Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Dieser Franzose hat ein Herz für Augsburg
Frédéric Zucco lebt seit vielen Jahren in der Fuggerstadt. Jetzt hat er ein Amt inne, in dem er seinen Landsleuten beistehen kann. Was sich der 63-Jährige von den Deutschen noch wünscht
Frédéric Zucco lebt seit 1987 in Augsburg und verschwendet keinen Gedanken daran, das zu ändern. Doch wenn er das Feinkostgeschäft Chez Léo in der Nähe des Fischertors betritt, kommt der Franzose in ihm beim Anblick von Cidre und Crémant, Baguette und Croissants wieder durch. „Ich komme nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zum Diskutieren hierher“, verrät der 63-Jährige. Längst ist Zucco in der deutschen Sprache absolut sattelfest, nur der charmante Akzent verrät seine Herkunft. Dass zwei Herzen in seiner Brust schlagen, belegt auch seine doppelte Staatsbürgerschaft.
Wie viel dem Augsburger seine Herkunft bedeutet, zeigt sich in seiner neuen Aufgabe: Der gebürtige Pariser ist einer von weltweit 447 Französinnen und Franzosen, die ihre im Ausland lebenden Landsleute beraten und vertreten. Deutschland ist in diesem Gremium mit 17 Personen präsent. „Es ist das erste Mal, dass ein Augsburger, ein Schwabe, gewählt wurde“, sagt Zucco nicht ohne Stolz. Den Conseiller siedelt er zwischen einem Stadtrat und einem Abgeordneten an. Von der politischen Macht sei das Amt in etwa mit einem Betriebsrat in einem großen Konzern vergleichbar, erklärt der frisch gewählte Amtsinhaber.
In Süddeutschland leben nach Kenntnis von Frédéric Zucco mehr als 60.000 Französinnen und Franzosen, in Augsburg dürften es rund 1000 sein. Eine exakte Zahl gebe es nicht, da viele seiner Landsleute wie er die doppelte Staatsbürgerschaft haben und dadurch in den Statistiken als Deutsche auftreten. Deswegen zu glauben, dass es das vermittelnde und Weg weisende Amt des Conseillers gar nicht braucht, sei falsch. „Viele kommen bei Fragen und Problemen mit der Rente oder Sozialversicherung auf uns zu.“Vor allem Landsleute, die in mehreren Ländern gelebt haben, kämpften hier mit einer Riesenbürokratie. Als jemand, der ganz neu Rentner ist, kann der 63-Jährige selbst ein Lied davon singen.
Dass der Franzose vor 34 Jahren ein Augsburger wurde, hängt mit seinem Beruf zusammen - und mit seinem Herzen. Als es darum gegangen sei, ob seine Partnerin - die er im Urlaub auf Kreta kennengelernt hatte - zu ihm nach Paris oder er zu ihr nach Augsburg ziehen sollte, entschied er sich zum Ortswechsel. „Als Systemmanager in der ITBranche hatte ich eher Chancen, einen Job im Ausland zu finden, als sie.“Frédéric Zucco sollte recht behalten. Sein ganzes Berufsleben in der Wahlheimat war er für die MAN tätig.
Fast ebenso lange engagiert sich der Informatiker in seiner Freizeit ehrenamtlich: Sei es bei den AugsGrünen, der AFF (Vereinigung der Französisch sprechenden Familien), dem Integrationsbeirat oder dem Verein Tür an Tür. Eine vielfältige Gesellschaft, in der alle Nationen und Kulturen gleichberechtigt sind, liegt ihm besonders am Herzen. Er wisse, dass er es als Franzose einfacher hatte, sich zu integrieren und integriert zu werden, als Einwanderer aus manch anderen Ländern. „Wenn ich mit meinen Kindern Französisch spreche, finden das alle toll.“Ein Vater hingegen, der mit seinen Kindern Türkisch oder Arabisch spreche, ecke damit an. Dass es auch in Deutschland immer noch eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der Migrantinnen und Migranten gebe, tue ihm weh, sagt der Vater dreier erwachsener Kinder.
In seiner alten Heimat war Zucco zuletzt 2019. Wegen Corona und den aktuell hohen Inzidenzahlen habe er auch in diesem Sommer darauf verzichtet, seine Geschwister zu besuchen, und stattdessen seinen Urlaub lieber am Bodensee verbracht. Dennoch verfolgt er genau, was sich in Frankreich in politischer Hinsicht tut. „Präsident Macron ist wegen seiner autoritären und unsozialen Politik beim Volk mittlerweile sehr unbeliebt“, sagt er. Da sei die Außensicht klar besser als die Innensicht. Zucco befürchtet, dass die populistischen Parteien bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr von der Unzufriedenheit seiner Landsleute profitieren werden. Er werde sich an der Wahl beteiligen und sei in die entsprechende Liste im Konsulat in München eingetraburger gen. Als Deutscher blickt der 63-Jährige aber auch mit Spannung auf die Bundestagswahl in wenigen Wochen.
Zucco scheint als Europäer gut mit seinen zwei Nationalitäten klarzukommen. Der Franzose hat auch nur einen Wunsch an die Menschen in seiner Wahlheimat: „Es wäre schön, wenn die Deutschen etwas lockerer würden.“Mit einem Gläschen Cidre oder Crémant wäre das doch zu schaffen ... oder mit Chianti. Schließlich steckt in dem gebürtigen Pariser auch noch ein Italiener. Seine Eltern stammten aus dem südöstlich gelegenen Nachbarland - daher der Name Zucco. „Sie waren so um Integration bemüht, dass sie mit uns nur Französisch gesprochen haben“, sagt ihr Sohn fast ein wenig bedauernd.