Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Stier namens „Feminist“
Sind Toreros frauen- und fremdenfeindlich? Ein Vorfall in der Stadt Gijon löst eine heftige Debatte über den Stierkampf in Spanien aus. Nun greift die Bürgermeisterin durch
Gijon Das Publikum applaudierte, nachdem der Torero Morante de la Puebla in der Arena der nordspanischen Stadt Gijón die beiden Stiere „Feminista“und „Nigeriano“mit seinem Degen getötet hatte. „Olé, olé“, riefen die Menschen begeistert, als die Stiere blutüberströmt zusammenbrachen. Die Fans trugen den Stiertöter, wie es nach diesen ungleichen Kämpfen üblich ist, auf Schultern aus der Arena.
Tierschutzorganisationen laufen schon lange Sturm gegen diese blutigen Spektakel, die sie als „Folter“und „Barbarei“bezeichnen. Doch nach diesem Stierkampf in Gijón, einer Küstenstadt in Asturien, gingen auch Menschenrechtler und Feministinnen auf die Barrikaden. Sie werfen der Stierkampfbranche vor, den Rassismus und die Diskriminierung von Frauen zu fördern.
Es sei skandalös, dass die zum Tod verurteilten Kampfbullen auf Namen wie „Feminista“(auf Deutsch: Feminist) oder „Nigeriano“(Nigerianer) getauft würden. Auch ein Stier mit dem Namen „Africano“(Afrikaner) wurde bei diesem mehrtägigen Kampffestival in die Arena getrieben und nach dem blutigen Ritual getötet.
„Ein Tier zu quälen, bis es stirbt, das ist Sadismus“, erklärt die lokale Frauenorganisation „Plataforma Feminista d’Asturies“. Die Stierkämpfer hätten kein Mitgefühl und kein Respekt gegenüber anderen Lebewesen. Sie würden sogar den Schmerz des Tieres genießen. „Sie fühlen keine Liebe.“Das seien nicht gerade die Werte, für die sich der Feminismus einsetze.
Antonio Maestre, prominenter spanischer Journalist, geht noch weiter: „Es ist nicht tolerierbar, dass man im Jahr 2021 Kampfstieren rassistische Namen gibt“, sagt er im TV-Sender La Sexta. Mit dieser Namensgebung könne in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, dass Afrikaner, Nigerianer oder Feministen unter dem Beifall des Publikums in der Arena zu Tode gequält würden.
Die Namensaffäre in der Arena Gijóns hatte inzwischen ein Nachspiel: Die Bürgermeisterin der 270 000-Einwohner-Stadt, Ana González, kündigt das Ende der Stierkämpfe in der Stadt an. „Eine Stadt wie unsere, die an die Gleichheit von Frauen und Männern glaubt, kann solche Vorfälle nicht zulassen“, sagt die Sozialistin. Es sei nicht hinnehmbar, dass Stierkämpfe benutzt würden, um Ideologien freien Lauf zu lassen, die nicht im Einklang mit den Menschenrechten stünden. Der Vertrag mit dem Stierkampfveranstalter für die städtische Arena werde nicht verlängert. Künftig werde der Veranstaltungsort nur noch für unblutige Ereignisse wie etwa Musikkonzerte genutzt.
Für die spanische Stierkampfbranche ist die Entscheidung in Gijón ein weiterer Rückschlag. Den Bullenzüchtern und Toreros bläst seit Jahren zunehmend heftiger Wind entgegen. Im EU-Parlament wird wegen des wachsenden öffentlichen Drucks der Tierschützer über eine Kürzung der Subventionen für die Stierzüchter diskutiert.
Auch die Corona-Pandemie hat der Branche schwer zugesetzt: 2019 wurden noch annähernd 1500 Stierkämpfe organisiert. In den letzten 18 Monaten konnten wegen der Epidemie, die in Spanien besonders heftig wütet, nur sehr wenige Kämpfe stattfinden. Die meisten der 10000 Stiere, die in normalen Jahren von Toreros getötet werden, landen deswegen im Schlachthaus.
Den Vorwurf des Rassismus weisen die Toreros übrigens von sich: Bei der Namensgebung existiere kein ideologischer Hintergrund. Seit Jahrzehnten würden die Muttertiere ihre Namen an ihre Nachkommen weitergeben, erklärt der prominente spanische Stierkämpfer El Juli.
Wenn das Muttertier „Feminista“heiße, dann bekomme der von ihr geborene Jungbulle automatisch den gleichen Namen. Andere Jungstiere erben zum Beispiel von ihrer Mutter den Namen „Pianista“. So sei die Tradition nun mal und das werde auch so bleiben, sagt El Juli. Er warf Gijóns Bürgermeisterin „Unkultur“vor und fordert: „Die Stierkampfkunst muss respektiert werden.“
Um Respekt für dieses „künstlerische Spektakel“bittet auch die deutsche Stierkämpferin Clara Sofie Kreutter, die vor einigen Tagen in Spanien ihr Debüt gab. Die 31-Jährige kämpfte in dem kleinen zentralspanischen Ort Ledaña vom Pferd aus gegen einen Stier, den sie schließlich mit einer Lanze erlegte. Sie bekannte gegenüber der spanischen Presseagentur Efe, dass sich damit für sie „ein Traum“erfüllt habe.