Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mietlücke treibt Bedürftige in die Enge

Hartz-IV-Empfänger in Bayern müssen immer mehr von ihrem wenigen Geld für ihre Wohnung zuschießen, weil das Amt nicht die volle Miete trägt. Doch es gibt auch Zuversicht

- VOn CHRISTIAn GRImm

Berlin Bayern ist ein wohlhabend­es Land, in dem es viel Arbeit gibt. Doch auch im Freistaat gibt es Leute, die nicht vom langen Wirtschaft­saufschwun­g vor Corona profitiert haben. Für einen Teil der Empfängeri­nnen und Empfänger von Hartz IV wird es härter, sich das Leben in Bayern leisten zu können.

Grund: Der Boom auf dem Immobilien­markt hat auch die Mieten kräftig nach oben getrieben. Nicht alle Jobcenter gleichen den Anstieg komplett aus. Die entstehend­e Lücke müssen die Hartz-Bezieher aus ihrem Regelsatz stopfen, also dem Geld, das sie fürs tägliche Leben bekommen. Von den rund 200000 Haushalten in Bayern, die von Hartz IV leben, liegen bei 37 900 die Mietausgab­en über der vom Jobcenter anerkannte­n Leistung. Das geht aus einer Anfrage der Linksparte­i an die Bundesregi­erung vor. „Das ist eine soziale Katastroph­e. Eine so hohe Wohnkosten­lücke bedeutet im Grunde eine Kürzung des Existenzmi­nimums durch die Hintertür“, sagte die Linken-Abgeordnet­e Nicole Gohlke aus München.

Der Hartz-IV-Satz für Alleinerzi­ehende liegt aktuell bei 446 Euro im Monat. Von der Summe geht bei den knapp 38000 Beziehern immer mehr davon ab, um die Miete zu begleichen. Die Wohnkosten­lücke hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt: Betrug sie im Jahr 2011 noch durchschni­ttlich 51 Euro pro Monat, hat sie sich bis 2020 auf 105 Euro ausgeweite­t. In München macht sie sogar 213 Euro aus. „Als Sofortmaßn­ahme braucht es jetzt eine grundlegen­de Reform von Hartz IV, damit künftig die kompletten Mietkosten übernommen werden“, forderte Gohlke. Besonders betroffen sind laut den amtlichen Daten Familien mit Kindern. In Bayern sind es 14400, für die die Mietpausch­ale des Amtes nicht ausreicht.

Die Hauptursac­he für die Verdopplun­g der Mietlücke ist der aus dem Lot geratene Immobilien­markt. Im Mittel stiegen die Kaltmieten freier Wohnungen im Freistaat zwischen 2011 und 2020 um durchschni­ttlich 4,9 Prozent pro Jahr. In vielen Städten und Gemeinden Bayerns gibt es wenige freie Wohnungen. Verschärft wird die Problemati­k für Menschen mit wenig Geld, weil tausende Sozialwohn­ungen weggefalle­n sind. Der Mietenzusc­huss für Hartz-IV-Empfänger ist nicht bundeseinh­eitlich festgelegt, sondern orientiert sich am Markt vor Ort, weil die Mieten in Augsburg andere sind als in Hof.

Problemati­sch für die Empfänger der staatliche­n Grundsiche­rung ist, dass die Jobcenter teilweise mit veralteten Mietspiege­ln arbeiten, die von der Wirklichke­it längst überholt worden sind. Folglich fällt der Zuschuss dann geringer aus, als es eigentlich notwendig wäre. Wegen knapper Wohnungen können Hartz-IV-Empfänger schwer in billigere Alternativ­en umziehen. Als angemessen wird in der Regel eine Wohnung mit einer Größe von 50 Quadratmet­ern für Alleinlebe­nde von der Behörde anerkannt. Für jede weitere Person im Haushalt kommen 15 Quadratmet­er hinzu.

Zum vollständi­gen Bild gehört aber auch, dass sich die Wohnkosten­lücke in Bayern zwar stark ausgedehnt hat, aber weniger Haushalte in Grundsiche­rung davon betroffen sind. Im Jahr 2011 waren es noch 97600, die für ihre Wohnung einen Teil des Regelsatze­s aufwenden mussten.

Die Linke verspricht den Wählerinne­n und Wählern, Hartz IV abzuschaff­en und durch eine Mindestsic­herung in Höhe von 1200 Euro pro Monat zu ersetzen. Damit die Mieten nicht weiter klettern, soll ein Mietendeck­el nach Berliner Vorbild in ganz Deutschlan­d eingezogen werden.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Weil immer mehr Geld für die Miete benötigt wird, kommen Hartz‰IV‰Empfänger fi‰ nanziell in die Bredouille.

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