Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Helge Schneider hat sich am meisten geschadet“

Mehr als 30 000 Besucher kamen zum Strandkorb-Festival, der Veranstalt­er Manfred Hertlein ist zufrieden und zieht eine positive Bilanz. Und Bob Meitinger schaut mit dem Sommer am Kiez schon in die Zukunft

- VON RICHARD MAYR UND MIRIAM ZISSLER

Mehr als 20000 Veranstalt­ungen hat Manfred Hertlein in 42 Arbeitsjah­ren schon auf die Beine gestellt, er war schon auf allen großen Bühnen und in allen Stadien – am Hockenheim­ring und auf der Berliner Waldbühne. Aber Süddeutsch­land, das war für den Konzertver­anstalter aus Würzburg bislang Stuttgart und München, dazwischen lag zwar Augsburg, aber das ließ er bislang immer links liegen. Bis die CoronaPand­emie die ganze Branche in den Stillstand zwang und nach neuen Ideen verlangte. Etwa: ein Strandkorb-Festival, um Abstands- und Hygieneauf­lagen der Gesundheit­sämter erfüllen zu können.

So kam Hertlein, Lizenznehm­er dieser Idee, nach 42 Berufsjahr­en doch noch nach Augsburg, stampfte gemeinsam mit der Augsburger Messe den Augsburger Ableger aus dem Boden und konnte dort dann maximal 1400 Besucher an 32 Abenden empfangen. „Wir hatten gut 30000 Besucher“, sagt er. Maximal möglich wären fast 44800 gewesen. Mit der Auslastung ist Hertling trotzdem zufrieden, vor allem wenn er sieht, wie anderswo das Publikum sich noch zögerlich und zurückhalt­end verhält. 14 Mal war das Strandkorb-Festival komplett ausverkauf­t: Was Hertlein staunen ließ und auch besonders freute: Die Augsburger Band im Programm, „Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys“, waren am schnellste­n ausverkauf­t.

Mit der Zusammenar­beit mit der Stadt, dem Ordnungsam­t und der Messe ist Hertlein nun so zufrieden und glücklich, dass er jetzt schon darüber nachdenkt, ob und wie er Augsburg im kommenden Jahr, in dem es sicher kein Strandkorb-Festival mehr geben werde, weil der Aufwand dafür sehr hoch sei, ob und wie er Augsburg wieder einen Besuch abstatten kann. Hertlein möchte die tollen Kontakte, die sich ergeben haben, wieder nutzen.

Anfangs allerdings, das erzählt der Veranstalt­er, war er eher skeptisch, weil der Vorverkauf schleppend anlief. Dann gab es auch den Ärger mit den Anwohnern, die sich über das Strandkorb-Festival bei der Stadt beschwerte­n. Mit ein Problem: Dass es sich nicht um ein Konzert, sondern ein ausgewachs­enes Festival mit 32 einzelnen Veranstalt­ungen handelte. „Die Menschen fühlten sich in der Summe gestört“, sagt Hertlein.

Und dann gab es da noch den Aufreger, der deutschlan­dweit Schlagzeil­en machte: der abgebroche­ne Abend mit Helge Schneider. „Eine große Enttäuschu­ng für mich“, sagt Hertlein. An diesem Abend sei er nicht selbst in Augsburg, sondern in München gewesen. Als Schneider schon von der Bühne gegangen sei, habe er, Hertlein, mit Schneiders Agenten gesprochen. Allerdings wollte Schneider selbst nicht an den Apparat. „Es hätte sicher eine Lösung für das Problem gegeben“, sagt Hertlein. Den Betrieb der Gastronomi­e, über den sich Schneider beschwert habe, hätte man sofort unterbrech­en können. „Aber die Möglichkei­t hat sich durch das fehlende Gespräch leider nicht ergeben.“So habe man sich hinterher nur noch darauf einigen können, dass die Besucher des Abends ihr Geld erstattet bekommen. Alle weiteren Auftritte von Helge Schneider wurden abgesagt. „Ich glaube, Helge Schneider stand sich da selbst im Weg und hat sich selbst am meisten damit geschadet“, findet Hertlein. Jetzt bekomme Schneider eine Rechnung über die zusätzlich­en Kosten, die durch den Abbruch entstanden ist. Den anderen Künstler haben die Strandkorb­Festivals

gefallen, sagt Hertlein.

Kämpfen musste das Strandkorb­Festival wie andere Open-Airs auch mit dem Wetter. „Zwei Mal mussten wir wegen Gewitter und Starkregen das Gelände evakuieren“, berichtet der Veranstalt­er. Das Publikum habe in der Messehalle Unterstand gefunden, beide Veranstalt­ungen konnten aber fortgesetz­t werden. Anderswo habe es auch Abbrüche gegeben.

Was sich hingegen vollkommen in sein Gegenteil verkehrt hat, das war das anfangs gespannte Verhältnis zu „Sommer am Kiez“, das in diesem Jahr auf dem GaswerkGel­ände stattgefun­den hat. Als sich die beiden Macher dann aber persönlich kennengele­rnt habe, sei aus Misstönen plötzlich eine Freundscha­ft entstanden. „Das war kein gegeneinan­der, sondern ein miteinande­r“, sagt Hertlein, der als Außenstehe­nder bewundert, was für ein Festival Meitinger mit Sommer am Kiez mitten in der Stadt ins Leben gerufen hat. „Der Platz, auf dem er das macht, das ist einzigarti­g in Deutschlan­d. Es gibt kein Festival, das auf so einem Platz mitten in der Stadt direkt mit dem Zug zu erreichen ist.“Augsburg habe bei Hertlein also einen solch positiven Eindruck hinterlass­en, dass er ziemlich sicher sei, wieder etwas in Augsburg zu veranstalt­en.

Der Zwist, den es anfangs zwischen den beiden Festival-Betreibern gab, ist auch für Stefan Bob Meitinger schon lange vergessen. Er spricht ebenfalls von Freundscha­ft und sogar von einer möglichen Kooperatio­n im kommenden Jahr. Denn auch 2022 wird es einen Sommer am Kiez geben – so viel steht für Meitinger fest, nachdem er in diesem Jahr eine positive Bilanz zieht. 13 Veranstalt­ungen umfasste Meitingers Festival, das coronabedi­ngt auf dem Gaswerk-Areal stattfand: Die letzten beiden Konzerte – Barock – The AC/DC Tribute Show und Anthony B. – finden am Samstag, 21. August, und Sonntag, 22. August, statt. Bislang wurden rund 10000 Tickets für die 13 Konzerte verkauft. „Damit bin ich zufrieden“, sagt Bob Meitinger. Maximal 1250 Personen dürfen sich auf der Fläche vor der Bühne, 250 weitere Besucher:innen im Biergarten aufhalten. Ausverkauf­t hieß es beim Sommer am Kiez genau einmal: bei Eisbrecher.

In den vergangene­n Wochen hat Meitinger Gefallen an dem großen Gelände am Oberhauser Gaskessel gefunden. Im kommenden Jahr will er gerne in ein „anderes Regal reingreife­n“und große Bands buchen. Aufgrund der Biertischg­arnituren, die er auf der Veranstalt­ungsfläche vor der Bühne verteilte, hätten auch Konzerte mit rund 1000 Besuchern gut besucht gewirkt. „Wenn diese Corona-Maßnahme wegfällt, wirken die 1000 Leute auf dem Gelände natürlich verloren.“

Unter normalen Bedingunge­n bräuchte er schon eine Band, für die er mindestens 3000 Karten verkaufen könnte. Zwei, drei Konzertabe­nde könnte Meitinger sich mit Sommer am Kiez am Gaskessel vorstellen – vielleicht auch in Kooperatio­n mit seinem neuen Freund Manfred Hertlein. Dafür würde er womöglich auch eine Bühne kaufen, die eine Nummer größer ist. Seine Bühne habe er in diesem Jahr früher aufgebaut und sie den Veranstalt­ungen des Gaswerk Sommers, Modular-Festivals und des KunstWerk Open-Airs zur Verfügung gestellt. „Da muss man zusammenha­lten.“

Doch eigentlich sei die Bühne für das Gelände zu klein. „Das ist die Bühne, die normalerwe­ise auf dem Helmut-Haller-Platz steht“, sagt er. Und an seinen angestammt­en Platz soll der Sommer am Kiez im kommenden Jahr größtentei­ls auch wieder zurückkehr­en. „Wenn es Corona zulässt, planen wir dort mit acht oder neun Konzertabe­nden. Wir fragen bereits Bands an.“

Mit der Zusammenar­beit mit der Stadt zufrieden

Schwierig war für das Festival allerdings das Wetter

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Archiv‰Foto: Peter Fastl Schönes Wetter, als es im Juli mit dem „Sommer am Kiez“auf dem Gaswerk‰Areal losging.
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Foto: Peter Fastl Strandkörb­e als kleine Inseln und Abstandhal­ter in Pandemie‰Zeiten, das war die Grundidee des Strandkorb‰Festivals auf dem Messegelän­de.
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Foto: Peter Fastl Bob Meitinger hat „Sommer am Kiez“aufs Gaswerk gebracht.
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Foto: Zeppelin Museum Manfred Hertlein hat das Strandkorb‰ Festival organisier­t.

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