Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie gefährlich sind die Paralympic­s?

Für Sportler mit Behinderun­gen könnten die Paralympis­chen Spiele in Corona-Zeiten besondere Risiken bergen. Die Organisato­ren in Tokio rüsten sich

- VON FELIX LILL Mainichi Shimbun

Tokio „Die Olympische­n Spiele töten!“war in den letzten Wochen immer wieder auf Plakaten im Zentrum von Tokio zu lesen, wenn Gegner der größten Sportveran­staltung der Welt auf die Gefahren hinweisen wollten. Inmitten der Pandemie zehntausen­de Menschen aus praktisch jedem Land nach Japan zu schleusen, so das Argument, machten aus „Tokyo 2020“sprichwört­lich Spiele um Leben und Tod. Schließlic­h besteht bei einer Ansteckung mit Covid-19 eine reelle Gefahr zu sterben.

Während die Olympische­n Spiele, bei denen sich 540 Offizielle infizierte­n, seit knapp zwei Wochen Geschichte sind, steht Japan nun das nächste Megaevent ins Haus: die Paralympic­s. Und bei der mit Abstand größten Behinderte­nsportvera­nstaltung der Welt gilt dieselbe Befürchtun­g der Lebensgefa­hr. Wobei sie hier seit Beginn der Pandemie häufig noch viel drastische­r formuliert worden ist: Schließlic­h seien Menschen mit einer Behinderun­g, mehr als olympische Athleten, besonders stark gefährdet. Aber inwiefern trifft das zu?

In Veranstalt­erkreisen ist es ein merklich unangenehm­es Thema. Spricht man Offizielle des Internatio­nalen Paralympis­chen Komitees (IPC) darauf an, wird zuerst abwehrend reagiert. „Zunächst mal sind wir gegen Diskrimini­erung zwischen olympische­n und paralympis­chen Athleten“, sagt Craig Spence, Sprecher des IPC. „Es geht für alle Sportler und Offizielle­n um die Vorbeugung, damit man sich gar nicht erst infiziert. Und da haben wir bei Olympia gesehen, dass die Regeln aus häufigem Testen, Maskentrag­en und Abstandhal­ten recht gut funktionie­ren.“Schließlic­h seien unter den 540 Infektione­n von Offizielle­n nur rund 40 Personen gewesen, die im Athletendo­rf untergebra­cht waren. „Die Blase hat gehalten“, findet Spence deshalb. „Und die gleichen Regeln wie bei Olympia haben wir auch bei den Paralympis­chen Spielen. Deswegen erwarten wir nicht, dass es zu vielen Infektione­n kommen wird.“Schon vor einem Jahr betonte Spence in einem Interview zudem, es gebe „keine klinischen Studien, die zeigen, dass sich paralympis­che Athleten eher mit Covid-19 infizieren als Sportler ohne Behinderun­g.“

Doch nicht jeder ist der Meinung, dass deshalb die Gefahren nicht zumindest teilweise größer seien. „Es ist ein Ereignis, das mit beträchtli­chen Infektions­risiken einhergeht“, zitierte Mitte der Woche die japanische Zeitung einen namentlich nicht genannten Offizielle­n der Tokioter Organisato­ren. Auch Craig Spence selbst hat seine optimistis­chen Aussagen schon eingeschrä­nkt: „Was wir aber anerkennen, sind die unterschie­dlich schweren Verläufe, die Erkrankung­en bei Menschen mit einigen Behinderun­gen nehmen können.“

Hier geht es vor allem um Athleten mit Erkrankung­en des oberen Rückenmark­s, wodurch die Atemwege beeinträch­tigt sein können. „Dies tritt traditione­ll bei BocciaAthl­eten auf“, so Spence. Der 36-jährige japanische Boccia-Spieler

Takayuki Hirose gab diese Tage zu bedenken: „Meine normale Atemfunkti­on ist vergleichb­ar mit der einer Person, die fast 90 Jahre alt ist.“So liefe er im Fall einer Infektion ähnliche Gefahr eines schweren Verlaufs. Hinzu kämen Athleten mit Halswirbel­erkrankung­en, wie es etwa im Rollstuhlr­ugby vorkommt.

Beim Sitzvolley­ball wiederum macht man sich Sorgen wegen der Hygiene. Yoshihisa Mano, Trainer der japanische­n Nationalma­nnschaft der Frauen, erklärte diese Tage: „Da man während des Spielens mit den Händen den Boden berührt, ist es insofern ganz anders als Volleyball, das man im Stehen spielt. Ich bin sehr besorgt darüber, wie weit die Prävention­smaßnahmen wirklich gehen können.“

Als Zusatz zu den Sicherheit­smaßnahmen bei den Olympische­n Spielen betont das IPC wohl auch deshalb, dass eine gründliche Hygiene der Hände sowie der eigenen Ausrüstung zur Prävention besonders wichtig sei. Aber auch in diesem Zusammenha­ng betont der IPC-Sprecher: Die Zahl der im Fall einer Infektion besonders stark gefährdete­n Athleten liege im einstellig­en Bereich. Paralympis­che Athleten generell gehören zu den fittesten Personen der Welt.“

Wie bei Olympia gilt wohl auch bei den Paralympic­s, wo ebenfalls die Mehrzahl der Teilnehmer geimpft ist: Am stärksten gefährdet ist die Allgemeinb­evölkerung im Gastgeberl­and. Denn auch falls das Virus nicht direkt von innerhalb der Blase nach draußen weitergege­ben wird, erkennen viele unabhängig­e Gesundheit­sexperten eine negative Signalwirk­ung durch die Austragung des Sportevent­s. Denn das Sportereig­nis führe zu weniger vorsichtig­em Verhalten generell.

 ?? Foto: Kyodo, dpa ?? Die drei paralympis­chen Agitos, das Symbol der Paralympis­chen Spiele, schwimmen im Hafenviert­el Odaiba.
Foto: Kyodo, dpa Die drei paralympis­chen Agitos, das Symbol der Paralympis­chen Spiele, schwimmen im Hafenviert­el Odaiba.

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