembke erinnern oder sie als Moderatorin der Talkshow „3 nach 9“geschätzt haben. Marianne Koch war aber auch „die Frau mit der Goldkante“, in einer TV-Werbung für Gardinen.
Während die Internistin die Abende vieler Fernsehzuschauer bereicherte, arbeitete sie tagsüber als Ärztin. Marianne Koch war 55, als sie ihre eigene Praxis im Münchner Stadtteil Haidhausen eröffnete. Bewusst dort, wie sie mal erzählte, weil sie keinesfalls eine Schicki-Micki-Praxis haben wollte. Da sie mit 68 Jahren laut Gesetz die Zulassung für Kassenpatienten verloren hätte, gab sie zwar die Praxis auf, arbeitet seitdem aber weiter als Medizinjournalistin. Der Titel ihres neuesten Buches passt also: „Alt werde ich später“.