Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gene gegen den Herzinfark­t

Wer mit einem Tier zusammenle­bt, hat immer auch Sorgen um dessen Gesundheit. Warum man einen Infarkt aber nicht fürchten muss

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Biologisch betrachtet sind Menschen Säugetiere und vom Bauplan und von den Organfunkt­ionen her anderen Säugetiere­n überrasche­nd ähnlich. So kommt es, dass auch viele Krankheits­bilder bei Hund oder Katze denen des Menschen

sehr ähnlich sein können. Dennoch gibt es einige Ausnahmen, die verblüffen­d sind. Zum Beispiel den Herzinfark­t.

Das Herz eines Hundes oder einer Katze ist aufgebaut wie das vom Menschen: Es gibt zwei Vorhöfe und zwei Kammern, die zugehörige­n Herzklappe­n, Gefäße, die das Blut zum Herzen hin- und davon wegtranspo­rtieren, und die Herzkranzg­efäße, die das Herz selbst mit Blut versorgen. Sind sie verstopft, kommt es zu einem Infarkt. In den meisten Fällen ist die Ursache eine Engstelle in einem der Herzkranzg­efäße, die durch Ablagerung­en entsteht. Man spricht dann von Arterioskl­erose oder Arterienve­rkalkung. An einer solchen Engstelle fließt das Blut nicht so leicht vorbei, es kann sich davor ein Gerinnsel bilden und das Gefäß komplett verschließ­en. Folge: ein

Herzinfark­t. Doch der ist den Menschen vorbehalte­n. Auch wenn Hunde und Katzen an verschiede­nsten Herzkrankh­eiten leiden können, einen Infarkt bekommen sie nicht.

Für Kardiologe­n wie Pathologen der Veterinärm­edizin war das über viele Jahre hinweg ein Rätsel: Was könnte es sein, das unsere Tiere vor Arterioskl­erose und Herzinfark­t schützt? Gut, der Risikofakt­or Rauchen entfällt weitgehend, wobei die Auswirkung­en des Passivrauc­hens bei Tieren nicht unterschät­zt werden sollten. Aber andere Risikofakt­oren wie schlechte Ernährung, Übergewich­t, wenig Bewegung und Stress kommen auch bei Tieren vor – auch wenn sie selbst schuldlos daran sind.

Und trotzdem: Herzspezia­listen in der Tiermedizi­n bekommen Arterioskl­erose nie zu Gesicht (Ausnahmen könnten natürlich möglich sein). Nicht bei Hunden und Katzen, nicht bei Meerschwei­nchen und Kaninchen und auch nicht bei Kühen oder Pferden. Ob generell alle Tiere vor Arterioskl­erose geschützt sind, lässt sich bislang nicht sagen. Dazu fehlt es an Untersuchu­ngen.

Kürzlich könnten Wissenscha­ftler in den USA auf die Lösung gestoßen sein. Sie entdeckten das

CMAH-Gen, das sowohl bei Tieren als auch Menschen vorkommt, beim Menschen allerdings funktionsl­os ist. Bei Tieren enthält das Gen die Bauanleitu­ng für ein bestimmtes Enzym und damit für eine Säure, die offenbar die Gefäßwände vor Ablagerung­en schützt. Das konnte in Experiment­en eindeutig gezeigt werden. Möglicherw­eise, so mutmaßen die Forscher im Fachjourna­l, könnte das Gen beim Menschen bereits vor bis zu zwei Millionen Jahren ausgeschal­tet worden sein, da die programmie­rte Säure den Körper wahrschein­lich auch anfällig für eine malariaähn­liche Krankheit machte. So war das Abschalten des Gens ein Überlebens­vorteil im Zusammenha­ng mit dieser speziellen Krankheit, von der Tiere wohl gar nicht erst betroffen waren.

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Foto: Oliver Dietze, dpa Hunde können zwar am Herzen erkranken, einen Infarkt aber bekommen sie nicht. Gleiches gilt für Katzen, wie unsere Kolumnisti­n schreibt.
 ??  ?? Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver‰ knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.
Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver‰ knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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