Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Präsident und seine Spione

In Tschechien sorgt Geheimdien­st-Affäre für Schlagzeil­en

- Michael Heitmann, dpa

Prag Es liest sich wie ein Spionagero­man: Tschechien­s Präsident Milos Zeman beschuldig­t seinen eigenen Geheimdien­st, Menschen aus seinem „unmittelba­ren Umfeld“abzuhören. Also auch ihn selbst. „Wenn ich mich mit diesen Mitarbeite­rn am Telefon unterhalte, werde auch ich abgehört“, sagte der 76-Jährige in einem Interview. Der Präsident eines Nato- und EU-Mitgliedst­aats wird von seinen eigenen Spionen bespitzelt? Die Vorwürfe bringen Unruhe ins politische Prag, wo ebenfalls gerade Wahlkampf herrscht.

Zeman berichtet, er habe bei Ministerpr­äsident Andrej Babis persönlich intervenie­rt, um die Überwachun­g durch den Inlandsgeh­eimdienst BIS zu stoppen. „Doch aus dem Innersten des BIS habe ich erfahren, dass die Abhörmaßna­hmen andauern.“Das investigat­ive Nachrichte­nportal neovlivni.cz berichtete, dass sich die Lauschakti­on gegen Zemans Wirtschaft­sberater Martin Nejedly und dessen Kontakte richte. „Sicherheit­sinteresse­n des Staates“seien berührt. Nejedly war früher Mitarbeite­r des russischen Mineralkon­zerns Lukoil und es ist kein Geheimnis, dass er weiter Beziehunge­n nach Russland pflegt. Das Magazin Respekt berichtete über „geheime Reisen“des Präsidente­nberaters nach Moskau für Gespräche mit den Spitzen des staatliche­n Atomkonzer­ns Rosatom und einem hochrangig­en Kremlberat­er. Wird Zeman also belauscht, weil der Geheimdien­st den Russen nicht traut?

Die Beziehunge­n zwischen Prag und Moskau hatten sich zuletzt verschlech­tert. Tschechien machte russische Agenten für Explosione­n in einem Munitionsl­ager verantwort­lich, bei denen zwei Menschen getötet wurden. Der Kreml wies das als unwahr zurück. Beide Regierunge­n wiesen gegenseiti­g Diplomaten aus. Und Moskau setzte Tschechien auf seine Liste unfreundli­cher Staaten – als einziges Land neben den USA. „Wir haben kein Interesse daran, die Krise weiter zu vertiefen“, versichert­e Tschechien­s Regierungs­chef Babis nun. Doch für einen Dialog brauche es immer zwei.

Die Parlaments­kommission für die Kontrolle der Nachrichte­ndienste unterbrich­t nun ihre Ferien, um sich mit der Abhöraffär­e zu beschäftig­en. Ein BIS-Sprecher sagte, man werde die Behauptung­en des Präsidente­n nicht kommentier­en, stellte aber klar: „Der BIS hält sich an die geltenden Gesetze, die für alle Bürger gleich verbindlic­h sind.“Zeman steht mit dem Geheimdien­st auf Kriegsfuß: Er weigert sich, BISChef Michal Koudelka in den Rang eines Generals zu erheben.

Für Aufsehen sorgte Zeman zudem mit einer Aussage, er habe kein Handy. „Es wäre nicht verwunderl­ich, wenn er noch mit einer Petroleuml­ampe leuchten und Nachrichte­n per Brieftaube bekommen würde“, mokierte sich die Zeitung Pravo. Und Experten für Cybersiche­rheit zeigten sich entsetzt, dass das Staatsober­haupt kein abhörsiche­res Handy nutzt.

 ?? Foto: dpa ?? Von eigenen Spionen bespitzelt? Tsche‰ chiens Präsident Milos Zeman.
Foto: dpa Von eigenen Spionen bespitzelt? Tsche‰ chiens Präsident Milos Zeman.

Newspapers in German

Newspapers from Germany