Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie es dem schwäbisch­en Tourismus geht

Kaum eine Branche hat so unter Corona gelitten wie das Hotel- und Gaststätte­ngewerbe. Wie ist die Sommersais­on bis jetzt gelaufen? Das größte Problem ist derzeit der Fachkräfte­mangel, die größte Sorge ein weiterer Lockdown

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Martin Neumeister fragt, was alle in der bayerisch-schwäbisch­en Tourismusb­ranche sich gerade sorgenvoll fragen: „Was kommt jetzt?“Wie Hoteliers und Gastwirte hat auch der Prokurist des Legolandes in Günzburg die immer weiter steigenden Infektions­zahlen im Blick. Das Robert-Koch-Institut bestätigt, dass die Delta-Variante des Coronaviru­s die vierte Pandemiewe­lle anschwelle­n lässt. Und zwar rund fünf Wochen früher als im vergangene­n Sommer. Droht zum Herbst hin etwa ein neuer Lockdown?

Für Hoteliers, Gastwirte und die Freizeitin­dustrie gilt: Das ist unter allen Umständen zu vermeiden. Neumeister sagt: „Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass es erneut zu einem Lockdown, geschweige denn einem harten Lockdown, kommt. Dann müsste man grundsätzl­ich neu denken. Wir sind darauf ausgelegt, acht Monate pro Jahr geöffnet zu haben. Und nicht nur vier.“Unter den gegebenen Umständen sei er mit dem Geschäftsv­erlauf in dieser Saison „zufrieden“. Neumeister sagt, man komme dieses Jahr auf 70 Prozent der Besucherza­hlen im Vergleich zum Vorkrisenj­ahr 2019. Die derzeitige­n Planungen beschäftig­en sich eigentlich längst mit 2022. Das Legoland öffnete heuer im Juni, hat noch bis Oktober geöffnet, geht dann aber in die Winterpaus­e.

Für eine endgültige Bilanz der Sommersais­on ist es für die gesamte Branche noch zu früh, aber Tendenzen sind schon erkennbar. In Schwaben hat es laut Bayerische­n Landesamte­s für Statistik 2545988 Übernachtu­ngen gegeben. Das sind 41,2 Prozent weniger als im Vorjahresz­eitraum und nochmals deutlich weniger als 2019. Da wurden in der ersten Jahreshälf­te 7731700 Übernachtu­ngen registrier­t. In ganz Bayern arbeiten in der Hotellerie- und Gastwirtsc­haft 450000 Mitarbeite­r in 40 000 Betrieben.

Der Allgäuer Robert Frank betreibt mit seiner Familie in Oberstdorf das „Franks“, ein Fünf-SterneHaus. Er zieht für den Sommer folgendes vorläufige­s Fazit: „In der Ferienhote­llerie und Gastronomi­e – nicht für das ganze Jahr, aber für die Sommersais­on bis in den Herbst – konnten wir das Geschäft teilweise aufholen und kompensier­en.“Er stellt sich im Allgäu perspektiv­isch auf eine weitgehend normale Skisaison ein. Auch er sagt: „Ein nächster Lockdown ist unter allen Umständen zu vermeiden.“Frank hat regional einen guten Überblick, denn er ist im Tourismus-Ausschuss der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben aktiv. Grundsätzl­ich bemängelt er, dass seine Branche – trotz funktionie­render Hygienekon­zepte – immer zu den Ersten gehöre, die dichtmache­n solle, und zu den Letzten, die wieder aufsperren dürfe. Sorgen macht ihm die Situation der Kollegen in der Stadt-Hotellerie und der Veranstalt­ergastrono­mie mit internatio­nalen Gästen. „Die brauchen noch weitere Hilfen.“Der IHK Schwaben wird von den Unternehme­n berichtet, dass der Geschäftsk­undenberei­ch um bis zu 70 Prozent eingebroch­en sei. Legoland-Prokurist Neumeister sagt: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass im Geschäftsk­undenberei­ch das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wird. Die Branche wird sich da neu strukturie­ren müssen.“

Ein weiteres großes Branchenpr­oblem ist der Fachkräfte­mangel. Ulrike Weber, IHK-TourismusE­xpertin, sagt: „Der Markt ist wie leer gefegt. Fachkräfte fehlen überall in der Branche. Viele haben sich umorientie­rt, weil das Hotellerie­und Gaststätte­ngeschäft wegen Corona so unsicher geworden ist.“Ganz schlimm sei es bei den 450-Euro-Aushilfen, die würden besonders dringend gesucht. Sie sagt: „Es ist schwierige­r, Personal als Gäste zu finden.“Wenn sich am Personalma­ngel nichts ändere, könne das auch zu Betriebssc­hließungen führen.

Die befürchtet­e Pleitewell­e sei laut Weber in der Branche bisher ausgeblieb­en. Aber: „Es ist sehr viel Bewegung am Markt. Es machen viele kurzfristi­g zu. Und genauso schnell macht jemand wieder auf. In der Klein-Gastronomi­e gibt es eher ein leises Sterben.“

Am Freitagnac­hmittag teilte die Bayerische Staatsregi­erung – wie erwartet – mit, dass ab dem kommenden Montag neue Corona-Regeln gelten. Laut Gesundheit­sminister Klaus Holetschek wird dann der Schwellenw­ert für Tests „weitestgeh­end“von einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 auf 35 abgesenkt.

Unabhängig davon, was das im Einzelnen und genau für die Hoteliers bedeuten wird, kommentier­te Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes, das auf Anfrage so: „Es sind Verschärfu­ngen, die an einem Wert festgemach­t werden, der nach unserer Ansicht nicht das Pandemie-Geschehen widerspieg­elt. Wir sollten dringend einen neuen Maßstab finden. Wir hätten uns auf Basis der 3-G-Regeln (geimpft, genesen, getestet) mehr Erleichter­ungen erhofft.“In BadenWürtt­emberg würden sogar die Clubs geöffnet.

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Foto: Ralf Lienert Nein, so soll es nicht noch einmal werden. Nachdem Gastronomi­e und Tourismus in diesen Sommertage­n einen Teil des ausge‰ fallenen Umsatzes nachholen können, fürchten sie für den Herbst bereits neue Einschränk­ungen.

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