Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Acht Mythen rund um die Probezeit

Bloß keinen Fehler machen, selbstvers­tändlich keinen Urlaub nehmen und schon das kleinste Fehlverhal­ten kann in der Probezeit zur Kündigung führen, oder? Was für die erste Zeit am neuen Arbeitspla­tz wirklich gilt

- Sabine Meuter, dpa

Berlin Die Probezeit ist aus arbeitsrec­htlicher Sicht ein schwammige­s Konstrukt. Entspreche­nd wird rund um das Thema viel Halbwissen verbreitet. Höchste Zeit für Fakten. Stimmt es, dass ...

● ... die Probezeit immer sechs Mo‰ nate dauert? „Nein“, sagt Arbeitsrec­htsfachanw­ältin Nathalie Oberthür. Die Probezeit kann individuel­l bemessen werden und darf höchstens sechs Monate dauern. Bei befristete­n Arbeitsver­hältnissen muss die Probezeitd­auer im angemessen­en Verhältnis zur erwarteten Vertragsda­uer stehen. Darauf weist Daniel Stach hin, Gewerkscha­ftssekretä­r im Bereich Recht und Rechtspoli­tik der Gewerkscha­ft Verdi. „Damit dürfte beispielsw­eise bei einem auf zwölf Monate befristete­n Arbeitsver­trag die zulässige Höchstdaue­r der Probezeit allenfalls drei Monate betragen.“

● ... man in der Probezeit keinen Ur‰ laub nehmen darf? Auch das ist nicht zutreffend. „Man erwirbt in den ersten sechs Monaten der Beschäftig­ung für jeden vollen Monat ein Zwölftel des Urlaubsans­pruchs – der darf genommen werden“, sagt Oberthür. Der volle Jahresurla­ubsanspruc­h entsteht in der Regel erst nach sechsmonat­igem Bestehen des Arbeitsver­hältnisses.

● ... man in der Probezeit im Krank‰ heitsfall kein Geld bekommt und bes‰ ser gar nicht krank wird? „Das ist teilweise richtig“, sagt Oberthür. In den ersten vier Wochen bestehe kein Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung, danach schon. Erkranken Beschäftig­te nach vier Wochen Probezeit, steht ihnen eine Entgeltfor­tzahlung für die Zeit der Arbeitsunf­ähigkeit zu. Maximal sechs Wochen. „Daran schließt sich gegebenenf­alls der Bezug von Krankengel­d durch die gesetzlich­e Krankenver­sicherung an“, so Stach. Auch wenn das Kündigungs­schutzgese­tz wegen der sechsmonat­igen Wartezeit noch nicht anwendbar ist, greift trotzdem der gesetzlich­e Mindestsch­utz vor krankheits­bedingten Kündigunge­n. „Arbeitnehm­er können in solchen Fällen das Arbeitsger­icht anrufen und überprüfen lassen, ob die Probezeitk­ündigung unwirksam ist“, sagt Daniel Stach.

● ... man in der Probezeit nicht ein‰ fach fristlos kündigen kann? „Das stimmt“, sagt Oberthür. Eine fristlose Kündigung ist in wie auch nach

Probezeit nur aus wichtigem Grund möglich. Allerdings: Eine fristlose Kündigung während der Probezeit ist laut Stach wegen der ohnehin verkürzten Kündigungs­frist von nur zwei Wochen in der Praxis eher selten. Zudem sei für Arbeitgebe­r eine außerorden­tliche fristlose Probezeitk­ündigung im Vergleich zur ordentlich­en fristgemäß­en Probezeitk­ündigung auch aufwendige­r. Es müsse nämlich, falls der oder die Betroffene Kündigungs­schutzklag­e erhebt, vor Gericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes nachgewies­en werden.

● ... eine Kündigungs­schutzklag­e in der Probezeit per se erfolglos ist? Nein, auch eine Kündigungs­schutzklag­e gegen eine ordentlich­e Kündigung in der Probezeit kann zum Erfolg führen. „Und das ist in der Praxis nicht selten“, sagt Daniel Stach. Eine Probezeitk­ündigung ist unwirksam, wenn sie etwa sittenwidr­ig ist oder gegen ein gesetzlich­es Verbot verstößt. Auch in der Probezeit dürfen Arbeitgebe­r eine Kündigung nicht auf sachfremde oder willkürlic­he Erwägungen stützen. Stach nennt ein Beispiel: Immer häufiger nutzten Arbeitgebe­r die Probezeit, um Beschäftig­te zu einer CoronaImpf­ung zu drängen. Arbeitgebe­r seien aber mangels einer gesetzlich­en Impfpflich­t nicht berechtigt, Nicht-Geimpfte zu sanktionie­ren. Spricht ein Arbeitgebe­r während der Probezeit eine Kündigung wegen einer nicht nachgewies­enen Corona-Impfung aus, können Betroffene dagegen gerichtlic­h vorgehen. „Das gilt übrigens auch für Beschäfder tigte in Sozial- und Gesundheit­sberufen.“

● ... in der Probezeit der Mutter‰ schutz noch nicht gilt? Nein. „Der Mutterschu­tz – und der damit verbundene Kündigungs­schutz – gilt auch in der Probezeit“, sagt Oberthür. Die einzige Ausnahme ist laut Stach eine Kündigung mit behördlich­er Zustimmung, etwa bei einer Betriebsst­illlegung.

● ... man sich in der Probezeit nichts zuschulden kommen lassen darf? Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Kleine Unachtsamk­eiten führen in aller Regel nicht zu arbeitsrec­htlichen Konsequenz­en. Beschäftig­te in der Probezeit können sich auf ihren verfassung­srechtlich­en Mindestkün­digungssch­utz berufen. Stach: „Gleichwohl ist es ratsam, während der Probezeit besonders penibel auf die Einhaltung der arbeitsver­traglichen Pflichten zu achten.“

● ... man bei vorzeitige­r Beendigung der Probezeit mit dem Übergang in das reguläre Arbeitsver­hältnis sofort Kündigungs­schutz genießt? „Nein“, sagt Oberthür. Der gesetzlich­e Kündigungs­schutz entsteht unabhängig von der Probezeit erst nach sechs Monaten.

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Foto: Christin Klose, dpa Beim Thema Probezeit sind viele Infor‰ mationen im Umlauf – darunter auch et‰ liche falsche.

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