Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Viel verdient und viel für die Kunst ausgegeben

Die Fugger gehörten im 16. Jahrhunder­t zu den größten Förderern der Künste: Nicht nur aus Liebhabere­i, sondern auch, um daraus einen gesellscha­ftlichen Nutzen zu ziehen

- VON RICHARD MAYR

Augsburg Sie bringen Kunsthisto­riker heute zum Schwärmen, die Fugger, vor allem die Fugger, die den Nimbus der Familie im 16. Jahrhunder­t begründete­n, als aus Handwerker­n Kaufleute, aus Kaufleuten Bankiers und aus den Bankiers letztlich Adlige geworden waren, die zum Abschluss auch ins Stadt-Patriziat Augsburgs aufgenomme­n wurden. Als Geschäftsl­eute verdienten sie im 16. Jahrhunder­t sehr viel Geld, „aber sie gaben auch unglaublic­h viel Geld wieder aus“, sagt Christoph Emmendörff­er, Leiter des Maximilian­museums in Augsburg – zum Beispiel für die Kunst, zum Beispiel für die Musik, aber auch für Bücher – „eigentlich für alles“, fügt Emmendörff­er an.

Damals in der noch im Ständewese­n verhaftete­n Gesellscha­ft war alles streng und strikt geregelt, berichtet der Museumsman­n, etwa welche Farbe wer tragen darf und wer nicht. Gleichzeit­ig bedeutete das im Umkehrschl­uss aber auch, dass die entspreche­nde Farbe dann auch tatsächlic­h getragen werden müsse. Die äußeren Zwänge waren hoch. Wer sich nicht fügte, gehörte nicht dazu. Um sozial aufzusteig­en, langte es nicht, Geld- und Goldschätz­e zu horten, vielmehr musste gezeigt werden, dass damit auch standesgem­äß gelebt wurde. Erst dann hatte man eine Chance. Die Fugger gaben sich im 16. Jahrhunder­t spendabel wie Könige und Kaiser, aber in Augsburg, ihrem Stammsitz, dem sie wirtschaft­lich und intellektu­ell längst entwachsen waren, zögerte man lange, diese Überfliege­r-Familie ins Stadtpatri­ziat aufzunehme­n – erst bekamen sie vom Kaiser Adelstitel.

Die große Kunstliebe der Fugger, ihre Stiftungen und Schenkunge­n waren nicht nur selbstlose­r Akt und Formen reiner Kunstverli­ebtheit, sondern erfüllten auch einen gesellscha­ftlichen Zweck, dienten zur Repräsenta­tion, zeigten, zu was man wirtschaft­lich in der Lage war und wo man sich selbst einordnete – nicht mehr als reiche Kaufmannsf­amilie, sondern auf Augenhöhe mit den Fürsten und Königen der Zeit. Die Fugger bewiesen, dass sie wussten, wer die besten Künstler der Zeit waren.

Jakob Fugger (1459 bis 1525) holte die Renaissanc­e nach Deutschlan­d, als er die Familiengr­ablege in der Augsburger Anna-Kirche von unter anderem Albrecht Dürer, Jörg Breu dem Älteren und Hans Daucher gestalten ließ. Sie kostete ein Vermögen, zeigte dem Augsburger Patriziat, in das die Fugger aufgenomme­n werden wollten, dass sie die anderen Augsburger Kaufleute um Längen hinter sich gelassen hatten: Ihre Grablege wäre auch eines Kaisers würdig gewesen – ein Juwel, noch heute in der Augsburger Anna-Kirche zu bestaunen.

Das war erst der Anfang, der Auftakt zur Kunstförde­rung im großen Stil. Jakob Fugger blieb auch weiterhin das Unternehme­rgenie, auf ihn folgten Familienmi­tglieder, die auch ein bisschen anders geartet waren, stärker ausgeprägt­e Sinnenmens­chen, Kunstförde­rer und -versteher im großen Stil – etwa Raymund Fugger (1489 bis 1535), dessen Kunstsamml­ung seinerzeit legendär war, der Kontakt zu den großen Humanisten wie Erasmus von Rotterdam pflegte, auch das Musikwesen förderte und ein besonderes Faible für die Antike hatte. Wahrschein­lich über das FuggerKont­or in Venedig ließ er antike Skulpturen beschaffen, die Besucher seines Augsburger Anwesens schwärmen ließ.

Das gewaltige und europaweit­e Informatio­nsnetzwerk, das Grundlage für das Firmenimpe­rium der Fugger war, diente auch dazu, informiert zu sein, welche neuen Künstler wo gerade gefragt waren.

Manchmal waren es die Fugger, die ein neues Talent erkannten, beauftragt­en und für sich arbeiten ließen, bevor die Höfe auf es aufmerksam wurden. Hans Fugger (1531 bis 1598), ein ebenso als großer Mäzen bekannter Fugger, holte den Künstler Hubert Gerhard aus Italien nach Deutschlan­d und ließ ihn unter anderem für das Fuggerschl­oss in Kirchheim eine Skulpturen­gruppe

Die ikonische Darstellun­g von Jakob Fugger dem Reichen durch Albrecht Dü‰ rer. schaffen. So fand Gerhard über die Fugger nach Augsburg. Die Stadt beauftragt­e ihn, den Augustusbr­unnen auf dem Rathauspla­tz zu errichten, dann wurde der Hof in München auf das außerorden­tliche Talent aufmerksam, sodass Gerhard dort seine Arbeit fortsetzte.

An Johann Jakob Fugger (1516 bis 1575) lässt sich die ganze Dynamik des steilen Aufstiegs und auch Falls der Fugger als Unternehme­r sehen. In seine Zeit fiel der spanische Staatsbank­rott, der die Fugger Unsummen kostete. Johann Jakob Fugger verließ danach das Geschäft und übergab es seinem Vetter. Einen Großteil seines Hab und Guts musste Johann Jakob Fugger verkaufen – bis auf seine große Bibliothek, die aus mehr als 10 000 Bänden bestand – und sich aus wichtigen Handschrif­ten und Drucken, insbesonde­re aus Italien, zusammense­tzte, aus Literatur zur Geschichte und zur Jurisprude­nz. Ein paar Jahre nach dem Konkurs trennte sich Johann Jakob Fugger dann doch von seinem Bücherscha­tz, verkaufte ihn an Albrecht V. von Bayern, in dessen Diensten Johann Jakob Fugger zu dieser Zeit stand. Die Münchner Hofbibliot­hek verdoppelt­e sich durch den Zukauf und zählte um 1600 zu den wichtigste­n Bibliothek­en von Europa, der Vorläufer der heutigen Bayerische­n Staatsbibl­iothek.

Die große Zeit der kunstförde­rnden Fugger endete mit der großen Zeit des Unternehme­ns. Die Kaufmannsf­amilie aus Augsburg war aufgenomme­n in den deutschen Hochadel und hatte sich Ländereien zugelegt. Sie mussten der Welt nicht mehr beweisen, zu den Großen dazuzugehö­ren, sie taten es.

Sammlungen einzelner Familienmi­tglieder verstreute­n sich wieder. Anderes blieb fest an seinem Platz – etwa die reiche Ausstattun­g der Fuggerkape­lle in Augsburg. Allerdings erlebten die Augsburger Kunstsamml­ungen 2019 eine große Überraschu­ng, als ein Stück der Innenausst­attung, von dem bislang niemand wusste, dass es je existiert hatte, auf dem Kunstmarkt in Paris auf einer Auktion auftauchte: zwei Daucher-Putten, die Augsburg auch mithilfe der Ernst-von-SiemensSti­ftung ersteigert­e – für 2,5 Millionen Euro. Eine Summe, die zeigt, wie begehrt noch heute die Kunst ist, die durch die Förderung der Fugger entstanden ist.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Die Fugger brachten mit der Fugger‰Kapelle in Augsburg die Renaissanc­e aus Italien über die Alpen.
Foto: Silvio Wyszengrad Die Fugger brachten mit der Fugger‰Kapelle in Augsburg die Renaissanc­e aus Italien über die Alpen.
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Foto: Silvio Wyszengard

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