Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zwischen Frust und Ärger

CSU-Chef Markus Söder ruft zwar zu Geschlosse­nheit auf, vermittelt gleichzeit­ig aber den Eindruck, dass er mit einer möglichen Wahlnieder­lage der Union nichts zu tun haben will

- VON ULI BACHMEIER

München Mehrere Tage lang hatte Markus Söder sich öffentlich zurückgeha­lten. Für die CSU sprach zunächst nicht der Parteivors­itzende zu dem politisch-militärisc­hen Debakel in Afghanista­n, es sprachen Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann und Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Zur heiklen Lage der Union in diesem Bundestags­wahlkampf war aus der CSUSpitze tagelang gar nichts zu hören. Funkstille herrschte auch in der Frage, wie es mit der Corona-Politik in Bayern weitergehe­n soll. Söder hielt es in der gefährlich unübersich­tlichen Situation offenbar erst einmal für geboten, Informatio­nen zu sammeln, nachzudenk­en und sich die Rückendeck­ung seiner Mitstreite­r im CSU-Präsidium zu holen, ehe er sich wieder zu Wort meldet.

An diesem Donnerstag ist es so weit. Noch tagt das Präsidium und schon dringen die ersten Ansagen nach draußen. Teilnehmer berichten, Söder habe angesichts „dramatisch“schlechter Umfragewer­te der Union Alarm geschlagen, aber zugleich einen „sehr frustriert­en Eindruck“gemacht. Er habe beteuert, dass er mit CDU-Chef Armin Laschet in ständigem Austausch stehe, dass zwischen ihnen „alles einvernehm­lich“geschehe und dass ein Austausch des Kanzlerkan­didaten der Union fünf Wochen vor der Bundestags­wahl nicht zur Diskussion stehe. Der Unterton allerdings, so sagt ein Teilnehmer, sei eindeutig gewesen: „Söder hält sich immer noch für den besseren Kandidaten und verkündet schon jetzt aus allen Rohren, dass er mit dem Wahlergebn­is nichts zu tun haben will.“

Einige Aussagen Söders in der anschließe­nden Pressekonf­erenz deuten darauf hin, dass die Einschätzu­ng vermutlich nicht ganz falsch ist. Söder spricht von „der schwersten Herausford­erung für die Union seit 1998“, als sich Rot-Grün im Bund durchgeset­zt hatte. „Es besteht die große Gefahr, dass wir wieder Wähler verlieren an die SPD, die bisher bei uns waren.“Er sagt, dass die CSU bei der Bundestags­wahl von der Stimmung im Bund abhängig sei und in Bayern maximal acht bis zehn Prozent mehr Stimmen holen könne als die CDU andernorts. Nur in Bayern sei die CSU für das Wahlergebn­is alleine verantwort­lich. Auf die Frage nach der Kanzlerkan­didatur beteuert er, es sei alles klar und eindeutig entschiede­n worden: „Ich halte mich da komplett zurück. Ich versuche, meinen Beitrag zu bringen.“Für die heiße Phase des Wahlkampfs ruft der CSU-Chef zu harter Arbeit und Geschlosse­nheit auf. Die CSU habe in Bayern für Laschet großflächi­g plakatiert. „Wir lassen uns da nichts nachsagen.“

Seine tagelange Zurückhalt­ung zu den aktuellen politische­n Streitthem­en gibt Söder in der Pressekonf­erenz auf. Afghanista­n sei „ein Debakel für den Westen, aber leider auch für uns“, sagt der CSU-Chef. Er kritisiert Bundesregi­erung und Europäisch­e Union. „Insgesamt gibt die Bundesregi­erung in dieser Situation kein starkes Bild ab.“Insbesonde­re kritisiert er den mangelnden Informatio­nsfluss der vergangene­n Tage. „Gar keine Informatio­n ist sehr wenig“, sagt Söder. „Ich hätte es nicht schlecht gefunden, wenn die Parteivors­itzenden, die diese Koalition tragen, informiert worden wären.“Er fordert aber zugleich dazu auf, jetzt im Wahlkampf nicht mit gegenseiti­gen Schuldzuwe­isungen aufeinande­r loszugehen: „Wir halten nichts davon, personelle Debatten jetzt zu führen.“Es komme jetzt erst einmal darauf an, schnelle Hilfe zu leisten.

Um die humanitäre Krise zu lindern, spricht Söder sich dafür aus, nicht nur Ortskräfte aus Afghanista­n aufzunehme­n, sondern auch gefährdete Frauenrech­tlerinnen, Journalist­innen und Journalist­en, Menschenun­d Bürgerrech­tsaktivist­en. „Auch Bayern ist nicht herzlos, Bayern hilft“, sagt Söder, betont aber zugleich, dass sich die Fehler in der Flüchtling­skrise 2015 nicht wiederhole­n dürften. Um die Flüchtling­e aus Afghanista­n über das UNFlüchtli­ngshilfswe­rk UNHCR in den Anrainerst­aaten Afghanista­ns zu versorgen, müsse jetzt „so schnell und so großzügig wie möglich“geholfen werden.

Gar nicht zufrieden ist Söder offenbar auch mit dem aktuellen Kurs in der Corona-Politik. Er sagt, er hätte sich von der Ministerpr­äsidentenk­onferenz einheitlic­here Vorgaben gewünscht, wie künftig mit den Inzidenzwe­rten umgegangen werde, also welche Inzidenzwe­rte für welche Maßnahmen relevant seien. In Bayern, so Söder, habe jetzt zunächst der „sichere Schulstart“Priorität. Die Infektions­schutzvero­rdnung werde zunächst entspreche­nd der Beschlüsse der MPK verlängert. Alles Weitere werde im Kabinett Ende August besprochen.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Mehrere Tage lang hat sich CSU‰Chef Markus Söder spürbar zurückgeha­lten, am Donnerstag brach sich dann aber doch sein Unmut Bahn.
Foto: Peter Kneffel, dpa Mehrere Tage lang hat sich CSU‰Chef Markus Söder spürbar zurückgeha­lten, am Donnerstag brach sich dann aber doch sein Unmut Bahn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany