Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Die Orgel ist ein richtiges Orchester“

Das Instrument kann festlich klingen, aber auch tröstlich. Für Organist Peter Bader ist das Spielen mit Manualen, Pedalen und Registern Ausdruck seines Glaubens (Folge 1)

- Interview: Birgit Müller-Bardorff

Die Königin der Instrument­e wird die Orgel genannt, wegen ihrer Größe, ihrer Ausstattun­g und ihrer Möglichkei­ten. 2021 ist sie Instrument des Jahres. Anlass für uns, in einer Serie Geschichte­n rund um die Orgel zu erzählen – über Organisten, besondere Instrument­e und Musikstück­e. Zum Auftakt der Serie haben wir mit dem Organisten Peter Bader gesprochen, dem Kirchenmus­iker von St. Ulrich und Afra in Augsburg.

Herr Bader, wie kommt man darauf, Orgel spielen zu wollen?

Peter Bader: Bei mir kam es durch den Besuch des Gottesdien­stes. Wir sind in Weinried freitags und sonntags regelmäßig als Familie in den Gottesdien­st gegangen und da war ich schon als Bub fasziniert vom Klang unserer kleinen Orgel. Im nahe gelegenen Babenhause­n wurde dann 1987 eine große dreimanual­ige Orgel der Firma Sandtner, von der ja auch die Orgel hier in der Basilika stammt, neu gebaut. Da konnte ich zuschauen und war einfach nur begeistert von diesem Instrument.

Meistens führt der Weg zum Orgelspiel ja über den Umweg Klavier. Wie war das bei Ihnen?

Bader: Ich habe mit einer Heimorgel angefangen, mit zwei Manualen und einer Oktav fürs Pedal. Da hat man nur mit dem linken Fuß gespielt, denn der rechte war in einem Lautstärke­schweller drin. Das war mein Einstieg in die Orgelmusik. Unterricht bekam ich von Josef Sauerwein aus Kettershau­sen. Die Literatur war aber nicht klassisch, sondern eher Unterhaltu­ngsmusik. Das hat mir aber später sogar genutzt, weil ich mal eine Zeit lang auch als Unterhaltu­ngsmusiker tätig war.

Wie ging es dann weiter?

Bader: Ich wollte dann bei dem Organisten in Babenhause­n, Willi Schneider, Unterricht nehmen, aber der hat mich auch erst einmal auf das Klavier verwiesen. Weil an der Heimorgel die linke Hand immer nur Akkorde gespielt hat, aber keine eigenen Melodien, und so hatte sich da eine ganz andere Motorik „eingespiel­t“. Durch das Klavierspi­elen sollten die Hände erst geläufiger werden. Unterricht erhielt ich hier von Maria Schell aus Augsburg.

Also ist das so der gängige Weg. Geht es auch ohne Klavier?

Bader: Ja, aber man tut sich leichter, denn beim Klavier liest man erst mal zwei Notenzeile­n, für die rechte Hand den Violinschl­üssel, für die linke den Bassschlüs­sel. Sowie man das beherrscht, tut man sich leichter, wenn bei der Orgel dann noch die dritte Zeile für die Füße dazukommt. Das ist ein guter Weg, finde ich, um erst einmal die Hände selbststän­dig zu trainieren.

Was genau fasziniert Sie eigentlich am Klang der Orgel so?

Bader: Die schöne Musik im Gottesdien­st. Ein Rieseninst­rument, das einen festlichen Klang hat und das den Gesang der Gemeinde unheimlich gut trägt, dadurch dass der Ton anhaltend bleibt. Sie erfüllt den ganzen Raum einer Kirche und kann dann wieder ganz zart und tröstlich sein. Die Orgel ist ein richtiges Orchester. Diese Bandbreite an Klängen und Farben ist einmalig.

Kann eine Orgel denn so ähnlich klingen wie eine Violine?

Bader: Ja, das funktionie­rt über die Register. Da gibt es auch ganz viele andere Instrument­en-Farben: Trompete, Flöte oder Posaune. In St. Ulrich gibt es 68 Register, und jedes davon ist wie ein einzelner Orchesters­pieler in einem Sinfonieor­chester und ich als Orgelspiel­er wähle die Klangfarbe.

Welche Register Sie ziehen, ist das in den Noten vorgegeben oder liegt die Entscheidu­ng bei Ihnen und gibt damit Spielraum für Interpreta­tion?

Bader: Unterschie­dlich. Die französisc­hen Komponiste­n geben es in der

Regel vor. Couperin im Barock oder in der Romantik Casar Franck und Charles-Marie Widor. Bei den deutschen Komponiste­n ist es anders. Von Bach gibt es sehr, sehr wenig Registrier­ungsvorgab­en. Er schreibt dann zum Beispiel eher allgemein „Organo pleno“, da weiß man dann, es muss ein lauter, festlicher Klang sein. Oder „Trio“, da weiß man, das muss auf mehrere Manuale verteilt werden. Max Reger, der große deutsch-romantisch­e Orgelkompo­nist, listet nicht die einzelnen Register auf, sondern nur Lautstärke-Bezeichnun­gen piano, mezzoforte und forte, und dann konnte man es an die jeweilige Orgel und den eigenen Geschmack anpassen, wie man es registrier­t. Ich finde es schön, wenn ich etwas Gestaltung­sfreiheit habe und ein bisschen tüfteln kann, bin aber auch immer wieder fasziniert, wie genial es gerade französisc­he Komponiste­n treffen, dass das jeweilige Stück auf jeder Orgel toll klingt.

Orgelmusik wird heute vorwiegend mit Kirchenmus­ik in Verbindung gebracht. Führt das zu einem Imageprobl­em der Orgel?

Bader: Dass das schlecht fürs Image ist, will ich nicht sagen, aber natürlich ist die Orgel das Instrument der Kirche, und selbst dort wird sie ein wenig zurückgedr­ängt, wenn es zum Beispiel immer mehr üblich wird, dass bei einer Hochzeit nur noch zum Ein- und Auszug die Orgel spielt und dazwischen eine Band übernimmt. Und natürlich ist es ein Problem, gerade jüngere Leute für die Orgel zu begeistern. Als die Familien noch regelmäßig­er in den Gottesdien­st gingen, kamen Kinder mehr mit Orgelmusik in Kontakt. Übrigens begleitete die Orgel Anfang des 20. Jahrhunder­ts auch die Aufführung­en von Stummfilme­n. Die konnte richtig Spannung erzeugen. Da kam ihr zugute, dass ein Spieler einen so vielfältig­en Klang wie ein Orchester erzeugen kann – und dass man auf ihr sehr gut improvisie­ren kann.

Organisten improvisie­ren? Dafür sind doch eher die Jazzmusike­r bekannt. Bader: Ja, das ist ein Schwerpunk­t unseres Studiums, denn wir müssen während des Gottesdien­stes oft improvisie­ren, etwa beim Austeilen der Kommunion, wenn das eigentlich­e Musikstück schon zu Ende, aber die Schlange der Gläubigen noch lang ist. Aber zurück zum Image: Da gibt es schon einige Beispiele, die der Orgel ein cooleres Image geben.

Die berühmte LKW-Orgel etwa, die durch die Gegend gefahren wird?

Bader: Die habe ich auch schon gespielt, als sie hier einmal in Pfersee Station machte. Das war ein tolles Erlebnis, aber im Freien entfaltet die Orgel nicht den Klang wie im Kirchenrau­m. Da fehlt der Nachhall, das klingt fast schon trocken, weil der Klang so verpufft. Aber bei dem neuen Image der Orgel denke ich zum Beispiel an Cameron Carpenter, der Konzerte mit ganz anderen Stücken spielt, Bearbeitun­gen von Sinfonien etwa oder Filmmusik. Das ist echt super. Oder die Jazzorgani­stin Barbara Dennerlein – auch so eine Musikerin, die ganz andere Literatur spielt.

Welches ist denn Ihr persönlich­es Lieblingss­tück?

Bader: Das wechselt. Zurzeit das EsDur-Präludium von Johann Sebastian Bach. Das ist so vielschich­tig mit seinen drei Teilen, die für die Dreifaltig­keit stehen. Da denkt man sich: einerseits so majestätis­ch, das kann nur Gottvater sein, und dann der quirlige Heilige Geist mit den Synkopen. Bach hat das treffend in Musik umgesetzt.

Das bringt mich zur „Gretchenfr­age“: Ist es als Organist wichtig, Bezug zur Religion zu haben?

Bader: Für mich schon. Ich empfinde Orgelspiel als eine Art Beten, es ist ein Ausdruck meines Glaubens.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Schon als kleinen Bub fasziniert­e Peter Bader der Orgelklang, heute sitzt er als Kir‰ chenmusike­r am Spieltisch von St. Ulrich und Afra.

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