Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Wir dürfen die Schulen nicht durchseuchen“
Hat die Politik diesmal die Sommerferien genutzt, um die Schulen fit für eine neue Corona-Welle zu machen? Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger warnt vor Gefahren für die Schulkinder und den Unterricht
fektionen nicht mehr zur Kontaktnachverfolgung genutzt werden, dann kann man die Tests gleich ganz sein lassen.
Experten warnen vor einem unverantwortlichen Experiment einer „Durchseuchung“von Schulklassen ... Meidinger: Auch wenn Kinder seltener schwer erkranken, dürfen wir eine Durchseuchung der Schulen nicht zulassen. Neuere amerikanische Studien haben herausgefunden, dass die Hospitalisierungsquote bei infizierten Kindern zwischen 0,3 bis 1,7 Prozent liegt. Bezogen auf Deutschland bei knapp elf Millionen Schülern hieße das, dass zwischen 30000 und 180000 in Krankenhäusern behandelt werden müssten, von eventuellen Long-Covid-Folgen mal völlig abgesehen. Das, glaube ich, darf kein Politiker verantworten.
Derzeit ringt die Politik um neue Regeln anstelle der Inzidenz für CoronaMaßnahmen. Gerät dabei die Lage der Schulen aus dem Blickwinkel?
Meidinger: Die Mehrzahl der Erwachsenen ist bereits vollständig geimpft, insbesondere die gefährdeten Gruppen. Deshalb habe ich Verständnis dafür, dass man die bisherigen Inzidenzgrenzen nach oben verschiebt. Sich jetzt aber an den Schulen vollständig von Inzidenzen zu verabschieden und beispielsweise nur noch auf die Belegung von Intensivbetten abzustellen, halten wir als Lehrerverband für falsch. Inzidenzquoten sind ein Frühwarnsystem. Wenn die Krankenhäuser überquellen, ist es für Gegenmaßnahmen meistens zu spät. Die These, dass Schulen am Infektionsgeschehen keinen Anteil hätten, war noch nie zutreffend, auch wenn sie die Kultusministerkonferenz in der Vergangenheit mantrahaft wiederholt hat. Jetzt, da eindeutig klar ist, dass sich die Deltavariante am schnellsten unter Jugendlichen verbreitet, ist eher das Gegenteil richtig. Schulen sind auf jeden Fall mögliche Stätten der Weiterverbreitung und haben bei mangelnder Vorsicht auch Superspreaderpotenzial. Die Politik ist gut beraten, diese Gefahr sehr ernst zu nehmen.
HeinzPeter Meidinger, 66, stammt aus Regens burg, war Gymnasiallehrer und ist seit Juli 2017 Prä sident des Deutschen Leh rerverbands.