Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Gefahr der Wildnis
Die tödliche Tragödie in der Höllentalklamm zeigt, wie gefährlich auch touristisch erschlossene Ausflugsziele in den Alpen sein können. Ein Blick in die Schluchten unserer Region
Grainau/Kempten Steile Felswände, die in den Himmel ragen. Wasserfälle, die in die Tiefe hinabstürzen und in reißenden und wild schäumenden Flüssen enden – Bergschluchten, auch Klamme genannt, sind imposante Naturphänomene, die jedes Jahr zigtausende Wanderer anlocken. Touristisch erschlossen ermöglichen sie sogar unerfahrenen Bergtouristen den Genuss von alpiner Wildnis – die sich aber wohl doch nie gänzlich zähmen lässt. Das bewies jüngst das Drama in der Höllentalklamm am Fuße der Zugspitze. Zwei Menschen, die auf einer Brücke standen, wurden von einer durch starke Regenfälle ausgelöste Flutwelle mitgerissen. Eine Frau aus Oberfranken starb. Ihr Lebensgefährte wird seit Tagen vermisst.
Auch im Allgäu gibt es zahlreiche dieser Schluchten, mit der Breitachklamm bei Oberstdorf gar eine der tiefsten in Mitteleuropa. Wie sicher sind diese beliebten Ausflugsziele in unserer Region? Lassen sich Tragödien wie die von der Zugspitze dort verhindern?
Dominik Fritz hat die Nachrichten rund um das Unglück in der Höllentalklamm genau verfolgt. Seit drei Jahren ist er Betriebsleiter der Breitachklamm. Dass Brücken vom Wasser mitgerissen werden, könne „leider tatsächlich immer und überall“passieren, sagt er. Aber die Sicherheit der Gäste habe oberste Priorität. „Wenn eine Gefahr erkennbar ist, machen wir die Klamm zu“, betont Fritz. Die Wegeanlagen und der Wasserstand würden morgens und abends überprüft. „Ein Mitarbeiter besetzt den Informationspunkt in der Klamm und hat dort den direkten Blick auf die aktuelle Situation.“
Außerdem gebe es am Ende der Klamm eine Station, die den genauen Wasserpegel misst. Zusätzlich werden laut Fritz bei wöchentlichen und monatlichen Kontrollen über sogenannte Spione die Bewegungen der Felsen festgestellt. Nach einem Hochwasser überprüften Mitarbeiter die Brücken auf eventuelle Schäden. Dass die Klamm wegen hohen Wasserstands schließen musste, sei zuletzt vor drei Jahren vorgekommen. „Wir sind gerade in einer Phase, in der wir sehr viel Geld in die Sicherheit investieren“, sagt Fritz. Im Herbst sollen Bauwerke in der Klamm erneuert und weitere Spione angebracht werden. „Bei der letzten Baumaßnahme von Herbst 2020 bis Frühjahr 2021 haben wir rund eine halbe Million Euro investiert.“Wie viel es bei den noch anstehenden Erneuerungen sein werden, kann er noch nicht sagen. Insgesamt gebe es über 30 Bauwerke in der Breitachklamm, darunter zwei Brücken.
In der Starzlachklamm am Fuße des Grünten im Oberallgäu macht sich Klammwirt Rudolf Löwenhagen um die Sicherheit keine Sorgen. „Die Brücken sind so hoch, dass ein Hochwasser nichts ausmacht“, sagt er. Oberhalb der Starzlachklamm hielten zwei Staumauern das Wasser auf. Die würden jährlich ausgebaggert. Gefahr bestünde daher nur, wenn Bäume mitgerissen würden. Doch die meisten Bäume um die Klamm herum seien mittlerweile gefällt worden. „Wenn ein Sturm aufzieht, dann schließen wir die Klamm“.
Jeden Morgen geht Löwenhagen vor der Öffnung für eine Kontrolle den Weg ab. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es zwar nicht, aber er sagt: „Ich bin jetzt seit 21 Jahren Klammwirt und hatte hier noch nie ein Unglück.“Die Starzlachklamm habe bereits etliche Hochwasser überstanden. „Die Gäste müssen absolut keine Angst haben.“
Bei Allgäuern und Urlaubern beliebt ist auch die Pöllatschlucht unterhalb von Schloss Neuschwanstein im Landkreis Ostallgäu. Doch weil Felsstürze drohen, ist sie derzeit geschlossen – und das bleibt auch erst mal so. Dieses Jahr werde sie auf jeden Fall nicht mehr geöffnet, sagte Schwangaus Tourismusdirektorin Sylvia Einsle kürzlich gegenüber unserer Redaktion. Im vergangenen Oktober musste das beliebte Ausflugsziel kurz vor der Winterpause aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Nun will die Gemeinde ein nachhaltiges Sicherheitskonzept erarbeiten – gemeinsam mit dem Eigentümer der Schlucht, dem Freistaat Bayern.
Bereits 2014 musste die Pöllatschlucht für fünf Jahre gesperrt werden. In dieser Zeit sind die Wege und Geländer für eine halbe Million Euro aufwendig modernisiert worden.