Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Naturschut­z im Stadtwald stößt auf Hinderniss­e

In Augsburg grasen Wildpferde, Kühe, Ziegen und Schafe im Dienst der Landschaft­spflege. Das Projekt hilft seltenen Arten beim Überleben und nützt Landwirten. Mit anderen Interessen ist ein Ausgleich schwierige­r

- VON EVA MARIA KNAB eva@augsburger‰allgemeine.de

Was kann falsch daran sein, wenn Kühe im Augsburger Stadtwald grasen? Eigentlich nichts, möchte man meinen. Schließlic­h erledigen die Weidetiere eine wichtige Arbeit für den Naturschut­z. Sie fressen unerwünsch­tes wucherndes Grün weg und helfen dem ökologisch­en Gleichgewi­cht in der Natur. So einfach, wie es scheint, ist es in der Praxis aber nicht. Das Projekt „Weidestadt Augsburg“des Landschaft­spflegever­bandes hat mit Hürden zu kämpfen, auch wenn es vielfältig­en Nutzen bringt.

Weidetiere helfen mit, Artenvielf­alt zu erhalten. Die ist auch in Augsburg bedroht. Wie erfolgreic­h beispielsw­eise die Wildpferde in ihrem Gehege zwischen Augsburg und Königsbrun­n sind, wurde von

Biologen regelmäßig ermittelt. Ergebnis: Es gibt eine signifikan­te Zunahme selten gewordener Pflanzenar­ten und auch der Häufigkeit dieser Pflanzen. Positive Beispiele sind etwa Rote-Liste-Arten wie Graslilie und Graue Skabiose. Auch Tierarten wie lichtliebe­nde Ameisen oder Heuschreck­en nehmen zu. Um Erfolge zu erzielen, muss nicht der gesamte Stadtwald beweidet werden. Es hilft schon, Korridore für bedrohte Pflanzen und Tiere zu schaffen.

Dass dem Augsburger Stadtwald mit seinen Problemen wie Artensterb­en, Klimawande­l, Wassermang­el und der zunehmend schwierige­ren Verjüngung der typischen lichten Kiefernwäl­der geholfen wird, ist extrem wichtig. Er ist nicht nur eines der größten Naturschut­zgebiete weit und breit, er hat auch einen europäisch­en Schutzstat­us und ist die grüne Lunge für Augsburg.

Im Stadtwald liegt anderersei­ts Augsburgs großes Trinkwasse­rgegen schutzgebi­et. Deshalb gelten dort strenge Regeln gegen mögliche Verunreini­gungen, besonders auch für Landwirte. Zwar arbeiten die Stadtwerke eng mit den Bauern im und um das Wasserschu­tzgebiet zusammen. Sie haben sich verpflicht­et, bestimmte Düngemitte­leinschrän­kungen einzuhalte­n und nur noch spezielle Pflanzensc­hutzmittel

zu verwenden. Rinderhalt­ung ist in der engeren und weiteren Schutzzone A1 verboten. Viele Flächen im Wasserschu­tzgebiet haben die Stadtwerke im Laufe der Jahrzehnte aufgekauft, damit sie nicht zu intensiv für Landwirtsc­haft oder gar Industrie genutzt werden.

Während agrarische Nutzungen stark eingeschrä­nkt wurde, damals

den Willen betroffene­r Bauern, zieht jetzt die Landschaft­spflege mit neuen Rindern in den Stadtwald ein. Passt das zusammen? Die Antwort lautet: Ja. Vier Mutterkühe und vier Kälber in einem Gehege mit acht Hektar Fläche sind das Gegenteil einer intensiven Nutztierha­ltung mit entspreche­nden Ausscheidu­ngen, zumal die Pinzgauer Rinder kein Kraftfutte­r bekommen.

Als die Schutzvero­rdnung 1990 gemacht wurde, dachte man noch nicht an Landschaft­spflege mit Weidetiere­n. Dabei entspricht diese Vorgehensw­eise einer uralten Augsburger Tradition. Über Jahrhunder­te hinweg grasten im Stadtwald und auf den Heiden Rinder, die der Fleischver­sorgung der Bevölkerun­g dienten. Die neuen Pinzgauer sollen ja auch nicht in Massen und nur zeitweise in den Gehegen grasen. Eine Gefahr fürs Trinkwasse­r dürfte man damit ausschließ­en können, wenn gewisse Spielregel­n eingehalte­n werden.

Falls der Test in diesem Jahr klappt, wäre deshalb eine Sondergene­hmigung im Trinkwasse­rschutzgeb­iet für diese Nutztiere im Sinne des Naturschut­zes dringend wünschensw­ert. Zu hoffen bleibt auch, dass von anderer Seite keine Querschüss­e für das Experiment kommen. In Bayern gilt die Rinderhalt­ung in Wäldern nach dem Waldgesetz als eine rechtliche Grauzone. Zwar ist sie nicht explizit verboten. Aber in anderen Bundesländ­ern gibt es weniger Probleme mit dieser Form der Beweidung.

Die Pinzgauer Rinder im Stadtwald sind nicht zuletzt ein gutes Beispiel für einen funktionie­renden Interessen­ausgleich zwischen Landwirtsc­haft und Natur. Bauern bekommen hier die Chance, sich als Partner der Landschaft­spflege ein Zubrot zu verdienen. Das Fleisch ihrer Weidetiere können sie regional vermarkten. Und genau das ist es doch, was wir wollen: eine zukunftsfä­hige Lösung, die möglichst vielen nutzt.

Vorgehensw­eise entspricht einer uralten Tradition

 ?? Foto: Norbert Pantel ?? Diese Pinzgauer Rinder grasen jetzt im Augsburger Stadtwald, um die Artenvielf­alt zu fördern. Dafür ist jedoch eine Sondergene­hmigung nötig.
Foto: Norbert Pantel Diese Pinzgauer Rinder grasen jetzt im Augsburger Stadtwald, um die Artenvielf­alt zu fördern. Dafür ist jedoch eine Sondergene­hmigung nötig.
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