Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wohin fährt die Formel E?

Mercedes verabschie­det sich in einem Jahr aus der vollelektr­ischen Rennserie. Damit steigt der nächste große Hersteller aus. Was das für die Formel E bedeutet

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg Gerade noch hatte Mercedes richtig zu feiern. Überrasche­nd sicherte sich Nyck de Vries den WM-Titel in der Formel E. Die vollelektr­ische Rennserie beendete am Wochenende in Berlin ihre siebte Saison, erstmals gestand ihr dabei der Motorsport­weltverban­d Fia den Status einer Weltmeiste­rschaft zu. De Vries ist somit der erste FormelE-Weltmeiste­r. Sein Team Mercedes gewann auch noch die Hersteller-Wertung, und das bereits im zweiten Jahr der Teilnahme. Mercedes hatte sich erst recht spät zu einer Teilnahme entschloss­en. Da auch die Premium-Konkurrent­en Audi, BMW und Porsche die Formel E als Marketing-Plattform entdeckt hatten, zogen auch die Stuttgarte­r nach. Nur um nun in einem Jahr wieder auszusteig­en. Die Formel E hat als Plattform offenbar ausgedient.

Mercedes folgt damit den Beispielen von Audi und BMW, die ebenfalls ihr Engagement beenden. Für die Serie ist das ein großer Rückschlag. In Berlin wurde darüber spekuliert, dass Aston Martin Mercedes-Nachfolger werden könnte und damit das Einsatztea­m übernimmt. Ab 2023 setzt die Formel E die Fahrzeuge der dritten Generation ein. Doch auch dann bleibt es dabei, dass die Gestaltung­smöglichke­iten für die Hersteller bei den Einheitsre­nnwagen sehr gering sind. Nur den Antriebsst­rang können die Hersteller selbst entwickeln. Da bleibt wenig Spielraum, um eigene Fortschrit­te in der Technologi­eEntwicklu­ng zu demonstrie­ren. Deshalb suchen die großen Hersteller nach neuen Möglichkei­ten, um sich im Wettkampf gegen die Konkurrenz zu beweisen.

Für Audi ist seit Berlin Schluss mit der Formel E, der Hersteller aus Ingolstadt konzentrie­rt sich künftig auf die Rallye Dakar. 2022 wird Audi mit einem elektrifiz­ierten Antrieb um den Gesamtsieg bei der berühmtest­en Rallye der Welt kämpfen. Ein ambitionie­rtes Projekt. Und Mercedes? Die aus dem Ausstieg frei gewordenen Ressourcen will der Hersteller bei der Elektrifiz­ierung der Marke nutzen. Die Mercedes-Fahrzeugfl­otte soll bis Ende des Jahrzehnts vollelektr­isch werden. Motorsport aber wird nach wie vor eine große Rolle spielen. Die Formel 1, in der Mercedes in den vergangene­n Jahren durch die WMTitel von Lewis Hamilton sehr erfolgreic­h war, soll innerhalb des Konzerns eine noch größere Bedeutung bekommen. Als „Entwicklun­gslabor“für die Serienprod­uktion und die Elektroant­riebe, wie Mercedes mitteilte. Der technologi­sche Fortschrit­t stünde hier ständig auf dem Prüfstand, und zwar im härtesten Wettbewerb der Automobilw­elt. Die Formel 1 biete das beste Potenzial für Technologi­e-Transfer. Der Werksrückz­ug aus der Formel E ist für August 2022 geplant, nach Saison acht in der Geschichte der Formel E.

Die Formel E hat sich ein besonderes Konzept auferlegt. Die Rennen finden nicht wie aus anderen Serien gewohnt auf festen Rennstreck­en statt. Die Formel E kommt direkt in die Stadt, ihre Strecken sind nur temporär und sehr kurz. Training, Qualifikat­ion und Rennen werden an einem Tag absolviert. Auf den Tribünen sitzen viele Familien mit Kindern. Die FormelE-Rennwagen sind leise, sie surren wie ein Staubsauge­r. Ohrstöpsel sind nicht nötig. Motorsport-Puristen mögen das nicht, sie brauchen röhrende Motoren. Doch wie lange noch? Die Formel E hat sich etabliert, trotz der Ausstiege der großen deutschen Hersteller.

„Wir können auf unsere Erfolge in der Formel E stolz sein. Dieser Erfolg wird als ein historisch­er Meilenstei­n in die lange Rennsportg­eschichte von Mercedes-Benz eingehen“, sagte Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff nach dem doppelten WM-Erfolg von Berlin. Und er versprach: „Jetzt werden wir alles dafür geben, um sicherzust­ellen, dass wir unser Formel-E-Abenteuer in der Saison acht standesgem­äß beenden.“Standesgem­äß hat für Mercedes eine klare Bedeutung: ein weiteres Mal den WM-Titel zu holen.

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Foto: dpa Mercedes hat in der Formel E auch die Teamwertun­g gewonnen. Eine Saison wird der Hersteller noch in der elektrisch­en Rennserie fahren, danach gilt die volle Konzentrat­ion der Formel 1. Weil dort die technologi­schen Herausford­erungen viel größer sind.
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Foto: dpa Nyck de Vries ist der Formel E Welt meister.

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