Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Ein Schock für alle“
Im Unterallgäu wird ein 13-Jähriger von einem Zug erfasst. Wie die Menschen vor Ort das Unglück verarbeiten
Heimertingen „Es ist ein Schock für Alle“, sagt Josef Wechsel, Erster Bürgermeister von Heimertingen, am Tag nach dem Unfall am Bahnübergang in der Unterallgäuer Gemeinde, bei dem ein 13-Jähriger ums Leben kam. Der Jugendliche hatte nach ersten Erkenntnissen gegen 19.05 Uhr am Donnerstagabend die geschlossenen Bahnschranken und das Rotlicht nicht beachtet, war auf die Gleise gelaufen und dort von einem Zug erfasst worden. Vermutlich hatte der Junge den Zug nicht gesehen, weil ein Tankzug, der direkt an der Schranke wartete, ihm die Sicht auf die Gleise versperrte.
Neben der Memminger und der Buxheimer war auch die Heimertinger Feuerwehr dort im Einsatz. Sie stellte auch den Einsatzleiter: Kommandant Daniel Kaufmann. Der entschied, dass seine Kameraden aus Heimertingen nicht direkt an der Unfallstelle arbeiten sollten. Zu groß sei bei solchen Einsätzen die Gefahr, dass die Einsatzkräfte das Opfer kennen. Solch schlimme Unfälle seien „so schon relativ schwer zu verarbeiten. Und wenn man dann noch jemanden erkennt, dann ist es doppelt so schwer“, sagt Kaufmann.
Bahnunfälle gehörten zu den heftigsten Einsätzen für Rettungskräfte, weiß auch Walter Müller. Er war ebenfalls am Einsatzort – als Mitglied des Kriseninterventionsteams des Roten Kreuzes. Viele Menschen hätten am Donnerstag psychische Hilfe benötigt, allen voran die Eltern und Großeltern. Aber auch Zeugen, Nachbarn und einige der etwa 40 Zuginsassen hatte der Unfall so mitgenommen, dass sie das Gespräch mit Walter Müller und seinen Kollegen suchten. „Der eine will reden wie ein Wasserfall, der andere will einfach nur, dass jemand bei ihm ist, andere wollen Antworten auf ihre Fragen“, sagt Müller.
„Mehrfach täglich überqueren Fußgänger und Radler den Bahnübergang, obwohl die Schranken geschlossen sind“, sagt Adolf Dorn, dessen Haus an den Gleisen liegt. Bis Donnerstag sei nie etwas passiert. Allerdings gebe es öfter knappe Situationen: Immer, wenn Dorn einen Zug pfeifen hört, weiß er, dass ein Lokführer einen Fußgänger oder Radler warnt, der gerade bei geschlossenen Schranken die Gleise überquert. Längere Schranken zu installieren, sei keine Lösung, glaubt der 88-Jährige. Vor Wochen sei der Bahnübergang wegen einer Baustelle gesperrt gewesen. Da seien einige Passanten einfach an einer anderen Stelle über die Gleise gelaufen.