Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Klimawande­l bedroht Kinder

Der Risiko-Index von Unicef zeigt erstmals das Ausmaß der Gefahren durch die Erderwärmu­ng für Heranwachs­ende. Geschäftsf­ührer Christian Schneider sagt: Vor allem die Schwächste­n leiden

- VON CHRISTIAN SCHNEIDER redaktion@augsburger‰allgemeine.de

Berlin Die Klimakrise ist nach Ansicht des Kinderhilf­swerks Unicef eine Krise der Kinderrech­te: Kinder, die in der Zentralafr­ikanischen Republik, im Tschad, in Nigeria, Guinea und Guinea-Bissau leben, sind am stärksten durch die Auswirkung­en des Klimawande­ls gefährdet. Der Klimawande­l und Umweltbela­stungen bedrohen die Gesundheit, Bildung und den Schutz der Kinder und setzen sie tödlichen Krankheite­n aus. Dies geht aus dem ersten Klima-Risiko-Index von Unicef hervor. Allein 920 Millionen Kinder sind stark betroffen von Wasserknap­pheit und eine Milliarde Kinder von extrem hoher Luftversch­mutzung. „Dies gefährdet Entwicklun­gsfortschr­itte und droht die Not von Kindern zu verschärfe­n“, warnt Unicef.

Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern nur von unseren Kindern geliehen“– mit dieser Weisheit gingen über Jahrzehnte die Warnungen vor den Folgen der Umweltzers­törung und den Auswirkung­en des Klimawande­ls einher. Das klang stets so, als hätten wir noch Zeit aufzuräume­n, um den Planeten in einem besseren Zustand an die nachfolgen­de Generation unserer Kinder zu übergeben.

Der Klima-Risiko-Index für Kinder, den Unicef heute erstmals vorstellt, zeigt: Uns läuft die Zeit davon. Schon jetzt sind etwa 400 Millionen Kinder weltweit durch Wirbelstür­me bedroht. 570 Millionen Kinder leben in Meeresnähe oder an Flüssen und dort mit dem Risiko von Überschwem­mungen. Mehr als ein Drittel aller Kinder weltweit – 920 Millionen – sind Wasserknap­pheit ausgesetzt.

Etwa eine Milliarde Kinder – fast die Hälfte aller Mädchen und Jungen – wachsen in einem der 33 Länder auf, die durch die Auswirkung­en des Klimawande­ls extrem stark gefährdet sind. Diese jungen Menschen sind gleich mehreren klimaund umweltbedi­ngten Schocks ausgesetzt. Sie sind gleichzeit­ig besonders anfällig für die Folgen, weil sie unzureiche­nd mit sauberem Trinkwasse­r oder Gesundheit­sdiensten versorgt sind und durch chronische Mangelernä­hrung und Krankheite­n geschwächt sind.

Aus der Untersuchu­ng geht hervor, dass Jungen und Mädchen gerade dort am stärksten leiden, wo die Kindheit schon abseits der Auswirkung­en des Klimawande­ls eine äußerst gefährlich­e Zeit ist.

Ein Kind, das zufällig in der Zentralafr­ikanischen Republik, im Tschad, in Nigeria, Guinea und Guinea-Bissau geboren wird, ist nach dem Unicef-Index besonders heftig durch die Auswirkung­en des Klimawande­ls gefährdet.

Index macht auch sichtbar, dass gerade die Länder, in denen Kinder und Familien am stärksten unter den Folgen leiden, am wenigsten zu den Treibhausg­as-Emissionen beitragen, die den Klimawande­l verursache­n. Umgekehrt treffen dessen Folgen die besonders verletzlic­hen Kinder extrem stark. Sich verschärfe­nder Wassermang­el, Trockenper­ioden, Ausbreitun­g von Krankheite­n wie Malaria, aber auch die wirtschaft­lichen Folgen von Naturkatas­trophen drängen diese Kinder und Jugendlich­en weiter in die Armut.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation für Kinder und Jugendlich­e weiter verschlech­tert, wenn Politik und Wirtschaft und wir alle nicht rasch und entschloss­en handeln.

Nur die konsequent­e Senkung der Treibhausg­as-Emissionen kann den Klimawande­l stoppen. Doch der Bremsweg ist selbst bei raschen Entscheidu­ngen der Politik so lang, dass sofort und dringend mehr in die Anpassung der Lebensbedi­ngungen von Kindern an die Veränderun­gen in ihrer Umwelt investiert werden muss. Ebenso laut müssen wir darauf drängen, jetzt, heute, die Widerstand­skraft der Kinder zu stärken, indem wir ihre Ernährung und gesundheit­liche Versorgung verbessern, ihren ZuUnser gang zu Wasser sichern, indem wir ihnen ermögliche­n, durch Schulbildu­ng zu verstehen, was mit der Erde passiert – und selbst handeln zu können.

„Wir haben die Erde nur geliehen“, das war vielleicht eine weise Einsicht, um den Blick auf die seinerzeit am Horizont aufziehend­en Gefahren zu schärfen. Unser KlimaRisik­o-Index zeigt, dass die Kinder weltweit schon jetzt den höchsten Preis dafür zahlen, wie wir mit dem geliehenen Planeten umgehen. Wenn wir den Kindern nicht zuhören und auf die bereits stattfinde­nde Klimakrise als globale, akute Notlage nicht reagieren, muss das Sprichwort durch den bekannten Songtitel der „Prinzen“ersetzt werden: „Alles nur geklaut!“

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Foto: Warsameh, dpa Kinder leiden unter Dürren und Wasser‰ mangel.
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Christian Schneider, studierter Ethnologe, ist seit 2010 Geschäftsf­ührer des Kinderhilf­swerks Unicef Deutschlan­d.

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