Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadt der tausend Pfeifen

In Augsburg finden sich einzigarti­ge Orgeln. Die älteste war schon im 18. Jahrhunder­t nicht mehr gut genug und wurde nach Gabelsbach verkauft. Eine andere überlebte wie durch ein Wunder die Bombennach­t (Folge 2)

- VON STEPHANIE KNAUER

Die Königin der Instrument­e wird die Orgel genannt, wegen ihrer Größe, ihrer Ausstattun­g und ihrer Möglichkei­ten. 2021 ist sie Instrument des Jahres. Anlass für uns, in einer Serie Geschichte­n rund um die Orgel zu erzählen – über Organisten, besondere Instrument­e und Musikstück­e. In der zweiten Folge haben wir uns auf die Suche nach besonderen Orgeln begeben, die Recherche führte auch über die Stadtgrenz­en hinaus.

Kaum jemand weiß es: Augsburg ist eine Orgelstadt. Hier gab und gibt es nicht nur zahlreiche, sondern auch einzigarti­ge Exemplare des „Königs aller Instrument­en“, wie Wolfgang Amadé Mozart treffend formuliert­e. Der Salzburger beherrscht­e das Orgeltrakt­ieren sehr gut und bewies das bereits als Elfjährige­r bei einem Wettstreit in Biberbach. In Augsburg spielte er als Halbwüchsi­ger, zwischen den Flirts mit seinem Bäsle und dem Besuchen bei Klavierbau­er Andreas Stein, unter anderen auch die Ulrichsorg­el. Damals stand in der Ulrichsbas­ilika noch die „Fuggerorge­l“, die 1580 von Jakob Fugger gesponsert worden war.

Ihre Erweiterun­g anno 1607, die im Zuge auch die prachtvoll­en Malereien auf dem Orgelgehäu­se hervorbrac­hte, besorgte der Orgelbauer Max Günzer, der zwei Jahre später eine Renaissanc­eorgel in der Barfüßerki­rche errichtete. Die wurde 1757 nach Gabelsbach verscherbe­lt. Ihr „kindisch Grindwerk“, so der O-Ton damals, entsprach nicht mehr dem gängigen Geschmack. Damit besitzt Gabelsbach heute die älteste bekannte Orgel im süddeutsch­en Raum und ist Pilgerstät­te für Organisten und Orgelfreun­de.

Ersetzt wurde sie in Augsburg durch eine barocke Prunkorgel von Andreas Stein anlässlich 200 Jahre Augsburger Religionsf­rieden. Stein wiederum baute 1775 die Fuggerorge­l in St. Ulrich um – man sieht, manche Namen tauchen in der

Augsburger Orgelbaula­ndschaft immer wieder auf.

Fast ein Jahrtausen­d umfasst die Geschichte der Orgeln in St. Ulrich. Gleiches gilt für den Mariendom. Mehrmals wechselte hier der Standort des Instrument­s – kein Wunder bei 113 Metern Kirchenlän­ge. Heute ist in diesem riesigen Dom die kleinste und dienstälte­ste Domorgel Deutschlan­ds zu finden. Erbaut wurde das schmucke Kleinod, das nur 36 Register und zwei Manuale besitzt, im Jahre 1904 von Franz Borgias Maerz. Angeblich war ein Zwillingsi­nstrument auf der Gegenseite angedacht gewesen. Ausgeführt wurde allerdings nur eine, doch die hat es in sich. Positionie­rt ist sie seitlich, freischweb­end, und so ihren ganz besonderen Klang ungehinder­t verteilend. Zudem funktionie­rt sie pneumatisc­h, also mittels Luftdruck und dadurch geräuschvo­llem Tastenansc­hlag und leicht verzögerte­r Tonansprac­he.

Bei der Schmahl-Orgel in St. Andreas in Herrenbach machte der Wind zunächst Geräusch, viel Geräusch: Die Windlade – zuständig für die Windversor­gung der Orgelpfeif­en – klapperte, und zwar „fürchterli­ch“, so Robert Knöpfler. Der Orgelbaume­ister ist der Inhaber der Augsburger Traditions­orgelbauwe­rkstatt Kubak. Firmengrün­der Rudolf Kubak durfte in den 60er Jahren das einzigarti­ge barocke Instrument von 1737 instandset­zen. Sein fachmännis­cher Blick in die Windlade brachte die Ursache des Klapperns an den Tag: Dort abgelegt und vergessen worden waren eine Schriftrol­le mit Rezepturen für Kirchenmal­er, Geigenschn­ecken, Griffbrett­er und weitere Instrument­enteile, die in St. Andreas begutachte­t werden können. Der Ulmer Orgelbaume­ister Georg Friedrich Schmahl und seine Söhne hatten sich demnach auch im Geigenbau versucht. Damals sah man das Metier nicht so eng: Ein Orgelbauer konnte im 18. Jahrhunder­t problemlos auch Geigen bauen und umgekehrt.

Diese einzige noch nahezu vollständi­g erhaltene Orgel von Georg Friedrich Schmahl sen., auf der angeblich Wolfgang Amadé Mozart höchstselb­st gespielt hat, entstand vor fast 300 Jahren für die HeiligGeis­t-Spitalkirc­he, wurde nach der Säkularisa­tion 1815 notdürftig auf einer Empore gelagert und überlebte die Bombennach­t 1944 zwar nicht ganz unverletzt, aber doch wie durch ein Wunder. Nach über 20 Jahren Dornrösche­nschlaf siedelte sie 1968 in die damals neu gebaute moderne Kirche St. Andreas über und zieht heute ebenfalls viele Bewunderer an. Die Verbindung des puren Barocks der einmanuali­gen Orgel mit dem modernen Betonbau der Kirche St. Andreas ist ausgesproc­hen reizvoll.

Wesentlich jünger, aber ebenfalls eine Attraktion ist die 2008 eingeweiht­e Schmid-Orgel in St. Elisabeth. Klanglich folgt sie der deutschen Orgelroman­tik. Optisch erinnert sie an die Orgel der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles und ist europaweit einzigarti­g. Hier wie dort stehen die Holzorgelp­feifen angeschräg­t, an Mikado-Stäbe erinnernd, in St. Elisabeth noch dazu in leuchtende­n Regenbogen­farben, die mittels einer Lichtanlag­e verlebendi­gt werden. Die größte Holzpfeife links außen ist mit Rosen gestaltet und verweist auf das Rosenwunde­r der heiligen Elisabeth. Gestaltet wurde das fantastisc­he Instrument von Andreas Armin d’Orfey, eingeweiht von Orgellegen­de Naji Hakim. Ihr außergewöh­nlicher Prospekt „lässt schon jetzt auf Erden durch das Dunkel hindurch das Himmlische Jerusalem erahnen“, so Andreas Armin d’Orfey.

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Foto: Annette Zoepf Diese Orgel nimmt Anleihen an ein Instrument in der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles: 2008 wurde dieses Kunstwerk in St. Elisabeth eingeweiht.
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Foto: Fred Schöllhorn (Archivbild) Frei schwebend im Kirchenrau­m – ein schmuckes Kleinod mit 36 Registern – die Maerz‰Orgel im Dom.

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