Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Geringer Verstand, großes Herz
Wer Pu der Bär als Kind kennengelernt hat, der lässt auch als Erwachsener nichts auf ihn kommen. Vor 100 Jahren nahm die Erfolgsgeschichte ihren Anfang
Zugegeben, es ist nicht gerade schmeichelhaft, wie unser Held von seinem Schöpfer charakterisiert wird: „ein Bär von sehr geringem Verstand“. Dem Beliebtund Bekanntheitsgrad hat dies nicht geschadet: Pu der Bär, oder Winnie the Pooh, wie er im englischen Original heißt, ist Stammgast in vielen Kinderzimmern, ob nun im Urzustand als Figur des Buches von Alan Alexander Milne oder als vom Disney-Konzern vermarkteter Merchandising-Artikel wie Bettwäsche, Kakaopott oder Schnulleraufdruck.
Wer Pu in seiner Kindheit kennengelernt hat, der lässt meist auch als Erwachsener nichts auf ihn kommen – so wie sein berühmtester Fan, der Schriftsteller, Übersetzer und Rezitator Harry Rowohlt. „Pu der Bär war mein erstes Buch; seitdem mag ich Bücher und Bären“, schreibt er. Das erste und liebste Buch seiner Kindheit übersetzte Rowohlt neu und sprach es dann in seiner knorrigen Art auch so genial als Hörbuch ein, dass er fortan Mühe hatte, nicht nur als brummiger Bär wahrgenommen zu werden.
Aber zurück zu Pu, dem gutmütigen, ein wenig verträumten Zeitgenossen, der Honig über alles liebt, gern ein wenig dichtet und ein Liedchen singt. Um seinen Namen rankt Autor Milne mehrere Geschichten. Etwa die, dass Pu versucht, an den Honig zu kommen, der in einem Bienenstock auf einem Baum so herrlich duftet. Dafür tarnt er sich als dunkle Wolke und hängt sich an einen blauen Luftballon. Abgesehen davon, dass das Unterfangen keinen Erfolg hat, kann er danach seine Arme nicht mehr bewegen und muss lästige Fliegen immer mit einem gepusteten „Pooh“vertreiben.“Mit seinen Freunden Kaninchen, Känga und Ruh, Ferkel, I-AH, Oile und Tieger lebt er im Hundertsechzig-MorgenWald und tapst von einem Abenteuer ins nächste. Immer mit dabei ist Christopher Robin, der seine Lieblinge fest im Griff hat.
Der Junge hat, wie auch all die Waldbewohner, Vorbilder im richtigen Leben: Christopher Robin war der Sohn des PuErfinders Milne, Pu und Gefährten die Stofftiere des Jungen. Zum Einschlafen dachte sich der Vater für seinen Sohn die BärenEpisoden aus und veröffentlichte sie dann 1926 in einem ersten Band, dem weitere folgten. Ganz einfache Geschichten, deren philosophische Qualitäten sich meist erst den erwachsenen Wiederlesern erschließen. Wie wichtig Toleranz und gute Freunde aber sind, das können auch die Kinder herauslesen.
Warum wir das alles jetzt erzählt haben, gibt es ein rundes Jubiläum doch erst in fünf Jahren zum 100-jährigen Erscheinen des Bestsellers zu feiern? Doch am 21. August jährt sich ein Ereignis zum 100. Mal, mit dem diese Erfolgsgeschichte ihren Anfang nehmen konnte. An diesem Tag nämlich feierte Christopher Robin seinen ersten Geburtstag. Da bekam er als Geschenk – genau – einen kuscheligen Teddybären, der fortan nicht nur ihn durchs Leben begleiten sollte.