Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Wir dürfen nicht beliebig Baugebiete ausweisen“
Der Grünen-Abgeordnete Max Deisenhofer spricht über sein Wohnen im Einfamilienhaus, die Debatte um die Luftfilter in Schulen und die Chancen der Grünen bei der Bundestagswahl
Landkreis Augsburg Bundestagswahlkampf, Afghanistan-Drama: Da gerät die Arbeit der Landtagsabgeordneten aus dem Augsburger Land oft in den Hintergrund. Insgesamt acht Politikerinnen und Politiker von CSU, Freien Wählern, SPD und Grünen aus dem Augsburger Land sitzen im Bayerischen Landtag. In einer kleinen Interview-Serie ziehen wir mit insgesamt vier – für jede Partei eine(r) – eine Zwischenbilanz für dieses Jahr. Der Zweite ist Max Deisenhofer von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Deisenhofer, wir haben über Sie gelesen, dass Sie selbst in einem Einfamilienhaus wohnen. Darf man das überhaupt noch als guter Grünen-Politiker?
Deisenhofer: Na klar. Denn alle sollen genau so leben, wie sie möchten. Natürlich können nicht alle auf der Augsburger Maxstraße in einem Einfamilienhaus wohnen. Als Gesellschaft müssen wir uns deswegen überlegen, für wie viele Menschen wir wo Wohnraum schaffen möchten und müssen. Umso wichtiger sind flächendeckend schnelles Internet und ein funktionierender ÖPNV im ländlichen Raum. Das ermöglicht gleichwertige Lebensverhältnisse und mindert den Siedlungsdruck in den Ballungszentren. Was den Flächenverbrauch in meinem persönlichen Fall angeht: Wir haben ein bestehendes Einfamilienhaus saniert.
Je knapper die Flächen werden, desto teurer werden Bauen und Wohnen. Was ist denn Ihr Rezept, damit der Traum vom Eigenheim in einer Zuzugs-Gegend wie dem Augsburger Land für Normalverdiener erschwinglich bleibt?
Deisenhofer: Zunächst ist es sehr erfreulich, dass wir eine attraktive Gegend sind. Und für Menschen, die hier aufgewachsen sind, sollte es einfacher sein, da zu bleiben und Wurzeln zu schlagen – Stichwort Einheimischenmodelle. Wir können aber nicht beliebig Baugebiete ausweisen und die Ortsränder ausfransen lassen. Jeden Tag werden in Bayern rund zehn Hektar Fläche versiegelt. Vielmehr muss der Gesetzgeber dazu beitragen, dass Grundstücke in den Dörfern nicht länger brachliegen, dass nachverdichtet wird und die Zentren lebenswert bleiben. Denn wenn es eine tolle Aufenthaltsqualität mit viel Natur direkt vor der Haustüre gibt, kann das fast genauso reizvoll sein wie ein eigener Garten. Das alles funktioniert nur, indem wir an alle Generationen denken. Wenn auch die Älteren eine Perspektive am Wohnort finden, fällt es vielleicht leichter, das alte, zu groß gewordene Haus an jüngere Generationen zu übertragen.
Herr Deisenhofer, im Frühjahr vor einem Jahr haben Sie als Landrat im Kreis Günzburg kandidiert und damals mit 26 Prozent der Stimmen verloren. Angesichts der Corona-Entwicklungen: Waren Sie seitdem manchmal froh, dass Sie den Job nicht bekommen haben?
Deisenhofer: Als ehemaliger Sportler verliere ich natürlich nie gerne, obwohl ich durchaus stolz war auf das mit Abstand beste grüne Ergebnis in ganz Schwaben. Niemanden der neu gewählten Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker habe ich um die Umstände beneidet, vor allem, weil sie gerade zu Beginn der Pandemie das ein oder andere Mal von der Söder-Regierung allein gelassen wurden.
eben erst gewählter Abgeordneter für eine andere Position kandidierten?
Deisenhofer: Nein, und bei uns Grünen sogar eher im Gegenteil. Natürlich habe ich vor der Kandidatur viele Gespräche geführt. Wir wollten den Wählerinnen und Wählern das bestmögliche Angebot machen, und ich habe mich als „Zugpferd“zur Verfügung gestellt. Neun statt zuvor sechs Sitze im Kreistag sind das Ergebnis eines erfolgreichen Wahlkampfes. Inzwischen ist das aber längst abgehakt. Dazu fordert uns die Corona-Pandemie zu sehr.
Als gelernter Lehrer sind Sie in Ihrer Fraktion für die Bildungspolitik zuständig. Viele Eltern in Bayern treibt vor allem eine Frage um: Bleiben die Schulen im Herbst verlässlich auf? Wie lautet Ihre Antwort?
Deisenhofer: Garantieren kann das leider niemand. Der Präsenzunterricht muss aber oberste Priorität haben. Dass Baumärkte früher öffnen als Schulen, halte ich für einen Skandal, der sinnbildlich steht für die Corona-Politik in Bayern. Kinder und Jugendliche haben während der Pandemie auf unfassbar viel verzichtet. Die Regierung ist jetzt in der Bringschuld. Sie muss verstehen, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, und alles für eine sicheren Schulalltag tun.
Was kreiden Sie der Staatsregierung in diesem Punkt hauptsächlich an?
Deisenhofer: Der Distanzunterricht hat die jahrelangen Versäumnisse im Bereich der Digitalisierung schonungslos offengelegt. Die Schülerinnen und Schüler hatten nur bedingt Zugang zu Tablets und Laptops. Lehrkräfte hatten zum Teil nicht einmal dienstliche Mailadressen, an zwei Dritteln der Schulen ist das Internet zu langsam, die Lernplattform Mebis war dem Ansturm nicht gewachsen. Nicht zu entschuldigen ist das Kommunikationschaos von Schulminister Michael Piazolo. Unklare Dienstanweisungen an Schulleitungen, die dann auch noch übers Wochenende umgesetzt werden sollen, zeugen von Planlosigkeit und mangelnder Wertschätzung, was die Schulfamilie alles leistet. Die Faschingsferien zu streichen war eine Schnapsidee und hätte ihn beinahe den Job gekostet. Bei den Luftfilteranlagen wird gerade versucht, die Schuld für mögliche Schließungen den Kommunen zuzuschieben.
Im Augsburger Land haben Sie 2018 bei den Landtagswahlen fast 17 Prozent bekommen. Was glauben Sie, wie wird Grünen-Kandidat Stefan Lindauer bei den Wahlen zum Bundestag abschneiden? Besser oder schlechter?
Deisenhofer: Wir Grüne wachsen im Augsburger Land kontinuierlich. Deswegen bin ich mir sicher, dass er mein Ergebnis übertrifft, und ich bin ihm dann auch überhaupt nicht böse …