Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Tristesse im Trümmerland
Das Erdbeben in Haiti hat fast 2000 Menschenleben gefordert. Die Überlebenden warten noch immer auf Hilfe
Les Cayes Vier Tage nach dem Erdbeben in Haiti mit mehr als 1900 Todesopfern warten viele Überlebende immer noch auf dringend notwendige Unterstützung. „Es gibt ein ernstes Problem bei der Verteilung der Hilfe“, schreibt die Journalistin Nancy Roc auf Twitter. Bisher komme diese nur in den zwei größten Städten des betroffenen Gebiets im Südwesten des Karibikstaates – Les Cayes und Jérémie – an. Die anderen Gemeinden würden vernachlässigt, Hilferufe an die nationalen Behörden blieben unbeantwortet, berichtet die Zeitung Le Nouvelliste.
Es fehlt nach Berichten in sozialen Medien vielerorts weiter am Nötigsten – an Lebensmitteln und Medikamenten, aber auch an Zelten.
Die Zahl der bestätigten Todesopfer hatte sich nach Angaben von Haitis Zivilschutzbehörde am Dienstag noch einmal um mehr als 500 auf 1941 erhöht. Mehr als 9900 Menschen seien verletzt worden. Gut 37 000 Häuser sind zerstört und fast 47 000 beschädigt. Nach UnicefAngaben sind 1,2 Millionen Menschen von der Katastrophe betroffen. Es werden noch zahlreiche Opfer unter den Trümmern vermutet. Immerhin: Am Dienstag wurden 16 Menschen lebend geborgen.
Das Beben der Stärke 7,2 hatte sich am Samstagmorgen (Ortszeit) nahe der Gemeinde Saint-Louis-duSud östlich von Les Cayes in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Es traf ein Land, in dem viele Menschen in bitterer Armut leben und das für Naturkatastrophen anfällig ist. Die Erdbebenregion war im Jahr 2016 von Hurrikan „Matthew“verwüstet worden – mehr als 500 Menschen starben. Bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 im Januar 2010, dessen Zentrum nahe der dicht besiedelten Hauptstadt Portau-Prince lag, waren mehr als 220000 Menschen ums Leben gekommen. Der Wiederaufbau litt stark unter Korruption und Verschwendung.
Der Chef des Zivilschutzes, Jerry Chandler, räumte im Radiosender Magik9 Verzögerungen bei der Verteilung von Hilfsgütern ein, wie Le Nouvelliste berichtet. Er begründete dies demnach mit der schwierigen Organisation, die durch den Durchzug des Tropensturms „Grace“in der Nacht zum Dienstag zusätzlich erschwert worden sei. Dieser hatte mancherorts Überschwemmungen verursacht und zahlreichen Menschen zugesetzt, die im Freien schliefen. Haitis ohnehin stark unterfinanziertes Gesundheitssystem ist durch die sich zuletzt verschlimmernde Corona-Pandemie überstrapaziert. Hinzu kommt eine tiefe politische Krise, die sich nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse in der Nacht zum 7. Juli noch verschärft hatte.
Am Mittwoch meldete der Zivilschutz, ein Konvoi von acht Lastwagen bringe Lebensmittel, Wasser und andere wichtige Güter ins Erdbebengebiet. Die Europäische Union sagte drei Millionen Euro Nothilfe zu. Die Kaufbeurer Hilfsorganisation Humedica entsandte ein dreiköpfiges Einsatzteam. Es startete am Mittwochmorgen vom Frankfurter Flughafen aus.