Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Viel verdient und viel für die Kunst ausgegeben
Die Fugger gehörten im 16. Jahrhundert zu den größten Förderern der Künste: Nicht nur aus Liebhaberei, sondern auch, um daraus einen gesellschaftlichen Nutzen zu ziehen
Augsburg Sie bringen Kunsthistoriker heute zum Schwärmen, die Fugger, vor allem die Fugger, die den Nimbus der Familie im 16. Jahrhundert begründeten, als aus Handwerkern Kaufleute, aus Kaufleuten Bankiers und aus den Bankiers letztlich Adlige geworden waren, die zum Abschluss auch ins Stadt-Patriziat Augsburgs aufgenommen wurden. Als Geschäftsleute verdienten sie im 16. Jahrhundert sehr viel Geld, „aber sie gaben auch unglaublich viel Geld wieder aus“, sagt Christoph Emmendörffer, Leiter des Maximilianmuseums in Augsburg – zum Beispiel für die Kunst, zum Beispiel für die Musik, aber auch für Bücher – „eigentlich für alles“, fügt Emmendörffer an.
Damals in der noch im Ständewesen verhafteten Gesellschaft war alles streng und strikt geregelt, berichtet der Museumsmann, etwa welche Farbe wer tragen darf und wer nicht. Gleichzeitig bedeutete das im Umkehrschluss aber auch, dass die entsprechende Farbe dann auch tatsächlich getragen werden müsse. Die äußeren Zwänge waren hoch. Wer sich nicht fügte, gehörte nicht dazu. Um sozial aufzusteigen, langte es nicht, Geld- und Goldschätze zu horten, vielmehr musste gezeigt werden, dass damit auch standesgemäß gelebt wurde. Erst dann hatte man eine Chance. Die Fugger gaben sich im 16. Jahrhundert spendabel wie Könige und Kaiser, aber in Augsburg, ihrem Stammsitz, dem sie wirtschaftlich und intellektuell längst entwachsen waren, zögerte man lange, diese Überflieger-Familie ins Stadtpatriziat aufzunehmen – erst bekamen sie vom Kaiser Adelstitel.
Die große Kunstliebe der Fugger, ihre Stiftungen und Schenkungen waren nicht nur selbstloser Akt und Formen reiner Kunstverliebtheit, sondern erfüllten auch einen gesellschaftlichen Zweck, dienten zur Repräsentation, zeigten, zu was man wirtschaftlich in der Lage war und wo man sich selbst einordnete – nicht mehr als reiche Kaufmannsfamilie, sondern auf Augenhöhe mit den Fürsten und Königen der Zeit. Die Fugger bewiesen, dass sie wussten, wer die besten Künstler der Zeit waren.
Jakob Fugger (1459 bis 1525) holte die Renaissance nach Deutschland, als er die Familiengrablege in der Augsburger Anna-Kirche von unter anderem Albrecht Dürer, Jörg Breu dem Älteren und Hans Daucher gestalten ließ. Sie kostete ein Vermögen, zeigte dem Augsburger Patriziat, in das die Fugger aufgenommen werden wollten, dass sie die anderen Augsburger Kaufleute um Längen hinter sich gelassen hatten: Ihre Grablege wäre auch eines Kaisers würdig gewesen – ein Juwel, noch heute in der Augsburger Anna-Kirche zu bestaunen.
Das war erst der Anfang, der Auftakt zur Kunstförderung im großen Stil. Jakob Fugger blieb auch weiterhin das Unternehmergenie, auf ihn folgten Familienmitglieder, die auch ein bisschen anders geartet waren, stärker ausgeprägte Sinnenmenschen, Kunstförderer und -versteher im großen Stil – etwa Raymund Fugger (1489 bis 1535), dessen Kunstsammlung seinerzeit legendär war, der Kontakt zu den großen Humanisten wie Erasmus von Rotterdam pflegte, auch das Musikwesen förderte und ein besonderes Faible für die Antike hatte. Wahrscheinlich über das FuggerKontor in Venedig ließ er antike Skulpturen beschaffen, die Besucher seines Augsburger Anwesens schwärmen ließ.
Das gewaltige und europaweite Informationsnetzwerk, das Grundlage für das Firmenimperium der Fugger war, diente auch dazu, informiert zu sein, welche neuen Künstler wo gerade gefragt waren.
Manchmal waren es die Fugger, die ein neues Talent erkannten, beauftragten und für sich arbeiten ließen, bevor die Höfe auf es aufmerksam wurden. Hans Fugger (1531 bis 1598), ein ebenso als großer Mäzen bekannter Fugger, holte den Künstler Hubert Gerhard aus Italien nach Deutschland und ließ ihn unter anderem für das Fuggerschloss in Kirchheim eine Skulpturengruppe
Die ikonische Darstellung von Jakob Fugger dem Reichen durch Albrecht Dü rer. schaffen. So fand Gerhard über die Fugger nach Augsburg. Die Stadt beauftragte ihn, den Augustusbrunnen auf dem Rathausplatz zu errichten, dann wurde der Hof in München auf das außerordentliche Talent aufmerksam, sodass Gerhard dort seine Arbeit fortsetzte.
An Johann Jakob Fugger (1516 bis 1575) lässt sich die ganze Dynamik des steilen Aufstiegs und auch Falls der Fugger als Unternehmer sehen. In seine Zeit fiel der spanische Staatsbankrott, der die Fugger Unsummen kostete. Johann Jakob Fugger verließ danach das Geschäft und übergab es seinem Vetter. Einen Großteil seines Hab und Guts musste Johann Jakob Fugger verkaufen – bis auf seine große Bibliothek, die aus mehr als 10 000 Bänden bestand – und sich aus wichtigen Handschriften und Drucken, insbesondere aus Italien, zusammensetzte, aus Literatur zur Geschichte und zur Jurisprudenz. Ein paar Jahre nach dem Konkurs trennte sich Johann Jakob Fugger dann doch von seinem Bücherschatz, verkaufte ihn an Albrecht V. von Bayern, in dessen Diensten Johann Jakob Fugger zu dieser Zeit stand. Die Münchner Hofbibliothek verdoppelte sich durch den Zukauf und zählte um 1600 zu den wichtigsten Bibliotheken von Europa, der Vorläufer der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek.
Die große Zeit der kunstfördernden Fugger endete mit der großen Zeit des Unternehmens. Die Kaufmannsfamilie aus Augsburg war aufgenommen in den deutschen Hochadel und hatte sich Ländereien zugelegt. Sie mussten der Welt nicht mehr beweisen, zu den Großen dazuzugehören, sie taten es.
Sammlungen einzelner Familienmitglieder verstreuten sich wieder. Anderes blieb fest an seinem Platz – etwa die reiche Ausstattung der Fuggerkapelle in Augsburg. Allerdings erlebten die Augsburger Kunstsammlungen 2019 eine große Überraschung, als ein Stück der Innenausstattung, von dem bislang niemand wusste, dass es je existiert hatte, auf dem Kunstmarkt in Paris auf einer Auktion auftauchte: zwei Daucher-Putten, die Augsburg auch mithilfe der Ernst-von-SiemensStiftung ersteigerte – für 2,5 Millionen Euro. Eine Summe, die zeigt, wie begehrt noch heute die Kunst ist, die durch die Förderung der Fugger entstanden ist.