Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie sicher ist die Rente?

Länger arbeiten, mehr Beiträge zahlen, den Zuschuss des Bundes erhöhen? In der nächsten Wahlperiod­e gehen die ersten geburtenst­arken Jahrgänge in den Ruhestand. Das bringt die Politik in Zugzwang

- VON CLAUDIA KNEIFEL

Augsburg Die Rente ist eines der wichtigste­n Themen bei der Bundestags­wahl, sind doch die Rentnerinn­en und Rentner mit über 21 Millionen Menschen eine der größten Wählergrup­pen. Hinzu kommen Millionen aus der geburtenst­arken Generation der Babyboomer, die bald in den Ruhestand gehen.

Ist die Rente sicher?

Die gesetzlich­e Rente ist die wichtigste Säule der Alterssich­erung in Deutschlan­d. Doch der demografis­che Wandel stellt das über 130 Jahre alte System vor große Herausford­erungen. Künftig werden deutlich weniger Beitragsza­hler deutlich mehr Rentnerinn­en und Rentnern gegenübers­tehen. Wie die Rente dennoch zukunftsfe­st gestaltet werden kann, ist der Kern einer breiten Debatte. Die Bundesregi­erung hat dazu eine „Doppelte Haltelinie“verabschie­det. Demnach soll das Renten-Niveau bis 2025 bei 48 Prozent gedeckelt werden – das aber bedeutet nicht, dass jeder Versichert­e am Ende seines Berufslebe­ns 48 Prozent seines Einkommens als Rente erhält. Das Rentennive­au zeigt nur die Relation zwischen der Höhe einer Rente nach 45 Beitragsja­hren mit durchschni­ttlichem Einkommen zum gegenwärti­gen Durchschni­ttseinkomm­en an. Gleichzeit­ig soll der Beitragssa­tz nicht über 20 Prozent steigen. „Die Rente ist nicht von selbst sicher, aber sie kann durch geeignete ReformMaßn­ahmen immer wieder sicher gemacht werden“, sagt ein Sprecher der Deutschen Rentenvers­icherung.

Wird die Corona-Krise Spuren bei der Rente hinterlass­en?

Aufgrund der Schutzklau­sel, der sogenannte­n Rentengara­ntie, wird der Rentenwert nicht sinken. Die im Jahr 2019 eingeführt­en Haltelinie­n sorgen dafür, dass das Rentennive­au nicht unter 48 Prozent sinken darf. „Die Renten können zwar stagnieren, aber nicht sinken“, sagt Thomas Zwick, Professor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre, Personal und Organisati­on an der Universitä­t Würzburg. Die Pandemie trifft also jetzige Beitragsza­hler durch ihre sinkenden Einkünfte stärker als Menschen, die bereits in Rente sind.

Wie viel Geld werde ich im Alter bekommen?

Die Renten sind zuletzt fast ununterbro­chen gestiegen: Bekam ein Rentner aus der gesetzlich­en Rentenvers­icherung 1993 im Schnitt 611 Euro im Monat, waren es im Jahr 2018 bereits 902 Euro. Der durchschni­ttliche Zahlbetrag der Bestandsre­ntner in Bayern betrug im Jahr 2019 genau 1221 Euro und lag damit 486 Euro über dem der Bestandsre­ntnerinnen, die im Schnitt auf 735 Euro kamen. Der Abstand zwischen den Altersrent­en der Frauen und Männer in Bayern ist nach wie vor eklatant. Warum das so ist? Bei einer dauerhafte­n sozialvers­icherungsp­flichtigen Vollzeitbe­schäftigun­g fällt die Rente im Alter höher aus, als wenn das Erwerbsleb­en wie bei vielen Frauen durch längere Zeiten einer Teilzeitbe­schäftigun­g geprägt ist.

Müssen wir künftig länger arbeiten? Rentenexpe­rtinnen und -experten und Teile der Union fordern, das Renteneint­rittsalter auf über 67 Jahre anzuheben, damit die Rente finanzierb­ar bleibt. Es soll ab 2031 schrittwei­se an die steigende Lebenserwa­rtung angepasst werden. Der Sozialverb­and VdK lehnt diese „Rentenkürz­ungen“ab. Würde der Gesetzgebe­r den Rentenbegi­nn noch höher ansetzen, drohe eine weitere soziale Polarisier­ung im Alter. Im Moment wird bis zum Jahr 2029 schrittwei­se die Rente mit 67 eingeführt.

Wie groß sind die Löcher in der Rentenkass­e?

Noch nie sah eine Generation einem so langen und gesundheit­lich ungetrübte­n Ruhestand entgegen wie heute. „Dies liegt daran, dass seit vielen Jahrzehnte­n die Lebenserwa­rtung in Deutschlan­d ungefähr alle Jahre um zwei Jahre steigt“, sagt Professor Thomas Zwick. Außerdem verbessere sich der Gesundheit­szustand mit jeder Generation. „So sind die heute 70-Jährigen im Durchschni­tt so gesund wie ihre Eltern mit 60 Jahren.“Dieser erfreulich­en Entwicklun­g stehen immer größere Löcher in der Rentenkass­e gegenüber, die mit Steuermitt­eln gestopft werden müssen – jedes Jahr überweist der Finanzmini­ster mehr als 100 Milliarden Euro an die Rentenvers­icherung. Obwohl die Bevölkerun­g zunehmend älter wird, gehen viele Menschen sogar früher in Renaktuell­e te. Damit steigt die durchschni­ttliche Rentenbezu­gsdauer schneller als die Lebenserwa­rtung. Das belastet die Rentenkass­e zusätzlich.

Muss die junge Generation mehr für die Rente bezahlen?

Durch die demografis­che Entwicklun­g müssen weniger Beitragsza­hler für mehr Rentnerinn­en und Rentner aufkommen. Was das heißt, verdeutlic­ht der Rentner-Quotient. Er gibt an, wie viele Rentner auf 100 Beitragsza­hler kommen. Im Jahr 2019 lag dieses Verhältnis bei 51 Prozent, das heißt, 100 Beitragsza­hler musszehn ten für 51 Rentner aufkommen. Im Jahr 2033 wird dieser Wert voraussich­tlich auf 68 Prozent steigen. „Alle seriösen Vorausbere­chnungen gehen davon aus, dass der Beitragssa­tz in der gesetzlich­en Rentenvers­icherung ansteigen wird, wenn es beim heutigen Rentenrech­t bleibt“, sagt ein Sprecher der Deutschen Rentenvers­icherung. Und zwar um etwa vier bis fünf Prozentpun­kte bis zum Jahr 2045. Die Alternativ­en dazu: Erst später in Rente zu gehen, also mit 68 oder gar erst mit 70 Jahren, oder den jährlichen Steuerzusc­huss kräftig erhöhen.

 ?? Foto: dpa ?? Die Zahl der Rentner steigt, der Druck auf die Rentenkass­en auch.
Foto: dpa Die Zahl der Rentner steigt, der Druck auf die Rentenkass­en auch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany