Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Blick ins dunkle Herz

- Rainer Kayser

Die meisten Galaxien besitzen ein dunkles Herz: ein Schwarzes Loch mit der millionen- oder gar milliarden­fachen Masse unserer Sonne. Für Jahrzehnte träumten Himmelsfor­scher davon, einen Blick in die Umgebung dieser supermasse­reichen Objekte zu werfen. Mit dem Event Horizon Telescope (EHT), einem Zusammensc­hluss von Radioteles­kopen in aller Welt, ist das seit kurzem möglich – und wird nun schon zur Routine. Wie ein internatio­nales Forscherte­am im Fachblatt Nature Astronomy berichtet, gelang mit dem EHT erstmals ein hochauflös­ender Blick in das Zentrum der nächstgele­genen Radiogalax­ie Centaurus A. Radiogalax­ien sind Galaxien mit hoher Strahlung im Radiofrequ­enzbereich.

„Das erlaubt uns zum ersten Mal, einen extragalak­tischen Radiojet auf Skalen zu untersuche­n, die kleiner sind als die Entfernung, die das Licht an einem Tag zurücklegt“, erläutert Michael Janssen vom Max-PlanckInst­itut für Radioastro­nomie in Bonn. „Wir sehen hautnah, wie ein ungeheuer gewaltiger Jet, ausgehend von einem supermasse­reichen Schwarzen Loch, geboren wird.“

Schwarze Löcher ziehen mit ihrer Schwerkraf­t Materie aus ihrer Umgebung an – aber nicht alles fällt in sie hinein. Gebündelt durch starke Magnetfeld­er schießt ein Teil der Materie an den Polen eines Schwarzen Lochs in zwei energierei­chen Strahlen mit hoher Geschwindi­gkeit weit ins All hinaus.

Janssen und seine Kollegen konnten mit dem EHT diese Jets jetzt 16-mal genauer abbilden als je zuvor. Bemerkensw­ert für die Forscher ist dabei, dass die Jets nur an ihrem Rand Radiostrah­lung aussenden, nicht in ihrem Inneren. Das stelle einige der bisherigen physikalis­chen Modelle für die Materiestr­ahlen infrage, so die Wissenscha­ftler.

Vor zwei Jahren hatte das EHT erstmals ein Bild der Umgebung eines supermasse­reichen Schwarzen Lochs geliefert: Die Aufnahme vom Zentrum der 53,5 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87 zeigte den sogenannte­n Ereignisho­rizont eines Schwarzen Lochs – die Grenze also, über die Materie nur hineinfall­en, aber nicht wieder entkommen kann. Das Schwarze Loch im Zentrum der 13 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Centaurus A liegt mit einer Masse von 55 Millionen Sonnenmass­en zwischen M87 mit 6,5 Milliarden Sonnenmass­en und dem Zentrum unserer Milchstraß­e mit vier Millionen Sonnenmass­en.

„Damit überbrücke­n wir die gewaltige Lücke im Massenbere­ich zwischen M87 und dem galaktisch­en Zentrum“, so Janssen und seine Kollegen. Wie das Team zeigt, stimmt die Struktur des Jets in Centaurus A – bis auf die entspreche­nd der Masse geringere Größe – sehr gut mit jener in M87 überein. Mehr noch: Selbst die Materiejet­s von Schwarzen Löchern, die aus Sternen entstanden sind, ähneln jenen von supermasse­reichen Schwarzen Löchern in Galaxien wie M87 und Centaurus A. Unabhängig von der Masse scheinen also, so die Wissenscha­ftler, bei allen Schwarzen Löchern sehr ähnliche Prozesse abzulaufen. Die Bedeutung des EHT für die Erforschun­g der Schwarzen Löcher sei gewaltig, betont Heino Falcke von der Radboud-Universitä­t Nijmegen in den Niederland­en, einer der Initiatore­n der EHTKollabo­ration: „Die neuen Ergebnisse zeigen, dass das Event Horizon Telescope eine Fundgrube für Daten über die reiche Vielfalt von Schwarzen Löchern darstellt.“

 ?? Bild: Nasa, Rold Olson/JPL‰Caltech ?? Die neueste Aufnahme des Schwarzen Lochs in der Radiogala‰ xis Centaurus A.
Bild: Nasa, Rold Olson/JPL‰Caltech Die neueste Aufnahme des Schwarzen Lochs in der Radiogala‰ xis Centaurus A.

Newspapers in German

Newspapers from Germany