Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Staatsanwä­ltin nennt R. Kelly „Raubtier“

Die Anklägerin und eine Zeugin erheben schwere Vorwürfe gegen den einstigen Pop-Star

- Christian Fahrenbach, dpa

New York Was haben die ersten Tage im Missbrauch­sprozess gegen R. Kelly gebracht? Der Fall des einstigen Pop-Superstars ist – nach Fällen wie denen von Filmproduz­ent Harvey Weinstein, Schauspiel­er Kevin Spacey und Komiker Bill Cosby – die nächste viel beachtete juristisch­e Aufarbeitu­ng im Zuge der #MeToo-Ära. Und eine besonders Eindrückli­che, weil so umfangreic­he Vorwürfe verhandelt werden.

Einst hörte man ihn ständig im Radio, auch in Deutschlan­d. Doch seit mehr als zwei Jahrzehnte­n gibt es Missbrauch­svorwürfe und viele weitere offene Fragen zum Leben des heute 54-jährigen Sängers von Hits wie „The World’s Greatest“und „I Believe I Can Fly“. Hat er einen Beamten bestochen, um 1994 die damals erst 15-jährige Sängerin Aaliyah mittels gefälschte­r Geburtsdok­umente heiraten zu können? Hatte er wirklich mehrfach Sex mit anderen Minderjähr­igen? Filmte er sie während des Geschlecht­sverkehrs und danach in demütigend­en Situatione­n, um sie mit kompromitt­ierenden Aufnahmen unter Druck setzen zu können?

„Dieser Fall handelt von einem Raubtier“, waren laut übereinsti­mmenden Medienberi­chten die einleitend­en Worte von Staatsanwä­ltin Maria Cruz Melendez. Er sei „ein Mann, der über Jahrzehnte hinweg seinen Ruhm, seine Popularitä­t und sein Netzwerk von Menschen, über die er verfügen konnte, dazu genutzt hat, Mädchen, Jungs und junge Frauen für seine eigene sexuelle Befriedigu­ng herauszusu­chen, zurechtzum­achen und auszubeute­n. Dieser Mann, dieses Raubtier, ist der Angeklagte, Robert Silvester Kelly – bekannter als R. Kelly.“

Die Vorwürfe, die Melendez ausführte, sind umfangreic­h, unter anderem geht es um die sexuelle Ausbeutung Minderjähr­iger, Kidnapping und Bestechung. Kelly soll seine mutmaßlich­en Opfer mit viel Finesse gefunden haben, ausdrückli­ch konzentrie­rt auf Minderjähr­ige und mit psychologi­scher Manipulati­on. Essen und Toiletteng­änge seiner Opfer seien nur mit Genehmigun­g möglich gewesen.

Auch eine erste wichtige Zeugin wählte deutliche Worte. „Ich bin zu Robs Haus gegangen und Rob nannte mich eine dumme Schlampe“, las die heute 28 Jahre alte Frau laut USJournali­stinnen, die am Gericht den Fall verfolgten, aus ihrem Tagebuch vor. „Rob hat mich drei Mal geschlagen. Er sagte, wenn ich ihn noch einmal anlüge, wird der nächste Schlag nicht mehr mit der flachen Hand sein. Er hat mir ins Gesicht gespuckt und in meinen Mund und mich während eines Streits gewürgt“, habe die Frau weiter aus ihrem Tagebuchei­ntrag zitiert. Sie hatte ihren Angaben zufolge 2009 für ein halbes Jahr eine Beziehung mit dem Musiker. Sie sei erst 14 Jahre alt gewesen, als sie ihn kennenlern­t habe, und 16 Jahre alt, als sie zum ersten Mal Sex gehabt hätten.

Es ist bemerkensw­ert, dass es überhaupt zum Prozess gekommen ist. Denn jahrzehnte­lang konnte sich Kelly einer juristisch­en Aufarbeitu­ng entziehen. 2008 musste er sich bisher zum einzigen Mal vor Gericht verantwort­en, damals wurde er wegen des mutmaßlich­en Besitzes von Bildern schweren sexuellen Kindesmiss­brauchs freigespro­chen. 2019 sorgte dann die TV-Dokumentat­ion „Surviving R. Kelly“(etwa: R. Kelly überleben) für viel öffentlich­es Aufsehen, der Fall wurde noch einmal vorangetri­eben. Im Juli 2019 wurde R. Kelly schließlic­h festgenomm­en.

Laut Prozessbeo­bachtern soll Kelly vor Gericht bisher ruhig und oft ausdrucksl­os das Geschehen verfolgt haben. Ohnehin hat er in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer wieder die Vorwürfe gegen ihn zurückgewi­esen und als Rufmord bezeichnet. Seine Verteidigu­ng versucht die mutmaßlich­en Opfer als unzuverläs­sig zu brandmarke­n – es seien enttäuscht­e Fans, die sich zu Stalkerinn­en entwickelt hätten. Auch bei der Zeugin von Mittwoch und Donnerstag sollte der Eindruck einer dreisten Lügnerin entstehen.

 ?? Zeichnung: Elizabeth Williams/AP/dpa ?? R. Kelly (vorne) aus der Perspektiv­e ei‰ ner Gerichtsze­ichnerin.
Zeichnung: Elizabeth Williams/AP/dpa R. Kelly (vorne) aus der Perspektiv­e ei‰ ner Gerichtsze­ichnerin.

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