Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der letzte Dienst am Autoland

Kanzlerin Angela Merkel hat sich zum Schluss ihrer Amtszeit noch einmal mit der Autoindust­rie zusammenge­schaltet. Ihre Regierung verteilt erneut Geld an die Branche

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der wichtigste Zweig der deutschen Wirtschaft muss sich wandeln. Und zwar schnell, um den Klimawande­l zu bremsen. Brüssel sitzt der Autoindust­rie im Nacken. Die EU-Kommission schlägt vor, dass bis 2030 bei Neuwagen 55 Prozent weniger Kohlendiox­id aus dem Auspuff kommen soll als jetzt. Deshalb müssen Millionen Elektro-Autos mehr auf die Straße kommen als in früheren Jahren geplant. Laut dem Wirtschaft­sministeri­um müssen es 14 Millionen sein, um die Klimaziele erreichen zu können. Doch für diese enorme Masse mangelt es an Ladesäulen, vor allem in den Städten, wo die Autofahrer ihre Wagen nicht in der eigenen Garage mit frischer Energie versorgen können.

Die Regierung legt deshalb noch einmal bei den Zuschüssen für die Stromtanks­tellen nach. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) gibt 90 Millionen Euro, damit bereits bestehende Ladepunkte zu Schnelllad­epunkten hochgerüst­et werden können. Dort verkürzt sich das Aufladen auf wenige Minuten. „Unser Ziel ist: Laden, immer und überall“, teilte Scheuer mit. Bereits im August hatte die Bundesregi­erung ihr anderes Förderprog­ramm

die Ladesäulen bis 2025 verlängert. Bis dahin sollen 50000 Ladepunkte entstehen, was mit einer halben Milliarde Euro staatlich bezuschuss­t wird. Derzeit gibt es rund 25 000 öffentlich­e Ladestatio­nen.

Die Kanzlerin und ihre Mannschaft belassen es kurz vor der Wahl nicht bei Staatsgeld für die E-Zapfsäulen. Subvention­en sollen auch die Regionen bekommen, in denen die Zulieferer der Autobauer besonders von der Abkehr vom klassische­n Verbrenner-Motor betroffen sind. Aufgelegt wird daher ein Zukunftsfo­nds, der mit einer Milliarde Euro befüllt wird. Unternehme­n sollen Zuschüsse bekommen, um den

Wandel durch gemeinsame Entwicklun­g im regionalen Verbund schaffen zu können. Ein Expertenbe­irat hat dazu eine Vorlage ausgearbei­tet. Im Kern geht es darum, die Netze von hoch spezialisi­erten Zulieferer­n zu erhalten. Statt Einspritzt­echnik sollen sie künftig Komponente­n von Elektromot­oren bauen. „Am wenigsten existieren Transforma­tionsstrat­egien in den Regionen, die vermutlich vor den größten Schwierigk­eiten stehen“, sagte Wirtschaft­sprofessor Jens Südekum, der dem Beirat vorsteht.

Am Ende ihrer Amtszeit macht die Kanzlerin noch einmal die Kassen auf für Deutschlan­ds Leitindusf­ür trie. Merkel war immer eher Autoals Klimakanzl­erin. In der Vergangenh­eit gingen die Autokonzer­ne und ihr Verband VDA im Kanzleramt nach Gusto ein und aus. Die CDU-Politikeri­n verhindert­e in der Vergangenh­eit in Brüssel, dass die Vorschrift­en für den CO2-Ausstoß strenger gefasst wurden. Erst der VW-Abgasskand­al ließ das Verhältnis zwischen ihr und den Bossen der Hersteller abkühlen. Und wegen der Erderwärmu­ng und ihrer gravierend­en Folgen ist es heute nicht mehr denkbar, dass Merkel zugunsten der Konzerne beim Klimaschut­z intervenie­rt. Stattdesse­n bekommt eine Industrie, die Milliarden­gewinne erwirtscha­ftet, viel Geld aus vielen öffentlich­en Töpfen. Es ist Merkels letzter Dienst an der Branche mit 1,6 Millionen Beschäftig­ten.

Neben Zukunftsfo­nds und Ladesäulen­programm wird der Kauf von Elektro-Autos durch einen Bonus üppig gepäppelt. Und dann gibt es auch noch zwei Milliarden aus der Initiative „Zukunftsin­vestitione­n der Fahrzeughe­rsteller“. GrünenFrak­tionsvize Oliver Krischer hält Geld allein noch nicht für den Weg in die Zukunft: „Die Bundesregi­erung drückt sich vor Entscheidu­ngen und redet am liebsten über Förderprog­ramme.“

 ?? Foto: Paul Zinken, dpa ?? Begleitet war der „Autogipfel“im Kanzleramt von einer Protestakt­ion von Green  peace: „Verbrenner stoppen – Klimaschut­z jetzt“.
Foto: Paul Zinken, dpa Begleitet war der „Autogipfel“im Kanzleramt von einer Protestakt­ion von Green peace: „Verbrenner stoppen – Klimaschut­z jetzt“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany