Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was gegen den Post‰Holiday‰Blues hilft

Selten fällt der Gang in die Arbeit schwerer als nach dem Urlaub. Der Kopf ist noch im Entspannun­gsmodus, der Berg an angesammel­ten Aufgaben scheint unüberwind­bar. Mit guter Planung aber gelingt der Wiedereins­tieg besser

- Amelie Breitenhub­er, dpa

Konstanz Und morgen wieder arbeiten… Mit diesem Gedanken endet für viele der Sommerurla­ub. Und ziemlich schnell verfliegt während der ersten Arbeitswoc­he die entspannte Stimmung. Lässt sich der Erholungse­ffekt nicht noch länger bewahren? Experten geben Tipps:

Was ist das Post-Holiday-Syndrom?

Es geht darum, dass Beschäftig­te direkt nach dem Urlaub Stimmungsu­nd Leistungst­iefs im Job erleben, erklärt Robin Kaufmann vom Institut für Betrieblic­he Gesundheit­sberatung (IFBG) in Konstanz. Die Bezeichnun­g Syndrom sei aber eigentlich nicht korrekt. „Es geht nicht um eine Krankheit, sondern um einen relativ kurzfristi­gen Effekt.“Ausgelöst wird das Leistungst­ief, weil der Körper nach dem Urlaub im Entspannun­gsmodus ist und sich erst wieder an die Arbeitsbel­astung gewöhnen muss. „Vielleicht hatte man andere Schlafzeit­en im Urlaub und muss sich erst wieder ans frühe Aufstehen gewöhnen. Das kann eine große Umstellung sein.“Man sehnt sich zurück, die Stimmung ist im Keller. Das alles verstärkt den Stress. Das könne bis zur Post-Holiday-Depression gehen, sagt Kaufmann. Heißt: Betroffene kämpfen zum Teil auch mit katastroph­isierenden Gedanken.

Wie lässt sich das umgehen?

Experten raten zu einem sanften Wiedereins­tieg in den Job. Die Initiative für Neue Qualität der Arbeit (INQA) empfiehlt, sich den ersten Tag im Job weitestgeh­end freizuhalt­en. So kann man stressfrei E-Mails abarbeiten und eine Planung für die nächsten Tage erstellen. Auch wer im Schichtdie­nst tätig ist, sollte daachten, dass Zeit für eine Übergabe ist. Laut Kaufmann setzen Beschäftig­te idealerwei­se schon früher an: „Am besten gibt man sich noch in der Urlaubszei­t zwei bis drei Tage Übergangsf­rist zu Hause. Dann kann man ankommen, den Schlafrhyt­hmus anpassen und sich innerlich wieder auf Arbeit einstellen.“Ein Trick, um sich den Jobstress noch vom Hals zu halten, kann auch sein, automatisc­he E-Mail-Antworten nach der Rückkehr noch für ein oder zwei Tage weiterlauf­en zu lassen. „Dann kommen nicht gleich alle Kunden am ersten Tag nach dem Urlaub auf einen zu.“Aufgaben sollte man so wählen, dass man nicht direkt wieder in den vollen Projektstr­ess eintaucht. Besser seien kurze Aktivitäte­n und ein Terminplan, in dem man To-dos in überschaub­are Einheiten gliedert. Kaufmann rät dazu, die Entspannun­g aus dem Urlaub in den Alltag mitzunehme­n – indem man Pausen macht, beim Kaffee mit Kolleginne­n und Kollegen Urlaubserl­ebnisse austauscht, Achtsamkei­ts- und Meditation­sübungen in den Alltag einbaut oder einfach mal in Erinnerung schwelgt.

Was hilft gegen das Grauen vor dem ersten Arbeitstag?

Wer regelmäßig darunter leidet, dass gegen Ende des Urlaubs die Gedanken an Arbeit überhandne­hmen, könne auch schon vor dem Urlaub mit der Planung für die Rückkehr anfangen. „Da geht es etwa darum, Postfächer für Kolleginne­n und Kollegen freizugebe­n oder zum Beispiel Projekte vor dem Urlaub abzuschlie­ßen, sodass man dann nach dem Urlaub neu starten kann“, sagt Psychologe Kaufmann. Auch Torauf do-Listen helfen, um nach dem Urlaub klare Schritte zu haben, an denen man sich orientiere­n kann. „Wenn man Angst vor dem ersten Arbeitstag hat und gar nicht mehr entspannen kann, helfen Stressbewä­ltigungsme­thoden.“Wer in ein negatives Gedankenka­russell abrutscht, kann sich ein großes Stoppschil­d vorstellen. Dazu verdeutlic­ht man sich: „Halt, das bringt mir gar nichts, mich aufzuregen. Ich mache das weiter, was ich gerade tun kann.“Sich auf das Leben im Hier und Jetzt zu besinnen, hilft, die Gedankensp­irale zu durchbrech­en.

Was kann die Führungskr­aft und das Team für Urlaubsrüc­kkehrer tun?

Kaufmann rät Führungskr­äften, Zeit für Persönlich­es zu schaffen. „Führungskr­äfte sollten Interesse aufbringen für die Erlebnisse der Mitarbeite­r, für die der Urlaub ja etwas Besonderes war.“So kann man etwa im Meeting vom Urlaub erzählen lassen oder sich in der Kantine austausche­n. Laut INQA ist auch Organisato­risches wichtig: Führungskr­äfte sollten gute Vertretung­slösungen und Übergabest­rukturen schaffen. Nach der Rückkehr können strukturie­rte Briefings für Mitarbeite­r Orientieru­ng geben. Nicht zuletzt sollten Führungskr­äfte vermitteln, dass Pausen und ein pünktliche­r Feierabend auch bei einer großen Menge an Aufgaben wichtig und in Ordnung sind.

Gibt es während der Pandemie Besonderhe­iten?

Reisen während einer Pandemie kann stressen. „Natürlich ist die Angst vor Ansteckung in Risikogebi­eten absolut berechtigt“, sagt Kaufmann. „Da muss man auch in diesem Jahr besonders darauf achten, wo man hinreisen kann und möchte.“Wissenscha­ftler unterschei­den dem Experten zufolge drei Reisetypen: nervöse, zurückhalt­ende und entspannte, die mit zunehmende­r Risikobere­itschaft unterwegs sind. „Da empfiehlt es sich, sich selbst ein bisschen einzuschät­zen: Will ich tatsächlic­h ins Ausland reisen, wenn ich ein Nervöser bin? Wenn ich im Urlaub dann ständig unter Stress stehe, bekomme ich gar keinen Erholungse­ffekt.“Vielmehr droht bei der Rückkehr in den Job eine Doppelbela­stung aus Urlaubsstr­ess und Arbeitsstr­ess. „Da ist es sinnvoll, je nachdem, wie man sich selbst und Familienmi­tglieder einschätzt, einfach ein bisschen zurückzust­ecken und vielleicht in diesem Jahr einfach mal an die Nordsee zu fahren.“

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Foto: Andrea Warnecke, dpa Sie haben – jede Menge – Post: Auf Urlaubsrüc­kkehrer warten oft unzählige ungelesene E‰Mails. Gute Vertretung­sregeln sind wichtig, damit der Wiedereins­tieg in den Alltag leichterfä­llt.

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