Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Erinnerungen an „Klimas“größtes Abenteuer
Vor 50 Jahren wechselte Uwe Klimaschefski trotz einiger Bedenken als erster deutscher Trainer nach Israel. Noch heute erzählt er begeistert von seiner damaligen Mannschaft
Bremerhaven Das größte sportliche Abenteuer seiner Karriere hatte Uwe Klimaschefski der Eigenmächtigkeit eines berühmten Trainerkollegen zu verdanken. Weil Hennes Weisweiler im Jahr 1971 einen Fußball-Aufbauhelfer für Israel suchte, kam der Bremerhavener ins Spiel. Trotz einiger Bedenken, ob er als Deutscher mit Anfeindungen wegen der Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden in der Nazi-Zeit zu rechnen habe, löste Klimaschefski sein Engagement als Trainer beim FC Homburg und sagte bei Hapoel Haifa zu. „Ich habe diese Entscheidung nie bereut“, sagt der heute 82-Jährige, der anderthalb Jahre in Haifa blieb – als erster deutscher Fußball-Trainer in Israel.
Klimaschefski hatte die Fußballschuhe bereits mit 31 Jahren an den Nagel gehängt. „Meine Knochen waren kaputt“, erinnert sich der einstige Abwehrspieler, der sich über seinen Heimatverein TuS Bremerhaven 93 und Bayer Leverkusen bis in die Bundesliga zu Hertha BSC und dem 1. FC Kaiserslautern hocharbeiten konnte. Da er sein Geld weiter mit Fußball verdienen wollte, schlug der Sohn eines Hafenarbeiters die Trainer-Laufbahn ein. In den späten 70er und in den 80er Jahren sollte Klimaschefski überregional bekannt werden, weil der knorrige Bremerhavener immer für einen Spruch oder eine Anekdote gut war – das brachte seinen Klubs mediale Aufmerksamkeit, sprich: Schlagzeilen.
Seine Arbeit in Israel ist dagegen weniger bekannt, obwohl Klimaschefski vor 50 Jahren ein echter Pionier war. In diese Rolle war er aber unfreiwillig geraten, sein Ausbilder an der Deutschen Sporthochschule in Köln spielte dabei eine große Rolle: „Ich habe am letzten Trainerlehrgang von Hennes Weisweiler teilgenommen. Da habe ich dann unter anderem mit Otto Rehhagel und Siggi Held gesessen.“
Als Trainer von Borussia Mönchengladbach hatte Weisweiler erste Kontakte nach Israel geknüpft und sich mit dem späteren Nationaltrainer Israels, Emanuel Schaffer, angefreundet, der in Recklinghausen aufgewachsen war. Schaffer und Weisweiler verband eine Männerfreundschaft. Beide sorgten dafür, dass israelische Fußballer in Köln ihre Trainer-Ausbildung erhielten. Zudem schrieb Weisweiler mit seiner „Fohlen-Elf“Geschichte – 1970 reisten die Gladbacher zu einem Freundschaftsspiel gegen Israels Nationalmannschaft nach Tel Aviv. Wie bedeutend die erste Israel-Reise eines Bundesligisten war, verdeutlicht der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Manfred Lämmer: „Niemand konnte sich nach dem barbarischen Vernichtungsfeldzug des NSRegimes gegen das jüdische Volk vorstellen, dass deutsche und jüdische Sportler sich je wieder gemeinsam im friedlichen Wettkampf begegnen würden.“
Mit seiner Idee, einen deutschen Trainer nach Israel zu schicken, erwischte Weisweiler seinen ehemaligen Schüler auf dem falschen Fuß. „Er hat mich angerufen und gesagt: ,Uwe, ich habe da eine Stelle für dich. Du musst nach Israel.‘ Ich habe ihm gesagt, dass das nicht geht, weil ich schon in Homburg unterschrieben hatte. Darauf meinte er: ,Ich habe denen schon zugesagt.‘“Auf Weisweilers Angebot, die Sache mit den Homburgern zu klären, ging Klimaschefski nicht ein: „Das musste ich schon selber machen.“
Der legendäre Präsident der Saarländer, Udo Geitlinger, hatte eine Schwäche für den Coach aus Bremerhaven. „Geitlinger wollte mich erst nicht aus meinem Vertrag rauslassen, hat es dann aber doch gemacht, als ich ihm einen Nachfolger besorgt habe. Außerdem musste ich ihm versprechen, dass ich nach
Homburg zurückkehre, wenn ich aus Israel weggehe“, erzählt „Klima“, wie das Nordlicht in der Fußball-Welt genannt wird.
Klimaschefski räumt ein, dass ihm die Entscheidung, nach Israel zu gehen, schwergefallen ist. Zum einen stand der junge Staat im Kreuzfeuer seiner arabischen Nachbarn, die das Existenzrecht Israels leugneten. Der Nahost-Konflikt war 1967 im Sechs-Tage-Krieg eskaliert, der mit einem Sieg Israels endete. Dass die arabischen Staaten die Niederlage nicht hinnehmen würden und einen neuen Waffengang vorbereiteten, war aber schon 1971 klar – zwei Jahre später begann der Jom-Kippur-Krieg.
Für einen Deutschen gab es aber noch andere Gründe als Sicherheitsbedenken, von einem Israel-Aufenthalt abzusehen. Die Nürnberger Gesetze, das Warschauer Ghetto, die Konzentrationslager – all diese NS-Untaten gegen Juden, die in Deutschland zum Teil immer noch verdrängt wurden, waren in Israel stets präsent.
Deshalb nutzte Klimaschefski die Gelegenheit, seinem künftigen Team einen Besuch abzustatten, als Hapoel Haifa gerade im Trainingslager in Karlsruhe weilte: „Ich bin da hingefahren, um mir die Jungs mal anzuschauen.“Das Treffen war ein Erfolg, weil zahlreiche HapoelKicker deutsch sprachen – die von ihm befürchteten Verständigungsprobleme waren damit schon mal vom Tisch. Zudem versicherten ihm die Spieler, dass man ihn in Haifa mit offenen Armen aufnehmen würde: „Ich hatte ein bisschen Angst, aber das hat mich beruhigt.“Zumal ihn die sportliche Perspektive lockte: „Mit Homburg war ich in der dritten Liga, aber Hapoel war Erstligist. Ich wollte das unbedingt machen.“In Israel zeigte sich, dass seine Spieler ihm nicht zu viel versprochen hatten. Der deutsche Trainer genoss ein hohes Ansehen. Die Menschen suchten das Gespräch mit dem Ex-Profi, den sie noch vom Bildschirm kannten: „Die Fernseher waren so eingestellt, dass man Bundesliga gucken konnte.“Anfeindungen habe es nicht gegeben: „Es gab überhaupt keine Probleme, was mich sehr gewundert hat. Wenn ich mit meinem BMW mit deutschem Kennzeichen durch die Gegend gefahren bin, wurde ich oft angesprochen. Die waren alle nett zu mir.“
Klimaschefski war zunächst ohne seine Frau und die beiden Töchter nach Haifa gezogen. Sie kamen erst später nach. Da seine Töchter unter Heimweh nach Deutschland litten, endete sein Israel-Abenteuer nach rund anderthalb Jahren. Der Bremerhavener, der Klubs wie Hertha BSC, den 1. FC Saarbrücken, den FC St. Gallen und fünfmal den FC Homburg trainieren sollte, macht keinen Hehl daraus, dass die Zeit in Haifa mit zum Besten gehört, was ihm in seinem Leben passiert ist. „Ich stehe immer noch in Kontakt mit meinen ehemaligen Spielern. Wenn einer in Deutschland ist, schaut er vorbei“, sagt der 82-Jährige, der in Homburg lebt. Vor ein paar Tagen kam wieder ein Anruf aus Israel – anlässlich des Pokalsieges vor 50 Jahren plant die HapoelMannschaft ein Treffen, an dem ihr alter Coach unbedingt teilnehmen soll. „Ich schaue mal, ob ich das hinbekomme“, sagt Klimaschefski, der sich um seine gesundheitlich angeschlagene Frau kümmert.