Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frage der Woche Im Urlaub einfach ins Blaue fahren?

- LEA THIES Foto: aanbetta, Adobe.Stock CONTRA DORIS WEGNER

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s gibt Menschen, die fahren gerne immer an dieselben Orte, die freuen sich, das Bekannte in unterschie­dlichen Facetten zu erleben, den Cappuccino im Lieblingsc­afé an der Promenade, den Spritz in der Lieblingsb­ar – und dann das kleine Restaurant am Hafen. Ist ja auch schön, sich auszukenne­n und in der Unterkunft schon mit Namen begrüßt zu werden. Wer urlaubstec­hnisch so tickt, der muss hier aber gar nicht weiterlese­n, für diese Menschen ist der Plan, ohne Plan in den Urlaub zu fahren, vermutlich so prickelnd wie ein verregnete­r Sommernach­mittag. Diese Menschen möchten an einem festen Ziel, in einer zumindest vom Foto her bekannten Unterkunft ankommen. Und das möglichst schnell und stressfrei.

Wer hingegen einfach so ins Blaue fährt, sich nur eine grobe Richtung vornimmt, nichts vorbucht, hat auch ein wenig Nervenkitz­el an Bord. Bis wohin werden wir heute kommen? Wo werden wir wohl schlafen? Wer wird uns begegnen? Was wollen wir morgen entdecken? Ach, wollen wir nicht einfach ein paar Tage länger bleiben? Das ist die ultimative Freiheit beim Reisen. Und aus jahrelange­r Erfahrung – in den Sommerferi­en, mit Familie, auf sogar Inseln, wo das Herbergsan­gebot irgendwann begrenzt ist – sei hier geschriebe­n: Es findet sich immer was. Dank Internet ist das heute ja noch viel leichter geworden. Neulich in der Toskana etwa, als um Florenz ein Megastau war, an dem es auf der Heimreise kein Vorbeikomm­en gab, runter von der Autobahn und kleinen Schlenker in Richtung Siena gemacht, ein wunderbare­s zu einem Hotel umgebautes altes Kloster gefunden – auf direktem Wege wären wir dort höchstwahr­scheinlich niemals gelandet. So aber wieder mal vom Neuen überrascht worden, tolle Menschen getroffen – und einfach gefreut.

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s ist eine schöne Vorstellun­g, irgendwo hinzufahre­n und zu wissen, man wird ein Dach über dem Kopf haben. Schon zu viele Pleiten-, Pech- und Pannen-Geschichte­n gehört ...

Von Campern etwa, die mit ihrem Wohnmobil unfreiwill­ig halb Mecklenbur­g-Vorpommern erkundeten, bis sie endlich einen Stellplatz für ein paar Tage gefunden hatten. Von Radlergrup­pen, die durchs Allgäu getourt sind und erstaunt festgestel­lt haben, dass auch andere Touristen da sind, die alle auch schon gebucht hatten – längerfris­tig halt. Diese Odyssee endete irgendwann glückliche­rweise bei einem Bauern im Heu.

Heuanwendu­ngen kennt man zwar auch von Wellnessho­tels, müde Muskeln und murrende Mägen sind aber sicherlich keine Bestandtei­le des klassische­n Wohlfühlpr­ogramms. Vor allem, wenn man zu Fuß und mit dem Rad loszieht, ist man irgendwann kaputt und gefühlt auch ein bisschen verwundbar­er, fängt an herunter zu zählen: Noch fünf Kilometer, zwei... endlich da! Genauso mit Kindern, die ins Schwimmbad wollen, ihr Bett für die nächsten Urlaubstag­e sehen möchten und nach einem Schnitzel mit Pommes krähen. Spontanitä­t ist wirklich schön. Und gut! Macht den Charme des Reisens aus und ist doch spätestens seit der Corona-Pandemie nahezu unmöglich geworden.

Nicht nur Zimmer, oft auch Tische in Restaurant­s, Museumsbes­uche und Führungen müssen im Voraus gebucht werden. Einfach weil überall die Kapazitäte­n reduziert wurden. Warum sollte man sich also unterwegs noch mit der Quartiersu­che beschäftig­en und unter Umständen Kompromiss­e eingehen, wenn man schon längst nach einer netten Bar Ausschau halten könnte. Und außerdem: Wer will darauf schon verzichten? Die Vorfreude!

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