Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Urteil gegen Fabienne K.: Opfer Anwalt geht in Revision
Die Familie des getöteten „Dorschi“glaubt, dass die Täterin im Verfahren zur Leidtragenden stilisiert wurde
Augsburg Bereits einen Tag nach dem Urteil im sogenannten „Pferseer Mordprozess“hat Michael Weiss, der Anwalt der Familie des Opfers, Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Die Angeklagte Fabienne K., 20, war am Dienstag von der Jugendkammer beim Landgericht lediglich wegen Totschlags zu einer Jugendstraße von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage hatten auf Mord plädiert und eine Strafe von etwa neun Jahren gefordert.
Fabienne K. hatte am Abend des 25. November 2020 an einer Bushaltestelle in der Chemnitzer Straße in Pfersee den 28 Jahre alten Stefan D., von Freunden „Dorschi“genannt, mit einem einzigen Messerstich in die Brust, der mitten ins Herz drang, getötet. Sie gab im Prozess an, sie habe ihren Freund schützen wollen, der in eine Rangelei mit dem späteren Opfer verwickelt war. Angeblich hatte Stefan D. dem Freund der Angeklagten beim Vorübergehen an den Po gegriffen.
Die Staatsanwaltschaft hatte das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt angesehen, da Fabienne K. das aufgeklappte Taschenmesser bereits in der Jackentasche bei sich trug und dann wohl blitzartig auf das Opfer einstach, das verblutete. Die Jugendkammer war im Urteil der Überzeugung, dass Heimtücke nicht nachgewiesen werden könne.
Anwalt Michael Weiss, der die Familie des Opfers, zuletzt gemeinsam mit Nicolas A. Frühsorger, vor Gericht vertrat, legte am Mittwoch Revision gegen das Urteil ein. Es gehe der Familie weniger um das Strafmaß, sondern um den Schuldspruch. Anwalt Weiss sagt zu unserer Redaktion: „Die Familie hat das Gefühl, dass die Täterin mehr zum Opfer gemacht wurde als der Verstorbene“. Die Strategie der Angeklagten, sich als Opfer zu stigmatisieren, habe offenbar bei Gericht gefruchtet. „Der Familie wäre es wichtig gewesen, dass im Prozess mehr die Person des Opfers thematisiert wird als das zum Teil selbst verpfuschte Leben der Verurteilten“, so der Anwalt.
Im Gegensatz zur Nebenklage wollen die beiden Verteidiger Werner Ruisinger und Florian Schraml das Urteil der Jugendkammer akzeptieren. „Das Gericht ist ja unserer rechtlichen Beurteilung gefolgt“, wies Ruisinger daraufhin, dass die Verteidigung auf Totschlag plädiert habe.
Noch in der Phase der Prüfung befinde sich die Anklagebehörde, sagte am Mittwoch Matthias Nickolai, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft. Man werde noch einmal streng rechtlich prüfen, ob Mord vorliegt. Ein Revisionsantrag müsse ordentlich begründet werden, da die Akten dann auch zur Generalstaatsanwaltschaft gingen, also von der vorgesetzten Behörde wahrgenommen würden.
Formal muss ein Antrag beim Bundesgerichtshof (BGH) innerhalb von einer Woche nach Urteilsverkündung eingelegt werden. Ist dies der Fall, muss das urteilende Gericht eine ausführliche Urteilsbegründung schreiben. Liegt diese nach einigen Wochen vor, kann die Revision begründet werden. Der BGH in Karlsruhe ist die höchste Instanz für Strafverfahren nach Ersturteilen von Landgerichten. Bei einer Revision werden nur Rechtsfragen geprüft, also ob ein Urteil juristisch fehlerfrei ist. Hält der BGH ein Urteil für fehlerhaft, wird das Verfahren vor einem anderen Gericht neu aufgerollt.