Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was Analysten von Fans unterschei­det

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Selbstvers­tändlich gibt es auch einzelne Individuen, die aus der Art geschlagen sind. Stefan Reinartz beispielsw­eise. Ein Kicker in Diensten des Bayer-Kreuzes und damit hätte es auch gut sein können. Die Leverkusen­er tragen ja sogar die Zahlen 0 und 4 in ihrem Namen und geben somit einen Hinweis auf die vorrangig beliebte Simplizitä­t des Fußballs. Deshalb ist er ja so hoch angesehen. Jeder versteht das Ergebnis. Wer ein Tor mehr schießt als der Gegner, hat gewonnen. Möglicherw­eise ist Corona auch deshalb nicht sonderlich gut in der Gesellscha­ft gelitten.

Kein Fußballfan beschäftig­t sich normalerwe­ise mit Zahlen, die sich jenseits von 6 oder 7 befinden. Mehr Tore haben in einem Spiel nicht zu fallen. Seit über einem Jahr aber: Inzidenz, und die Frage, ob sie über oder unter 35 liegt. Dazu noch eine drohende Corona-Ampel, die sich möglicherw­eise aus unterschie­dlichen Kennzahlen ergibt. Als müsste man geschossen­e Tore mit der Zuschauerz­ahl multiplizi­eren und den Intelligen­zquotiente­n des Maskottche­ns abziehen. Positivquo­te, Impfquote. Viel zu viele Zahlen für den gemeinen Fußballfan.

Und dann gibt es Ausnahmen. Stefan Reinartz eben. Der sich nach seiner Karriere auf die Suche nach tieferlieg­enden Erkenntnis­sen machte, warum ein Spiel 5:1 und nicht 0:3 endet. Mit dem sogenannte­n „Packing“meinte er, den heiligen Zapfhahn des Fußballs entdeckt zu haben. Kurz gefasst: Wer mehr Gegenspiel­er mit dem Ball überspielt, hat bessere Chancen, zu gewinnen. Fußball aber ist nicht beliebt, weil Analysten Striche machen, wenn Niklas Süle den Ball über das halbe Feld huft. Der Sport ist attraktiv, weil er eben nicht vorherzuse­hen ist. Nicht einmal von den Trainern.

Portos Trainer Sérgio Conceição beispielsw­eise zertrümmer­te unlängst mit der Hand die Plexiglass­cheibe der Trainerban­k. Sein

Team hatte in der vierten Minute der Nachspielz­eit den Ausgleich kassiert. Eine verständli­che Reaktion. Mit dem Remis war nicht mehr zu rechnen. Dann aber: Videobewei­s, Tor annulliert, Freude bei Porto. Die Scheibe aber blieb zerborsten. Wenn aber gar kein Tor gefallen ist: Kann sie dann wirklich kaputt sein? Analysten sind sich da nicht sicher.

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Stefan Reinartz
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