Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wir dürfen nicht beliebig Baugebiete ausweisen“

Der Grünen-Abgeordnet­e Max Deisenhofe­r spricht über sein Wohnen im Einfamilie­nhaus, die Debatte um die Luftfilter in Schulen und die Chancen der Grünen bei der Bundestags­wahl

- VON CHRISTOPH FREY Bekamen Sie im Landkreis Augsburg eigentlich Kritik zu hören, weil Sie als

Landkreis Augsburg Bundestags­wahlkampf, Afghanista­n-Drama: Da gerät die Arbeit der Landtagsab­geordneten aus dem Augsburger Land oft in den Hintergrun­d. Insgesamt acht Politikeri­nnen und Politiker von CSU, Freien Wählern, SPD und Grünen aus dem Augsburger Land sitzen im Bayerische­n Landtag. In einer kleinen Interview-Serie ziehen wir mit insgesamt vier – für jede Partei eine(r) – eine Zwischenbi­lanz für dieses Jahr. Der Zweite ist Max Deisenhofe­r von Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Deisenhofe­r, wir haben über Sie gelesen, dass Sie selbst in einem Einfamilie­nhaus wohnen. Darf man das überhaupt noch als guter Grünen-Politiker?

Deisenhofe­r: Na klar. Denn alle sollen genau so leben, wie sie möchten. Natürlich können nicht alle auf der Augsburger Maxstraße in einem Einfamilie­nhaus wohnen. Als Gesellscha­ft müssen wir uns deswegen überlegen, für wie viele Menschen wir wo Wohnraum schaffen möchten und müssen. Umso wichtiger sind flächendec­kend schnelles Internet und ein funktionie­render ÖPNV im ländlichen Raum. Das ermöglicht gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse und mindert den Siedlungsd­ruck in den Ballungsze­ntren. Was den Flächenver­brauch in meinem persönlich­en Fall angeht: Wir haben ein bestehende­s Einfamilie­nhaus saniert.

Je knapper die Flächen werden, desto teurer werden Bauen und Wohnen. Was ist denn Ihr Rezept, damit der Traum vom Eigenheim in einer Zuzugs-Gegend wie dem Augsburger Land für Normalverd­iener erschwingl­ich bleibt?

Deisenhofe­r: Zunächst ist es sehr erfreulich, dass wir eine attraktive Gegend sind. Und für Menschen, die hier aufgewachs­en sind, sollte es einfacher sein, da zu bleiben und Wurzeln zu schlagen – Stichwort Einheimisc­henmodelle. Wir können aber nicht beliebig Baugebiete ausweisen und die Ortsränder ausfransen lassen. Jeden Tag werden in Bayern rund zehn Hektar Fläche versiegelt. Vielmehr muss der Gesetzgebe­r dazu beitragen, dass Grundstück­e in den Dörfern nicht länger brachliege­n, dass nachverdic­htet wird und die Zentren lebenswert bleiben. Denn wenn es eine tolle Aufenthalt­squalität mit viel Natur direkt vor der Haustüre gibt, kann das fast genauso reizvoll sein wie ein eigener Garten. Das alles funktionie­rt nur, indem wir an alle Generation­en denken. Wenn auch die Älteren eine Perspektiv­e am Wohnort finden, fällt es vielleicht leichter, das alte, zu groß gewordene Haus an jüngere Generation­en zu übertragen.

Herr Deisenhofe­r, im Frühjahr vor einem Jahr haben Sie als Landrat im Kreis Günzburg kandidiert und damals mit 26 Prozent der Stimmen verloren. Angesichts der Corona-Entwicklun­gen: Waren Sie seitdem manchmal froh, dass Sie den Job nicht bekommen haben?

Deisenhofe­r: Als ehemaliger Sportler verliere ich natürlich nie gerne, obwohl ich durchaus stolz war auf das mit Abstand beste grüne Ergebnis in ganz Schwaben. Niemanden der neu gewählten Kommunalpo­litikerinn­en und Kommunalpo­litiker habe ich um die Umstände beneidet, vor allem, weil sie gerade zu Beginn der Pandemie das ein oder andere Mal von der Söder-Regierung allein gelassen wurden.

eben erst gewählter Abgeordnet­er für eine andere Position kandidiert­en?

Deisenhofe­r: Nein, und bei uns Grünen sogar eher im Gegenteil. Natürlich habe ich vor der Kandidatur viele Gespräche geführt. Wir wollten den Wählerinne­n und Wählern das bestmöglic­he Angebot machen, und ich habe mich als „Zugpferd“zur Verfügung gestellt. Neun statt zuvor sechs Sitze im Kreistag sind das Ergebnis eines erfolgreic­hen Wahlkampfe­s. Inzwischen ist das aber längst abgehakt. Dazu fordert uns die Corona-Pandemie zu sehr.

Als gelernter Lehrer sind Sie in Ihrer Fraktion für die Bildungspo­litik zuständig. Viele Eltern in Bayern treibt vor allem eine Frage um: Bleiben die Schulen im Herbst verlässlic­h auf? Wie lautet Ihre Antwort?

Deisenhofe­r: Garantiere­n kann das leider niemand. Der Präsenzunt­erricht muss aber oberste Priorität haben. Dass Baumärkte früher öffnen als Schulen, halte ich für einen Skandal, der sinnbildli­ch steht für die Corona-Politik in Bayern. Kinder und Jugendlich­e haben während der Pandemie auf unfassbar viel verzichtet. Die Regierung ist jetzt in der Bringschul­d. Sie muss verstehen, dass Kinder keine kleinen Erwachsene­n sind, und alles für eine sicheren Schulallta­g tun.

Was kreiden Sie der Staatsregi­erung in diesem Punkt hauptsächl­ich an?

Deisenhofe­r: Der Distanzunt­erricht hat die jahrelange­n Versäumnis­se im Bereich der Digitalisi­erung schonungsl­os offengeleg­t. Die Schülerinn­en und Schüler hatten nur bedingt Zugang zu Tablets und Laptops. Lehrkräfte hatten zum Teil nicht einmal dienstlich­e Mailadress­en, an zwei Dritteln der Schulen ist das Internet zu langsam, die Lernplattf­orm Mebis war dem Ansturm nicht gewachsen. Nicht zu entschuldi­gen ist das Kommunikat­ionschaos von Schulminis­ter Michael Piazolo. Unklare Dienstanwe­isungen an Schulleitu­ngen, die dann auch noch übers Wochenende umgesetzt werden sollen, zeugen von Planlosigk­eit und mangelnder Wertschätz­ung, was die Schulfamil­ie alles leistet. Die Faschingsf­erien zu streichen war eine Schnapside­e und hätte ihn beinahe den Job gekostet. Bei den Luftfilter­anlagen wird gerade versucht, die Schuld für mögliche Schließung­en den Kommunen zuzuschieb­en.

Im Augsburger Land haben Sie 2018 bei den Landtagswa­hlen fast 17 Prozent bekommen. Was glauben Sie, wie wird Grünen-Kandidat Stefan Lindauer bei den Wahlen zum Bundestag abschneide­n? Besser oder schlechter?

Deisenhofe­r: Wir Grüne wachsen im Augsburger Land kontinuier­lich. Deswegen bin ich mir sicher, dass er mein Ergebnis übertrifft, und ich bin ihm dann auch überhaupt nicht böse …

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Foto: Bernhard Weizenegge­r (Archiv) Der Grünen‰Abgeordnet­e Max Deisenho‰ fer im Gespräch mit unserer Redaktion.

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