Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Plötzlich saß ich mit den Kindern allein da“
In der Serie „Familienalbum“erzählen wir die Geschichten von großen und kleinen Familien, von Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Mehr-Generationen-Familien, kurz: von jedem, der sich als Familie fühlt. Dieses Mal mit Tanja Müller, die mit ihrem Freund und dem gemeinsamen Hund in Augsburg lebt. Müllers Söhne sind vor kurzem ausgezogen.
Familie Zu meiner Familie gehören meine beiden Söhne, Moritz, 23, und Niklas, 20, mein Freund Klaus und unser Hund Booba. Mein Freund und ich wohnen zusammen. Erst hatten wir Wohnungen in gegenüberliegenden Häusern. Aber dann haben wir gemerkt, dass es doch praktischer ist, wenn wir nur einen Haushalt zu befüllen haben. Jetzt wohnen wir in der einen Wohnung und die andere nutzen wir als Atelier. Unter anderem entwerfe ich dort die Kleider für meine eigene Kleidermarke. Meine Söhne sind mittlerweile aus der Wohnung ausgezogen. Moritz ist nach dem Abi nach Würzburg gegangen. Niklas studiert seit letztem
Jahr in Wien. Nachdem beide ausgezogen waren, ging es mir erst einmal ein wenig komisch. Sie haben mir gefehlt. Ich bin eben ein Muttertier. Ohne meine Söhne bin ich kurz in ein kleines Loch gefallen. Es war ein neues Leben. Ich lernte, mich wieder auf mich zu besinnen. Spazieren gehen, joggen, Freundinnen treffen. Jetzt genieße ich die freie Zeit gemeinsam mit Klaus. Wir sind öfter unterwegs. Und ich koche nur noch das, was ich selbst gerne essen mag.
Anfänge Die Ehe mit meinem Ex-Mann endete vor neun
Jahren ziemlich abrupt. Ich saß plötzlich in unserem gemieteten Haus mit den Kindern allein. Mein Mann war der Hauptverdiener, wir haben ein relativ klassisches Rollenmodell gelebt. Er ging arbeiten, ich war mit Nebenjob zu Hause mit den Kindern. Als er ausgezogen ist, hat er unser gemeinsames Konto gesperrt. Ich hatte auf einmal nur noch das, was ich mir angespart hatte. Während der Trennung habe ich dann erst mal alle Sachen für uns, also etwa den Unterhalt gerichtlich geregelt auch und den Mietvertrag nur auf mich abgeschlossen. Mir hat es sehr geholfen, dass ich einen Coach hatte, also jemanden, mit dem ich über all das reden konnte. In der Zeit ist auch die Idee mit der Kleidermarke entstanden. Mein Coach hat mich immer wieder angestachelt, mit dieser Idee weiterzumachen. Irgendwann war ein echtes Feuer in mir entfacht, mein eigenes Feuer. Davor war das eher ein Familienfeuer. Ich war ständig in der Mutterrolle gefangen, stand zur Verfügung für alle anderen. Früher war ich sehr zurückhaltend, eher die Frau von ... und das bin ich eben jetzt nicht mehr. Jetzt bin ich Tanja Müller.
Alltag Niklas ist nach seinem Abitur gemeinsam mit Freunden nach Neuseeland und Australien gegangen, um dort zu reisen. Dann kam Corona und er musste zurück nach Augsburg. Im Vergleich zu seiner Auslandsreise war das hier für ihn erst einmal ein total eingeschränktes Leben. Aber irgendwie war es auch eine nette Zeit. Wir hatten plötzlich viel Zeit und ich habe das sehr genossen. Wir saßen nächtelang da und haben geredet, gepuzzelt, zusammen gekocht. Zum Wintersemester ist er dann nach Wien gezogen. Allerdings nur für circa drei Wochen, dann kam der neue Lockdown. Phasenweise kam Moritz auch länger aus Würzburg nach Hause. Ich fand es toll, dass beide wieder da waren. Es war so besonders und unvorhergesehen.
Streitpunkte In der Corona-Zeit hatten wir manchmal einen kleinen Lagerkoller. Wenn es um das Aufräumen ging oder wer die Küche sauber macht, solche Dinge. Ich bin jemand, der es zu Hause gern ordentlich hat. Und wenn dann das Zeug nur so rumfliegt, dann muss ich mal was sagen. Ich glaube, das gibt es in allen Familien.
Glücksmomente Wenn wir zusammen sind, essen wir immer gerne gemeinsam. Das finde ich sehr schön: Wir unterhalten uns lange, verbringen einfach Zeit miteinander. Wir spielen auch sehr viel. Dieses Gemeinschaftliche gefällt mir. Zwischen uns gibt es viel Vertrauen, einen liebevollen Umgang. Die Zeit, in der ich mit den Kindern alleine gelebt habe, hat uns unglaublich zusammengeschweißt, uns als Kernfamilie. Niklas sagt immer: Du bist mein Anker, Mama. Mein Fels in der Brandung. Was ist Ihre Geschichte?
Wollen Sie auch von Ihrer Familie erzählen und verraten, was Sie und Ihre Lieben besonders macht? Dann melden Sie sich – gerne mit einer Telefonnummer – unter der MailAdresse familienalbum@augsburgerallgemeine.de