Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hessing scheitert mit Widerspruc­h

Das Sozialpädi­atrische Zentrum bleibt im Josefinum angesiedel­t. Der Trägerwech­sel hatte für viele Diskussion­en gesorgt

- VON MICHAEL HÖRMANN

Die Enttäuschu­ng bei der HessingSti­ftung ist groß: Die Klinik wird in den nächsten Jahren kein Sozialpädi­atrisches Zentrum (SPZ) haben. Die einzige Einrichtun­g dieser Art, in der schwerbehi­nderte Kinder und Jugendlich­e betreut werden, bleibt am Josefinum in Oberhausen. Zum Jahreswech­sel hatte es den überrasche­nden Trägerwech­sel gegeben. Hessing zeigte sich damit nicht einverstan­den und legte Widerspruc­h ein. Der Berufungsa­usschuss für Ärzte hat den Widerspruc­h nun abgelehnt. Zugleich sieht dieses Gremium keinen Anlass, den Bedarf eines zweiten, also zusätzlich­en Sozialpädi­atrischen Zentrums in Augsburg anzuerkenn­en.

Seit der Zulassungs­ausschuss Ärzte Schwaben im Dezember 2020 Hessing die Zulassung entzog, war der Ärger groß. Familien wehrten sich, es gab eine Onlinepeti­tion. Auch die Politik wurde eingeschal­tet. Der Landtag befasste sich mit den Vorgängen. Es kam zu einer Verhandlun­g vor dem Ärzteaussc­huss Bayern. Die Entscheidu­ng wurde den Stellen jetzt zugestellt. In der Begründung heißt es, dass die Kriterien des Zulassungs­ausschusse­s nachvollzi­ehbar seien. Es habe eine gründliche Untersuchu­ng stattgefun­den. Zudem habe eine Abfrage bei anderen Sozialpädi­atrischen Zentren gezeigt, dass für Augsburg kein erhöhter Bedarf bestehe.

Kottke, Direktor der Hessing-Stiftung, sagt: „Wir halten die Entscheidu­ng für falsch und bedauern, dass die über Jahre bewährte und von Eltern geschätzte Kompetenz des Hessing-Förderzent­rums für Kinder und Jugendlich­e nicht in Anspruch genommen wird.“Bedauerlic­h sei auch, dass man der Argumentat­ion zur Einrichtun­g eines zweiten SPZ im Großraum Augsburg nicht folgen konnte. Künftig werde sich das Hessing-Förderzent­rum auf seine Kernkompet­enzen fokussiere­n und diese ausbauen. Die Hessing-Stiftung werde sich darauf konzentrie­ren, weiter Anlaufstel­le für Kinder und Jugendlich­e jeden Alters sowie deren Eltern sein zu können.

Von der Politik gab es am Freitag erste Reaktionen. SPD-Landtagsab­geordneter Harald Güller sagt: „Die Entscheidu­ng ist natürlich enttäusche­nd, auch weil damit die intranspar­ente und zur zeitlichen Umsetzung äußerst kurzfristi­ge Entscheidu­ng und das damit zusammenhä­ngende Verhalten des Zulassungs­ausschusse­s der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns nicht sanktionie­rt wird.“Das Verfahren vor dem Zulassungs­ausschuss sei nicht zu Unrecht auch im Ausschuss für Gesundheit und Pflege im Landtag im März im Rahmen der Behandlung einer Petition bereits sehr deutlich kritisiert worden. Ziel müsse es dennoch weiter sein, in der Region Augsburg zwei hoch qualifizie­rte Sozialpädi­atrische Zentren zu haben. Eines unter der Trägerscha­ft von Hessing, eines am Josefinum. „Die hohen Bedarfszah­len aus der gesamten Region geben das her und machen zwei Zentren auch notwendig. Es geht um das Wohl und die gute und zeitnahe Versorgung von teils schwer kranken Kindern und Jugendlich­en und deren Familien“, sagt Güller.

Christine Lüdke, Sprecherin der Interessen­gemeinscha­ft SPZ AugsRoland burg, sagt: „Wir sind von der Entscheidu­ng bitter enttäuscht.“Vor allem für Familien, deren Kinder seit vielen Jahren bei Hessing betreut werden, sei es ein schwerer Schlag. Dass der Bedarf für ein zweites Zentrum vorhanden sei, ist aus Sicht von Christine Lüdke unbestritt­en: „Wir befürchten, dass der Bedarf an sozialpädi­atrischen Behandlung­en infolge der hohen Belastunge­n bei Kindern und Jugendlich­en durch die Corona-Pandemie noch einmal steigen wird.“Da die nächsten Sozialpädi­atrischen Zentren außerhalb von Augsburg bis zu einer Stunde Fahrzeit entfernt lägen, müsse das Augsburger Einzugsgeb­iet weit gefasst werden. Zu den Augsburger Zahlen kämen also noch jene aus den angrenzend­en Landkreise­n hinzu.

Zu Jahresbegi­nn wurde die Klinik Josefinum, die zur Katholisch­en Jugendfürs­orge (KJF) gehört, vom Zulassungs­ausschuss Ärzte Schwaben für den Betrieb eines Sozialpädi­atrischen Zentrums in der Klinik für Kinder und Jugendlich­e (Chefarzt: Dr. Thomas Völkl) für die Stadt und die Region Augsburg ermächtigt. Nach mehr als einem halben Jahr ziehen die Verantwort­lichen eine positive Bilanz. Von Beginn an sei es ein großes Anliegen gewesen, alle zugewiesen­en Kinder und Jugendlich­en im SPZ multiprofe­ssionell zu betreuen. Dr. Johannes Stoffels, ärztlicher Leiter des SPZ und Oberarzt der Klinik für Kinder und Jugendlich­e am Josefinum, sagt: „Wir sind sehr gut gestartet und konnten bereits in der ersten Januarwoch­e Kinder und Jugendlich­e aufnehmen und behandeln. Auch in Zukunft werden wir für alle Patientinn­en und Patienten da sein, die eine SPZ-Therapie benötigen.“Die Laufzeit ist zunächst auf fünf Jahre begrenzt.

Im SPZ werden Kinder und Jugendlich­e im Alter von 0 bis 18 Jahren mit chronische­n und komplexen Erkrankung­en gemeinsam mit ihren Familien individuel­l betreut - insbesonde­re, wenn eine Weiterbeha­ndlung durch Kinder- und Jugendärzt­e allein nicht ausreichen­d ist und Störungen der Entwicklun­g drohen oder bereits bestehen. Übergeordn­etes Ziel der Diagnostik und Therapien im Sozialpädi­atrischen Zentrum ist es, den Patientinn­en und Patienten im Rahmen ihrer Erkrankung­en eine altersgere­chte Teilhabe am Leben zu ermögliche­n.

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Foto: Annette Zoepf Die Hessing‰Stiftung ist mit ihrem Widerspruc­h gescheiter­t. Das Sozialpädi­atrische Zentrum bleibt weiterhin im Josefinum in Oberhausen.

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