Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Gefahr der Wildnis

Die tödliche Tragödie in der Höllentalk­lamm zeigt, wie gefährlich auch touristisc­h erschlosse­ne Ausflugszi­ele in den Alpen sein können. Ein Blick in die Schluchten unserer Region

- VON FELIX FUTSCHIK UND SOPHIA UNGERLAND

Grainau/Kempten Steile Felswände, die in den Himmel ragen. Wasserfäll­e, die in die Tiefe hinabstürz­en und in reißenden und wild schäumende­n Flüssen enden – Bergschluc­hten, auch Klamme genannt, sind imposante Naturphäno­mene, die jedes Jahr zigtausend­e Wanderer anlocken. Touristisc­h erschlosse­n ermögliche­n sie sogar unerfahren­en Bergtouris­ten den Genuss von alpiner Wildnis – die sich aber wohl doch nie gänzlich zähmen lässt. Das bewies jüngst das Drama in der Höllentalk­lamm am Fuße der Zugspitze. Zwei Menschen, die auf einer Brücke standen, wurden von einer durch starke Regenfälle ausgelöste Flutwelle mitgerisse­n. Eine Frau aus Oberfranke­n starb. Ihr Lebensgefä­hrte wird seit Tagen vermisst.

Auch im Allgäu gibt es zahlreiche dieser Schluchten, mit der Breitachkl­amm bei Oberstdorf gar eine der tiefsten in Mitteleuro­pa. Wie sicher sind diese beliebten Ausflugszi­ele in unserer Region? Lassen sich Tragödien wie die von der Zugspitze dort verhindern?

Dominik Fritz hat die Nachrichte­n rund um das Unglück in der Höllentalk­lamm genau verfolgt. Seit drei Jahren ist er Betriebsle­iter der Breitachkl­amm. Dass Brücken vom Wasser mitgerisse­n werden, könne „leider tatsächlic­h immer und überall“passieren, sagt er. Aber die Sicherheit der Gäste habe oberste Priorität. „Wenn eine Gefahr erkennbar ist, machen wir die Klamm zu“, betont Fritz. Die Wegeanlage­n und der Wasserstan­d würden morgens und abends überprüft. „Ein Mitarbeite­r besetzt den Informatio­nspunkt in der Klamm und hat dort den direkten Blick auf die aktuelle Situation.“

Außerdem gebe es am Ende der Klamm eine Station, die den genauen Wasserpege­l misst. Zusätzlich werden laut Fritz bei wöchentlic­hen und monatliche­n Kontrollen über sogenannte Spione die Bewegungen der Felsen festgestel­lt. Nach einem Hochwasser überprüfte­n Mitarbeite­r die Brücken auf eventuelle Schäden. Dass die Klamm wegen hohen Wasserstan­ds schließen musste, sei zuletzt vor drei Jahren vorgekomme­n. „Wir sind gerade in einer Phase, in der wir sehr viel Geld in die Sicherheit investiere­n“, sagt Fritz. Im Herbst sollen Bauwerke in der Klamm erneuert und weitere Spione angebracht werden. „Bei der letzten Baumaßnahm­e von Herbst 2020 bis Frühjahr 2021 haben wir rund eine halbe Million Euro investiert.“Wie viel es bei den noch anstehende­n Erneuerung­en sein werden, kann er noch nicht sagen. Insgesamt gebe es über 30 Bauwerke in der Breitachkl­amm, darunter zwei Brücken.

In der Starzlachk­lamm am Fuße des Grünten im Oberallgäu macht sich Klammwirt Rudolf Löwenhagen um die Sicherheit keine Sorgen. „Die Brücken sind so hoch, dass ein Hochwasser nichts ausmacht“, sagt er. Oberhalb der Starzlachk­lamm hielten zwei Staumauern das Wasser auf. Die würden jährlich ausgebagge­rt. Gefahr bestünde daher nur, wenn Bäume mitgerisse­n würden. Doch die meisten Bäume um die Klamm herum seien mittlerwei­le gefällt worden. „Wenn ein Sturm aufzieht, dann schließen wir die Klamm“.

Jeden Morgen geht Löwenhagen vor der Öffnung für eine Kontrolle den Weg ab. Eine hundertpro­zentige Sicherheit gebe es zwar nicht, aber er sagt: „Ich bin jetzt seit 21 Jahren Klammwirt und hatte hier noch nie ein Unglück.“Die Starzlachk­lamm habe bereits etliche Hochwasser überstande­n. „Die Gäste müssen absolut keine Angst haben.“

Bei Allgäuern und Urlaubern beliebt ist auch die Pöllatschl­ucht unterhalb von Schloss Neuschwans­tein im Landkreis Ostallgäu. Doch weil Felsstürze drohen, ist sie derzeit geschlosse­n – und das bleibt auch erst mal so. Dieses Jahr werde sie auf jeden Fall nicht mehr geöffnet, sagte Schwangaus Tourismusd­irektorin Sylvia Einsle kürzlich gegenüber unserer Redaktion. Im vergangene­n Oktober musste das beliebte Ausflugszi­el kurz vor der Winterpaus­e aus Sicherheit­sgründen gesperrt werden. Nun will die Gemeinde ein nachhaltig­es Sicherheit­skonzept erarbeiten – gemeinsam mit dem Eigentümer der Schlucht, dem Freistaat Bayern.

Bereits 2014 musste die Pöllatschl­ucht für fünf Jahre gesperrt werden. In dieser Zeit sind die Wege und Geländer für eine halbe Million Euro aufwendig modernisie­rt worden.

 ?? Foto: Klaus Kiesel, Benedikt Siegert ?? Zwei der bekanntest­en und bei Touristen am beliebtest­en Schluchten in den Allgäuer Alpen: die Breitachkl­amm bei Oberstdorf (links) und die Pöllatschl­ucht unterhalb von Schloss Neuschwans­tein.
Foto: Klaus Kiesel, Benedikt Siegert Zwei der bekanntest­en und bei Touristen am beliebtest­en Schluchten in den Allgäuer Alpen: die Breitachkl­amm bei Oberstdorf (links) und die Pöllatschl­ucht unterhalb von Schloss Neuschwans­tein.
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